Angina: Wenn der Rachen schmerzt
Die Mandelentzündung gehört zu den häufigsten Atemwegserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Was sie auslöst und wie Eltern die Beschwerden lindern können.
Diesen Satz dürften Eltern in nächster Zeit wieder öfter hören: «Mami, mein Hals tut weh!» Wenn sich zum Halskratzen noch Schluckbeschwerden und Fieber dazugesellen, hat man es oft mit einer Mandelentzündung zu tun. Die Mandelentzündung, auch Angina genannt, gehört neben grippalen Infekten und Bronchitis zu den häufigsten Atemwegserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen.
«Die meisten Mandelentzündungen werden durch Viren verursacht», sagt Christa Relly, Oberärztin für Infektiologie am Kinderspital in Zürich. Zwar häufen sich vor allem in den Wintermonaten die Fälle, eine Angina hat jedoch ganzjährig Saison. Die Erreger werden, wie auch bei einer Grippe, mittels Tröpfchen, also durch Husten oder Niesen, übertragen.
Es ist nicht ungewöhnlich, wenn sich Kinder mehrmals im Jahr mit Angina anstecken.
Es gibt aber auch die bakterielle Infektion, ausgelöst durch Streptokokken der Gruppe A. Die Medizinerin erklärt den Unterschied so: «Bei der viralen Variante treten neben Halsschmerzen und geschwollenen, entzündeten Mandeln oft noch Schnupfen, Husten oder eine Bindehautentzündung auf. Bei der bakteriellen Angina bestehen hingegen ausschliesslich Hals- und Schluckschmerzen und Fieber.»
Eine Impfung gibt es nicht
Das Ansteckungsrisiko liesse sich reduzieren, wenn man den Kontakt zu erkrankten Personen vermeidet. «Doch das ist bei Kindern in Schule und Kindergarten natürlich nur bedingt umsetzbar», so Christa Relly. Eine Impfung gegen eine Mandelentzündung gibt es im Übrigen nicht, denn Angina kann von einer grossen Anzahl verschiedener Erreger ausgelöst werden. Darum sei es nicht ungewöhnlich, wenn sich Kinder gleich mehrmals im Jahr anstecken.
«Die höchste immunologische Aktivität erfolgt zwischen dem dritten und zehnten Lebensjahr», erklärt Nicolas Gürtler, Leiter der pädiatrischen Oto-Rhino-Laryngologie am Universitäts-Kinderspital beider Basel. In diesem Zeitraum sei ein Kind zwar bereits immunkompetent, sprich, es verfügt über ein funktionierendes Immunsystem, habe aber noch nicht die Immunerfahrung eines Erwachsenen. In dieser Zeit seien die Gaumenmandeln am grössten, würden sich aber im Laufe der Jahre zurückbilden.
«Die Gaumenmandeln sind ein Teil des Waldeyerschen Rachenrings. Dieser gehört zum Immunsystem der Schleimhaut des Rachens und stellt die Eintrittspforte für die durch Nase oder Mund eindringenden Erreger dar», sagt Gürtler. Gelangen die Erreger ins Gewebe der Mandeln, löst dies eine sogenannte Immunantwort aus. Sprich: Der Körper reagiert auf die Viren oder Bakterien, zum Beispiel mit Fieber.
Was die Schmerzen bei Angina lindert
«Es gibt Kinder, die fünf bis sechs Mal im Jahr an Angina erkranken und sie gut überstehen. Andere stecken sich seltener an, leiden aber stärker unter den Symptomen», weiss Jacqueline Schneiter, Kinderärztin aus Männedorf. Woran es liegt, dass einige Kinder und Jugendliche scheinbar anfälliger für Angina sind als andere, sei nicht geklärt.
«Gurgellösungen mit Salbeitee und Lutschtabletten reichen bei viralen Infektionen als erste Massnahmen oft schon aus», so Jacqueline Schneiter. Allerdings hätten viele selbst ältere Kinder so ihre Schwierigkeiten mit dem Gurgeln. Daher sollten nur jene Kinder gurgeln, die darin schon geübt sind und es bereits vom Zähneputzen kennen. Bei älteren Kindern könnten auch schmerzlindernde Halssprays verwendet werden. Klassische Medikamente wie Paracetamol und Ibuprofen, wenn nötig im Wechsel, helfen derweil, die Schmerzen zu lindern.
- Viel trinken, vor allem Tee. Auf Säfte sollte wegen der enthaltenen Fruchtsäure, die den Hals reizen kann, besser verzichtet werden.
- Honig wirkt antibakteriell. Auch medizinische Sprays helfen, den Rachen feucht zu halten und die Schmerzen zu lindern.
- Glace essen ist bei Halsschmerzen beliebt und wirkt schmerzlindernd, vermindert aber gleichzeitig die Durchblutung. Die schmerzlindernde Wirkung ist daher nur von kurzer Dauer. Daher sind warme Getränke besser geeignet.
- Kühlen Quarkwickeln wird eine entzündungshemmende Wirkung zugesprochen und sie lindern die Halsschmerzen.
