Zusammenarbeit von Schule und Eltern fördern, aber wie? - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Merken
Drucken

Zusammenarbeit von Schule und Eltern fördern, aber wie?

Lesedauer: 3 Minuten

Eine Bildungspartnerschaft zwischen Eltern und Lehrpersonen fördert den Schulerfolg eines Kindes nachhaltig. Doch längst nicht alle Eltern bringen sich gleich ein. Auch fehlt es bei den Lehrpersonen an der notwendigen Kommunikationskompetenz. Doch es gibt Lösungen.

Internationale Studien zeigen, dass der Einbezug der Eltern eine positive Wirkung auf den Schulerfolg der Kinder haben kann. Familien unterstützen die schulische Entwicklung ihres Kindes, indem sie ihrem Kind helfen, die Zeit für die Hausaufgaben einzuteilen, sie zum Lernen motivieren oder zuhause die Themen diskutieren, die in der Schule bearbeitet werden. Aus diesem Grund wird seit langem empfohlen, Bildungspartnerschaften mit den Eltern der Schülerinnen und Schüler in Schulen und auch vorschulischen Betreuungseinrichtungen zu fördern. Im Sinne der gemeinsamen Bildungsverantwortung gilt es, auf wechselseitigen Informationsaustausch, transparente Abläufe und den regelmässigen Dialog über die Lernentwicklung der Kinder zu achten. Idealerweise bringen Eltern sich dann nicht nur in der familiären Lernumwelt, sondern auch in der schulischen Umgebung ein. Das kann beispielsweise im Elternrat der Schule sein oder als Begleitung von schulischen Aktivitäten.

«Damit eine ‘Bildungspartnerschaft’ erfolgreich sein kann, ist es entscheidend, dass Eltern ihre Kompetenzen einbringen.»

Bevor solche Partnerschaften jedoch gedeihen können, sind oftmals Hürden zu überwinden. Denn es zeigt sich in der Praxis, dass sich nicht alle Eltern im gleichen Masse einbringen (können). Der Grad ihrer Partizipation kann von vielen Faktoren abhängen, wie zum Beispiel dem eigenen Bildungshintergrund oder fehlenden Sprachkenntnissen. Diese Faktoren werden aktuell auch in der Bildungsforschung diskutiert. Denn damit eine „Bildungspartnerschaft“ erfolgreich sein kann, ist es entscheidend, dass Eltern unabhängig vom sozialen Hintergrund ihre Kompetenzen einbringen und mit den Lehrpersonen die gemeinsame Verantwortung für die Kinder übernehmen. Um dies zu gewährleisten, sind zirkuläre Kooperationsprozesse nützlich, sodass auf der Grundlage gemeinsamer Gespräche individuelle Herausforderungen, persönliche Erwartungen und gemeinsame Ziele reflektiert und angepasst werden. Zudem sollte die Kommunikation und Erreichbarkeit über geeignete Medien (z.B. E-Mail, Telefon, Elternbriefe in unterschiedlichen Herkunftssprachen) und niedrigschwellige Unterstützungsangebote (z. B. klassenübergreifende Elternnetzwerke), die den individuellen Bedürfnissen der Eltern entsprechen, sichergestellt werden.

Wie hat sich die COVID-19-Pandemie auf die «Bildungspartnerschaften» ausgewirkt? 

Durch die COVID-19-Pandemie und den Fernunterricht im Lockdown fanden sich viele Mütter und Väter noch stärker in der Rolle als Lernunterstützung für ihre Kinder wieder. Ausserdem wurde durch die Pandemie offensichtlich, wie nötig effiziente Kommunikationskanäle und vertrauensbasierte Beziehungen zwischen Schulen und Familien sind, um den Schulerfolg der Kinder sicherzustellen.
 
Unabhängig von den Schulschliessungen werden Bildungspartnerschaften zwischen Lehrpersonen und Eltern regelmässig auf die Probe gestellt. Bereits vor der COVID-19-Pandemie wurden die Ausbildung und berufliche Weiterbildung von Lehrpersonen diesbezüglich als unzureichend kritisiert. Auch angehende Lehrpersonen fühlen sich nicht gut auf die Aufgabe der Elternberatung vorbereitet. 
 
