Vier Tipps gegen das Aufschieben - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Vier Tipps gegen das Aufschieben

Lesedauer: 3 Minuten

Schieben Sie wichtige Aufgaben vor sich her, weil Sie einen riesigen Berg vor sich sehen? Legen Sie sich alle möglichen Ausreden zurecht? Sie sind nicht allein. Und bereits ein paar einfache Kniffe können helfen, ins Tun zu kommen.  

Der Anfang ist immer am schwersten. Das weiss jeder, der vor einer schwierigen Aufgabe steht. Haben wir den Einstieg einmal gefunden, wird alles leichter. Und manchmal fragen wir uns hinterher, weshalb wir diese Kleinigkeit so lange vor uns hergeschoben haben.
Es gibt daher einen einfachen Trick, um unserem inneren Schweinehund ein Schnippchen zu schlagen: Machen Sie sich den Anfang so leicht wie möglich!

Starten Sie mit einer Mini-Teilaufgabe, um einen Fuss in die Tür zu bekommen. Nehmen Sie sich nicht vor, den Dachboden auszuräumen. Nehmen Sie sich lediglich vor, 15 Minuten die alten Bücher oder Zeitschriften zu sortieren und ein paar Sachen ins Altpapier zu werfen. Oder füllen Sie lediglich die erste Seite der Steuererklärung aus, indem Sie Ihre Personalien eintragen.
 
Sobald Sie den ersten Schritt gemacht haben, bekommen Sie einen kleinen Energieschub, der Ihnen hilft, mit der Aufgabe fortzufahren – noch am gleichen Tag oder am nächsten.

Tipp 1: Würdigen Sie die kleinen Schritte

Einen der häufigsten Sätze, die ich von Menschen höre, die oft aufschieben, lautet: Das lohnt sich doch gar nicht! Schülerinnen und Schüler meinen: «In einer Stunde kommt der Bus – da lohnt es sich nicht mehr, noch mit dem Lernen zu beginnen», und Studierende sind der Überzeugung: «Wenn ich nicht einen ganzen Nachmittag Zeit habe, um an der Bachelorarbeit zu schreiben, komme ich sowieso nicht mehr in den Schreibprozess rein.» 

Das stimmt nicht. Sich für kurze Zeiträume mit einer Arbeit auseinanderzusetzen, ist ausgesprochen effektiv. Eine Schülerin, die im Laufe einer Woche viermal für zehn Minuten Französischvokabeln ge­­lernt und wiederholt hat, hat sich besser auf die Vokabelprüfung vorbereitet als ihre Kollegin, die einmalig eine Stunde damit zugebracht hat. Und der Student, der sich im Vorfeld 20 Minuten Zeit genommen hat, um sich ein paar Gedanken über die nächsten Absätze seiner Seminar­arbeit zu machen und seine Überlegungen in Form einiger Notizen festgehalten hat, wird danach viel leichter den Einstieg ins Schreiben finden als sein Kollege, der auf ein leeres Blatt starrt. 

Tipp 2: Freuen Sie sich über Fortschritte

Je unangenehmer eine Arbeit ist, desto eher schieben wir sie auf. Oft sorgt aber nicht die Tätigkeit selbst für unsere negativen Gefühle, sondern unsere Gedanken darüber. Menschen, die häufig aufschieben, neigen dazu, sich für ihre Arbeit selbst abzuwerten. Sie beschimpfen sich, weil sie «wieder nicht das geschafft haben, was sie sich vor­genommen haben», weil «alles Mist ist», was sie schreiben, oder weil sie zu langsam und «alle anderen eh viel schneller» sind.
 
Je mehr wir lernen, uns über unsere Arbeit und auch kleine Fortschritte zu freuen, desto leichter fällt es uns, beim nächsten Mal den Einstieg zu finden. Eine Studentin, die eine halbe Seite für ihre Bachelorarbeit geschrieben hat, könnte sich dafür schelten, dass sie wieder nur eine halbe Seite geschafft hat. Sie könnte aber auch denken: «Super, eine halbe Seite weiter. Wenn ich in diesem Tempo weiterschreibe, schaffe ich die gesamte Arbeit in 80 Tagen!» Welcher Gedanke wird wohl eher dafür sorgen, dass sie am nächsten Tag weiterschreibt?