- Mahlzeiten nur wenig würzen und möglichst weiche Kost anbieten, die beim Schlucken den gereizten Rachen schont.
Bewährte Hausmittel sind Teemischungen aus Salbei oder Lindenblüten, die es in der Apotheke oder im Supermarkt zu kaufen gibt. Ein Löffel Honig im warmen Getränk überdeckt den leicht bitteren Salbeigeschmack und wirkt zudem desinfizierend. Aber Achtung: Honig sollte nur Kindern über zwölf Monaten verabreicht werden, da er Keime enthalten kann, die das Verdauungssystem von Säuglingen noch nicht verträgt.
Antibiotika – ja oder nein?
Klingen die Symptome trotz aller Hausmittel nach ein paar Tagen nicht ab und es kommt noch Fieber hinzu, ist eine medizinische Abklärung ratsam.
«Wichtig ist es, auf den Allgemeinzustand der Kinder zu achten», sagt Jacqueline Schneiter. Trinkt mein Kind ausreichend? Lässt sich das Fieber senken? Sorgen die Medikamente für eine Besserung der Symptome? Das sind alles Fragen, die den Kinderärztinnen helfen, den Zustand der jungen Patienten richtig einzuordnen.
Sind die Mandeln sehr oft entzündet, kann es sinnvoll sein, sie operativ entfernen zu lassen.
«Ich inspiziere bei Verdacht auf Angina zunächst den Mund und taste, ob die Lymphknoten am Hals vergrössert sind oder gar Schmerzen bereiten», erklärt die Kinderärztin. Ob ein Antibiotikum eingenommen werden muss, wird von Fall zu Fall entschieden. Bei einer bakteriellen Infektion mit tagelang hohem Fieber und stark geschwollenen Mandeln kommt man manchmal nicht drum herum. Eine Besserung tritt oft schon zwei Tage nach der ersten Einnahme ein. Wie lange das Antibiotikum weiter eingenommen werden soll, muss mit dem behandelnden Arzt abgeklärt werden.
Entfernung der Mandeln
Bei viralen Entzündungen nützen Antibiotika hingegen nichts, da hilft nur auskurieren und (Salbei-)Tee trinken. Die gute Nachricht: Ganz gleich ob viral oder bakteriell – nach sieben bis zehn Tagen heilt die Krankheit gewöhnlich von allein aus.
Sind die Mandeln sehr oft entzündet und müssen immer wieder mit Antibiotika behandelt werden, kann es sinnvoll sein, sie operativ entfernen zu lassen. «Der Eingriff gehört noch immer zu den häufigsten Operationen im Kindesalter», sagt HNO-Spezialist Nicolas Gürtler. Neben wiederholten Entzündungen können auch stark vergrösserte Mandeln für eine Entfernung oder Korrektur sprechen. «Sind die Mandeln zu gross, kann es zu einer Verengung der oberen Atemwege kommen, was zu einem Sauerstoffabfall im Schlaf führen kann», erklärt Gürtler. Pauschal sagen, wann eine Operation notwendig ist, lässt sich nicht. Es müssten alle Faktoren berücksichtigt und die Entscheidung mit Eltern und Kind gemeinsam getroffen werden.
Die Operation an sich ist ein Routineeingriff und erfolgt unter Vollnarkose. Nach 30 Minuten ist es meist überstanden und bei komplikationsfreiem Verlauf geht es nach etwa zwei Tagen im Spital wieder nach Hause. Für die nächsten drei Wochen nach dem Eingriff sollte das Kind alles vermeiden, was zu einer Erhöhung des Blutdrucks führen könnte, um Nachblutungen zu vermeiden. Darunter fallen Sport, heisse Bäder oder zu langes Aufhalten in der Sonne.
Nach etwa zehn Tagen darf das Kind dann wieder Kindergarten oder Schule besuchen. Davor sollte man vor allem den Kontakt zu erkälteten Personen meiden, um eine Ansteckung zu verhindern.
Virale Angina weiterhin möglich
Und danach? Keine Mandeln, keine Sorgen? Ganz so einfach ist es nicht, aber: «Nach einer vollständigen Entfernung der Gaumenmandeln sollte man zumindest keine bakteriellen Mandelentzündungen mehr haben», sagt Nicolas Gürtler. Virale Rachenentzündungen könnten aber auch weiterhin auftreten. Auch Entzündungen anderer Mandeln, wie zum Beispiel der Zungengrundmandel, seien noch möglich, allerdings eher selten.
«Weitere später im Leben auftretende Nachteile sind bislang nicht bewiesen», so Gürtler. Zudem werden heutzutage auch Teilentfernungen der Gaumenmandeln, die sogenannte Tonsillotomie, vorgenommen, um die Funktion der Mandeln zu erhalten – gerade bei grossen Gaumenmandeln und Schlafstörung sei dies gängige Praxis.
Ein kleiner Trost für jene, die es betrifft: Die Kinder dürfen nach einer Mandeloperation viel Glace schlecken. Am besten jedoch nur Wasserglace mit Aroma und ohne Fruchtsäure, die die wunde Stelle nur unnötig reizen würde.