SHP, ISS oder RLP – was hat das mit Schule zu tun? - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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SHP, ISS oder RLP – was hat das mit Schule zu tun?

Lesedauer: 4 Minuten

Gerade hat das neue Schuljahr begonnen. Vielleicht gehören Sie zu den Müttern und Vätern, die Ihr Kind nach der Schule fragen, was es in der Schule erlebt hat. Vielleicht gehören Sie zu den Müttern und Vätern, die schon vertraut sind mit Erzählungen aus dem Schulalltag. Egal, welcher Gruppe Sie sich zugehörig fühlen – eine Herausforderung ist Ihnen gemeinsam: Sie sind damit konfrontiert, dass Sie sich – wie Ihr Kind auch – mit Namen und Funktionen von ganz vielen Fachpersonen in der Schule vertraut machen müssen. Gab es in Ihrer eigenen Schulzeit vielleicht noch den Unterstufenlehrer, die Oberstufenlehrerin, so sind heute Funktionsbezeichnungen wie SHP, KLP und RLP und Begriffe wie Heterogenität und Integration an der Tagesordnung. Nur: Weshalb gehören diese Bezeichnungen heute zur Schule und wofür stehen sie?

Die Lernenden 

Seit den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts wurden auf internationaler und nationaler Ebene gesetzliche Grundlagen geschaffen, die gewährleisten sollen, dass kein Kind aufgrund von körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderungen diskriminiert wird. Ebenso wird die Schule verpflichtet, allen Kindern, also auch Kindern mit besonderen Bedürfnissen, eine angepasste Grundschulung zu bieten. Soweit dies möglich ist und dem Wohl des Kindes dient, soll das in integrativer Form geschehen. Damit ist gemeint, dass möglichst alle Lernenden entsprechend ihren Voraussetzungen am gemeinsamen Unterricht in einer Regelschulklasse teilnehmen können.

Eine Schule für alle Kinder: Die Klassenlehrerin wird von einem Heilpädagogen unterstützt.

Mit dieser Entwicklung wurde der Blick für die unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinder, für die es eine «angepasste Grundschulung» zu schaffen gibt, geschärft: Unterschiede zeigen sich im Verhalten, in der Entwicklung, im Lernen, im Charakter, in Bezug auf Begabungen, aber auch darin, welche Sprachen und kulturellen Hintergründe Kinder haben. So entsteht in den meisten Klassen eine lebendige Zusammensetzung, für die in der Fachsprache der Begriff Heterogenität verwendet wird. Für all diese Kinder in einer heterogenen Klasse soll es möglich sein, entsprechend ihren Voraussetzungen zusammen zu lernen. Wie sieht dies in der Klasse Ihres Kindes aus? Und vor allem: Was trägt Ihr Kind zur Heterogenität in seiner Klasse bei?

Die Fachpersonen 

Vielen Eltern gefällt die Idee EINER Schule für ALLE Kinder. Forschungen zeigen, dass dies auch Lehrpersonen so geht. Je konkreter es allerdings in der Umsetzung wird, desto skeptischer werden die Lehrpersonen – Sie auch? Aus diesem Grund wurde in den letzten Jahren vieles in den Schulen neu organisiert, vor allem aber wurde von allen Beteiligten sehr viel geleistet. Im Kanton Zürich beispielsweise wurden im Jahr 2015 von den knapp 140 000 Schülerinnen und Schülern rund 2000 Lernende, die früher eine Sonderklasse oder -schule besucht hatten, in Regelklassen unterrichtet (IS = Integrierte Sonderschulung). Daneben erhielten gut zehn Prozent der Lernenden im Rahmen der Regelklasse in spezifischen Bereichen vorübergehend Unterstützung (IF = Integrierte Förderung). Und nochmals gut zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler besuchten eine Therapie. 2800 Kinder konnten im Rahmen der Begabtenförderung besonders ausgeprägte Begabungen weiterentwickeln. Dies alles mit dem Ziel, allen Lernenden eine angepasste Grundschulung möglichst gemeinsam mit anderen Kindern zu gewähren. Wenn Sie also einen längeren Blick in das Klassenzimmer Ihres Kindes werfen, könnte dies so aussehen, wie es in einem Bericht über einen Unterrichtsbesuch einer Studentin festgehalten ist:

«Während die Klassenlehrperson (KLP) oder die Regellehrperson (RLP) an ihrem Pult Kinder berät und Arbeiten korrigiert, ist die schulische Heilpädagogin (SHP) unterwegs im Zimmer. Sie hilft einzelnen Kindern, die Unterstützung brauchen, erklärt und ermuntert.» Oder: «Für Anweisungen stehen der Lehrer und die SHP gemeinsam vor der Klasse und ergänzen sich gegenseitig. Die SHP übernimmt einzelne Sequenzen wie z. B. die Bewegungspause oder die Repetition der Regeln von Dreisatzgeschichten.»