Wer das Aufschieben überwinden möchte, sollte sich schon alleine dafür, dass er sich für eine kurze Zeit seinem inneren Gegner gestellt hat, selbst auf die Schulter klopfen. Sie haben sich auf den Dachboden gewagt und ein paar Sachen aufgeräumt, anstatt gleich klein beizu­geben? Geniessen Sie es und seien Sie stolz darauf – und schon fühlen Sie sich beim nächsten Anlauf zuversichtlicher.

Tipp 3: Machen Sie es sich schön

Bei einer Aufgabe, die wir aufschieben, denken wir oft daran, wie mühsam und schlimm es sein wird, sich dieser zu stellen oder wie unsicher und dumm wir uns dabei vorkommen werden. Wir können uns stattdessen fragen: Wie kann ich es mir so leicht und so schön wie möglich machen?

Für Physik konnte ich mich als Schüler nicht erwärmen, aber an die Lernsessions, die ich und mein bester Freund jeweils am freien Nachmittag vor der Prüfung einlegten, denke ich gerne zurück. Es hat Spass gemacht, wenn man etwas verstanden hat und es dem anderen erklären konnte oder Hilfe bekam, wenn man eine Denkblockade hatte. Kneifen war nicht möglich, weil man den anderen nicht im Stich lassen wollte.
 
Wenn ich bei einem Artikel nicht weiterkomme, nehme ich ein Notizbuch und mache einen Spaziergang im Wald, anstatt auf den Laptop zu starren. Beim Aufräumen hilft eine Playlist mit motivierenden Songs. Wie könnten Sie sich eine schwie­rige Aufgabe erleichtern?

Tipp 4: Fragen Sie nach dem Warum

Schliesslich schieben wir oft Aufgaben auf, weil wir an deren Sinn zweifeln. Um ein uns wichtiges Ziel zu erreichen, müssen wir aber oft Aufgaben lösen, die wir unnütz oder unnötig finden: Der Lehrling möchte die Abschlussprüfung bestehen, sieht aber nicht ein, warum er Französisch lernen soll. Für die beruflich wichtige Weiterbildung muss eine Abschlussarbeit geschrieben werden, die viel Energie kostet, die dann aber «sowieso von niemandem gelesen wird».

Wenn wir nicht um die Aufgabe herumkommen, sollten wir uns die Warum-Frage ernsthaft stellen und uns Zeit dafür nehmen. Vielleicht nehmen wir dazu ein Blatt Papier und schreiben so viele Gründe wie möglich auf, weshalb wir diese Aufgabe angehen möchten. Jeder Grund macht es uns ein wenig leichter, uns darauf einzulassen. Wie diese Übung konkret aussehen kann, zeigt das neue Video unserer Lernserie «Adi & Jess».

Bild: Pexels.com


Zum Autor und zum Weiterlesen:

Fabian Grolimund ist Psychologe, Autor, Lerncoach und Leiter der Lernakademie Zürich.
Fabian Grolimund ist Psychologe, Autor, Lerncoach und Leiter der Lernakademie Zürich.
Vom Aufschieber zum Lernprofi: Möchten Sie mehr darüber erfahren, weshalb Menschen aufschieben und was man konkret tun kann, um sich den Einstieg zu erleichtern, um dranzubleiben, wenn es schwierig wird, und auch anspruchsvolle Aufgaben mit mehr Leichtigkeit anzugehen? Das Buch «Vom Aufschieber zum Lernprofi» richtet sich an Studierende, hält aber auch Tipps für Schülerinnen und Schüler oder Erwachsene bereit, die sich auf ihre Abschlussprüfungen vorbereiten oder eine längere Arbeit schreiben möchten. Herder Verlag, 192 Seiten, Fr. 28.90
Vom Aufschieber zum Lernprofi: Möchten Sie mehr darüber erfahren, weshalb Menschen aufschieben und was man konkret tun kann, um sich den Einstieg zu erleichtern, um dranzubleiben, wenn es schwierig wird, und auch anspruchsvolle Aufgaben mit mehr Leichtigkeit anzugehen? Das Buch «Vom Aufschieber zum Lernprofi» richtet sich an Studierende, hält aber auch Tipps für Schülerinnen und Schüler oder Erwachsene bereit, die sich auf ihre Abschlussprüfungen vorbereiten oder eine längere Arbeit schreiben möchten.
Herder Verlag, 192 Seiten, Fr. 28.90