«Jeder kann Bestnoten schreiben!» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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«Jeder kann Bestnoten schreiben!»

Lesedauer: 5 Minuten

Raman Mehrzad hat als Kind von Flüchtlingen in Schweden einen Schulnotenrekord aufgestellt. Heute ist er Arzt und Genforscher in den USA. Und er hat ein Buch geschrieben, in dem er seine Lerntipps an heutige Schüler weitergibt. Er behauptet, dass jeder Sechser schreiben kann. In jedem Fach. Eine gewagte These, finden wir und fragen nach.

Herr Mehrzad, beim Lesen Ihres Buches habe ich mich ein bisschen gefragt, für wen sie es geschrieben haben. Vermutlich für Schülerinnen oder Schüler, die ohnehin schon strebsam unterwegs sind…

Ich habe während meiner Schulzeit festgestellt, dass Schulnoten erstaunlich wenig mit Intelligenz zu tun haben. Da gab es sehr intelligente Klassenkameraden mit schlechten Noten und solche, die mir eher normal oder sogar weniger intelligent erschienen, aber trotzdem sehr gute Noten schrieben. Mich hat das beschäftigt. Also habe ich zunächst mein Umfeld und dann immer mehr Menschen gefragt: Wie lernst du? Dabei habe ich festgestellt: Die mit den guten Noten lernten mit System. Was hinterher im Zeugnis steht, ist also weniger eine Frage der Intelligenz. Viel entscheidender ist, wie man lernt. Mein Buch richtet sich an alle Schülerinnen und Schüler, die ihre Leistung verbessern möchten, um in der Schule und im Leben mehr Erfolg zu haben. Die Ausgangsnote ist da eigentlich egal.

Raman Mehrzad weiss, wie man gute Noten schreibt. Bild: zVg
Raman Mehrzad weiss, wie man gute Noten schreibt. Bild: zVg

Nicht jedem ist es wichtig, Sechser zu schreiben. Was hat Sie als Schüler motiviert, nicht nur gut zu sein, sondern der Beste?

Ich bin in sehr armen Verhältnissen aufgewachsen. Meine Eltern kamen als Flüchtlinge aus dem Iran nach Schweden. Sehr lange hatten wir nicht einmal eine eigene Wohnung. Am Anfang wusste ich vor allem, dass ich es einmal besser haben will als sie. Dann wurde mir klar, dass gute Noten bedeuten, dass ich nach der Schulzeit frei wählen kann – und das war mir sehr wichtig. Ausserdem hatte ich schon in den letzten Jahren vor der Matur eine bestimmte Universität im Auge. Für diese brauchte ich Bestnoten.

Hatten Sie Freunde?

Ich weiss schon, worauf Sie hinaus wollen: Wenn man mein Lernprogramm liest, klingt das nach unheimlich viel Arbeit. So als hätte man gar keine Freizeit mehr. Aber ich versichere Ihnen: Wer sich einen strukturierten Lernplan macht und sich daran hält, hat sogar mehr Freizeit und weniger Stress. Ich hatte in der Schulzeit noch ein altes Nokia-Handy, in dem man nur 100 Nummern speichern konnte. Das reichte mir nie aus. Ich hatte also genug Freunde.

Sie schreiben, dass man mit Mitschülerinnen und Mitschülern in den Wettstreit treten und dabei freundlich zur Lehrperson sein soll. So macht man sich im Normalfall wenig Freunde…

Freundlich zur Lehrerin zu sein heisst nicht, ihr Komplimente zu machen und ihre Tasche zu tragen. Ich bin freundlich zu den Menschen, die mich umgeben. Da zählen die Lehrpersonen mit dazu. Sie sind zudem älter und bringen einem Wichtiges bei. Also sollte man sie respektvoll und höflich behandeln. Dazu gehört zum Beispiel, dass man sie grüsst und lächelt. Und was den Wettstreit angeht: Ja, man sollte links und rechts schauen und sich an anderen orientieren. Der Vergleich hilft dabei, seine eigene Leistung einzuschätzen.

«Die Schule ist keine Doktorarbeit und keine Raketenforschung. Wer fleissig und mit System lernt, wird auch gute Noten schreiben – so einfach ist das.»

Raman Mehrzad

Kann man seinen Mitschülerinnen und Mitschülern denn noch helfen, wenn man der Beste sein möchte?

Ich habe in meiner Schulzeit schon besonders auf mich und meine Noten geschaut. Aber wenn mich jemand gebeten hat, ihm etwas zu erklären, habe ich das immer getan. Und siehe da: Meistens habe ich dabei selbst noch etwas gelernt. Oder ich konnte eine Wiederholung streichen aus meinem Lernplan.