Hier unterrichten also eine KLP und eine SHP zusammen in derselben Klasse und ergänzen sich gut. Die SHP ist vor allem zuständig für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten. Sie ist dafür speziell ausgebildet. Wie viel sie in der Klasse mitunterrichtet und fördert, ist abhängig davon, welche und wie viele Kinder sie begleitet. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Förderplanung einzelner Kinder. Manchmal ist zusätzlich eine Schulassistenz (SA) im Klassenzimmer. Diese unterstützt in verschiedenen Bereichen das Gelingen des Klassenalltags, ohne dass sie dabei Unterrichtsverantwortung trägt. So kann es also durchaus vorkommen, dass in einer Klasse drei Personen mitarbeiten, die sich aber zusätzlich noch mit weiteren Lehrpersonen oder Therapeuten in Bezug auf ein Kind absprechen, wie zum Beispiel Logopäden oder Lehrpersonen für Deutsch als Zweitsprache (DaZ).

Schulsozialarbeitende führen auch mit Klassen oder Schulhausteams Projekte zu Themen wie Mobbing und Konflikte durch.

Praxis und Forschung zeigen, dass diese Zusammenarbeit wichtig ist, aber auch, dass sie nicht «einfach so» gelingt. Sie erfordert Zeit, Engagement und klare Absprachen bei Fragen wie etwa: Wer ist für welche Kinder zuständig? Wie wird die Förderplanung dokumentiert? Wie findet eine Lernstanderfassung statt? Wie kann ein Schulzimmer eingerichtet werden, damit gemeinsamer Unterricht möglich ist? Welche Lernformen eignen sich für den gemeinsamen Unterricht, welche für ein spezifisches Kind? Fragen, die nur zusammen gelöst werden können! Zusätzlich spielen gerade bei älteren Kindern Fachpersonen in Schulischer Sozialarbeit (SSA) oft eine grosse Rolle. Sie werden von Lernenden meist freiwillig bei schulischen oder persönlichen Problemen aufgesucht. Schulsozialarbeitende führen auch mit Klassen oder Schulhausteams Projekte zu Themen wie Mobbing und Konflikte durch. Gut nachvollziehbar ist also, dass Zusammenarbeit zwischen allen involvierten Fachleuten im ersten Moment Mehraufwand bedeutet. Doch gelungene Zusammenarbeit bietet den Fachpersonen auch viele Vorteile. Sie können die Verantwortung teilen, vom Wissen anderer Fachpersonen profitieren, neue Zugänge zu Schülerinnen und Schülern erkennen und ausserdem auch kollegiales Feedback zu ihrer eigenen Arbeit bekommen. Für die Kinder bedeutet dies im besten Fall, dass auch sie bessere Möglichkeiten haben, ihr Lernen zu entwickeln, und ihre Stärken im heterogenen Umfeld früher erkennen können.

Die Eltern

Abkürzungen und ihre Bedeutung

Zusammenarbeit macht nicht Halt vor der Schulhaustüre – Kinder bringen Informationen von zu Hause in die Schule, aber auch von der Schule nach Hause zu einer dritten Personengruppe: zu Ihnen als Eltern! Indem Sie nachfragen und zuhören, helfen Sie Ihrem Kind, Erlebtes und Gelerntes zu verarbeiten und in seinen gesamten Alltag zu integrieren. Vielleicht nehmen Sie auch ganz konkret an schulischen Belangen teil, indem Sie Ihr Kind bei Hausaufgaben unterstützen, an schulischen Standortgesprächen und Anlässen teilnehmen. Somit gehören auch Sie zu den wichtigsten Personengruppen im schulischen Alltag. Konnte unser Bericht Ihnen eine erweiterte Perspektive auf den Schulalltag Ihres Kindes bieten? Oder sind Sie neugierig darauf geworden, welche Fachpersonen in der Schule Ihres Kindes zusammenarbeiten und wie sie dies machen? Fragen Sie dort nach!

  • IS Integrierte Sonderschulung in der Verantwortung der Sonderschule 
  • ISR Integrierte Sonderschulung in der Verantwortung der Regelschule 
  • IF Integrierte Förderung 
  • KLP Klassenlehrperson 
  • RLP Regelklassenlehrperson 
  • SHP Schulische Heilpädagogin 
  • SA Schulassistenz 
  • DaZ Deutsch als Zweitsprache SSA Schulische Sozialarbeit

Nützliches zum Thema

Das «Rezeptbuch schulische Integration» bietet vor allem Lehrpersonen praxisnah und informativ Einblick, wie integrative Schule umgesetzt werden kann. Von Peter Lienhard-Tuggener, Klaus Joller-Graf und Belinda Mettauer Szaday. 

Das Bilderbuch «Wenn die Ziege schwimmen lernt» eignet sich für zu Hause und Schule – eindrücklich zeigt es, was geschieht, wenn alle dasselbe können sollten. Von Nele Moost und Pieter Kunstreich. 

Die Kooperationskarten KoKa unterstützen Lehrpersonen und Heilpädagogen in der ganz konkreten Umsetzung des integrativen Unterrichts. Von Esther Brenzikofer, Michaela Studer und Meike Wolters. 

In der Mediathek von 3sat (www.3sat.de) finden Sie den Film «Suche nach einem Weg, zusammen zu lernen». Er erklärt kurz und anschaulich die verschiedenen Schulmodelle rund um das Thema «Schule für alle».