Empirische Untersuchungen deuten darauf hin, dass Eltern oft unsicher sind, wie sie ihre Kinder unterstützen können und zum Teil den direkten Kontakt mit den Lehrpersonen meiden. Eine deutsche Studie mit 1’126 Eltern an allgemeinbildenden Schulen zeigte, dass sich über die Hälfte der sozial benachteiligten Eltern unsicher fühlt, wie sie ihre Kinder am besten in der Schule unterstützen können. Das sind mit 54 % mehr als doppelt so viele wie bei den sozial besser gestellten Familien (24 %).

«Aus bildungspolitischer Sicht tragen Schulen eine besondere Verantwortung dafür, alle Familien einzubeziehen und mit ihnen eine erfolgreiche ‘Bildungspartnerschaft’ anzustreben.»

Für fehlende Elternbeteiligung  kann es verschiedene Gründe geben. Es gibt diejenige Gruppe, die ihren eigenen Kompetenzen und ihrem eigenen Wissen ausreichend vertrauen oder sogar mehr vertrauen als der Schule. Andere zögern aufgrund von Sprachbarrieren und wiederum andere fühlen sich nicht willlkommen, wenn sie eine Art «Experten-Laien»-Hierarchie wahrnehmen. 

Unsere Arbeitsgruppe hat Eltern zu ihren Erfahrungen und Wahrnehmungen als schulische Lernunterstützung während der Schulschliessungen befragt. Die Umfrage hat ergeben, dass die Häufigkeit der Kommunikation zwischen Eltern und Lehrpersonen insgesamt gering war, jedoch die Qualität der Kommunikation von den Eltern eher positiv wahrgenommen wurde. 

 
Die aktuelle Situation unterstreicht die Wichtigkeit, dass Lehrpersonen in ihrer Ausbildung und beruflichen Weiterbildung für die Bedürfnisse ihrer Schülerinnen und Schüler und deren Eltern sensibilisiert werden müssen. Hierfür gilt es neben strukturellen Veränderungen auch mehr forschungsgestützte Reformansätze zu etablieren, um die Kommunikations- und Beratungskompetenzen angehender Lehrpersonen nachhaltig zu stärken. Denn aus bildungspolitischer Sicht tragen Schulen eine besondere Verantwortung dafür, alle Familien einzubeziehen und mit ihnen eine erfolgreiche «Bildungspartnerschaft» anzustreben.


BOLD Blog

Der Blog, eine Initiative der Jacobs ­Foundation, hat sich zum Ziel gesetzt, einer weltweiten und breiten Leserschaft näherzubringen, wie Kinder und Jugendliche lernen. ­Spitzenforscherinnen wie auch Nachwuchswissenschaftler teilen ihr Expertenwissen und diskutieren mit einer wissbegierigen Leserschaft, wie sich Kinder und Jugendliche im 21. Jahrhundert entwickeln und ­entfalten, womit sie zu kämpfen haben, wie sie spielen und wie sie Technologien nutzen.

Mehr lesen: www.boldblog.org


Manuela Ulrich ist akademische Mitarbeiterin und Doktorandin in der Arbeitsgruppe Erziehungswissenschaften an der Universität Konstanz. Sie ist ausserdem Mitglied bei der Binational School of Education. Ihre Forschung fokussiert auf inklusive Bildungssettings und „Bildungspartnerschaften“. Manuela Ulrich interessiert sich auch für Elternrollen, die Einstellung von Eltern hinsichtlich der Bildungsverantwortung und Probleme der Bildungsungerechtigkeit.


Lesen Sie mehr zum BOLD-Texte:

  • Lernen in aussergewöhnlichen Zeiten
    Wie können Betreuungspersonen Kinder unterstützen, wenn Distanzunterricht notwendig wird? Die besten Tipps von einer Entwicklungspsychologin und eines Elternteils.
  • Mit dir wollen wir nicht spielen!
    Was Lehrpersonen dafür tun können, dass Kinder Mitschülerinnen und Mitschüler akzeptieren, die Verhaltensauffälligkeiten zeigen, und ihnen mitfühlend begegnen.
  • Ist guter Schlaf lehrbar?
    Viele Jugendliche schlafen nicht genug. Es könnte helfen, wenn wir ihnen erklären, wie wichtig ein gesunder Schlaf fürs Lernen ist. Allerdings müssen wir aufpassen, dass das Schlafverhalten nicht zum Angstfaktor wird.