Es kann doch nicht sein, dass wirklich JEDER in jedem Fach die Bestnote schreiben kann, wie Sie das behaupten.

Doch! Da stehe ich voll und ganz dahinter. Die Intelligenz spielt nur eine Rolle bei der Frage, wie oft man etwas wiederholen muss oder wie lange man zum Lesen und Begreifen braucht. Die Schule erfordert ja von uns keine ganz besonderen Leistungen. Das ist keine Doktorarbeit und keine Raketenforschung. Wer fleissig und mit System lernt, wird auch gute Noten schreiben – so einfach ist das. Das Problem ist lediglich, dass wir in der Schule nicht zu lernen lernen. Welche Lehrperson bricht die Lernziele mit den Schülern schon so weit und so individuell herunter, dass sie am Schluss wissen, wie viele Seiten sie pro Tag lesen müssen und wie oft sie eine Übung wiederholen müssen?

Und was sagen Sie Eltern, bei deren Kindern das nicht funktioniert?

Wenn die Schüler in einem meiner Lernprogramme sind, suche ich mit Ihnen den Fehler. Es gibt eigentlich nur drei Fehlerquellen. Erstens: die Motivation, die auf ein Lernziel gerichtet sein muss, das eben in weiterer Ferne liegt. Auch wenn das heisst, auf kurzfristige Vergnügungen zu verzichten. Zweitens:  die Einstellung. Ja, lernen ist hart. Ja, man muss die Zeit einplanen und wirklich dranbleiben. Man muss der Schule ein paar Jahre seines Lebens schenken, damit man nachher frei ist, das zu tun, was man möchte. Und drittens: das Lernsystem. Es muss verinnerlicht und richtig ausgeführt werden.

Ich zweifle immer noch. Sie sagen sogar, dass jedes Kind eine Sechs im Fach Sport bekommen kann.

Dieses Kapitel habe ich später hinzu genommen, ja. Weil Sport so wichtig ist, auch für das Gehirn. Und weil jeder durch Training gut wird. Gerade die Kinder, die gute Noten haben, lassen sich häufig im Sport hängen.

Wie sieht es mit Kindern aus, die eine Behinderung oder eine Lernstörung mitbringen?

Meine Aussagen beziehen sich tatsächlich hauptsächlich auf Kinder ohne eine Behinderung. Ich möchte aber betonen, dass auch Kinder mit einer Behinderung sehr gute Leistungen erbringen können – wenn sie die richtige Unterstützung bekommen. In meinem Lernprogramm sind auch Schüler mit ADHS und Autismus-Störungen, und sie haben sich enorm verbessert. Indem sie fortwährend an sich gearbeitet haben.

Ist es denn erstrebenswert für eine Gesellschaft, dass alle die Schule mit Bestnoten abschliessen?

Stellen Sie sich doch einmal eine Welt vor, in der alle wissen, wie man sich besser und schneller Wissen aneignen kann. Stellen Sie sich vor, wie gut sich die Welt entwickeln könnte, wenn die Menschen mehr Bildung und ein breiteres Wissen hätten als heute. Die Gesellschaft, die Wissenschaft und jeder andere Aspekt unseres Lebens würde sich immer schneller verbessern, und davon würden wir doch alle profitieren.

So manche neue Errungenschaft erschwert aber auch den neuen Wissensgewinn. Sie erwähnen, wie wichtig es ist, das Handy beim Lernen wegzulegen. Viele Kinder unterhalten sich allerdings via WhatsApp über die Hausaufgaben und beantworten sich im Klassenchat gegenseitig Fragen. Was schlagen Sie vor?

Ich empfehle trotzdem diese Phasen ganz klar zu trennen: Einmal die, in der man etwas durchliest oder lernt, und später die, in der man den Stoff via Handy diskutiert. Man kann nicht alles gleichzeitig machen und sich weiterhin gut konzentrieren. Wenn eine Unklarheit auftaucht, sollte man diese notieren und kann sich dann nachher darüber austauschen. Einzige Ausnahme: Wenn man etwas verstehen muss, um überhaupt weiterarbeiten zu können.

Bild: Pexels.com


TIPPS FÜR DEN SCHRIFTLICHEN TEST:

Gut gelernt ist halb gewonnen. Aber wie setzt man das Gelernte dann in der Prüfung um?

Raman Mehrzads Tipps fürs Vorgehen während einer schriftlichen Prüfung aus dem Buch Eins plus. Der ultimative Guide für den Lernerfolg (edition a, 2016. 176 Seiten, ca. 25 Franken):

  • Schliesse zunächst kurz die Augen und atme tief durch.
  • Beginne am Anfang und beantworte eine Frage nach der anderen – wenn du zuerst alle Fragen durchliest, kann dich das verunsichern.
  • Lies jede Fragen zweimal durch, bevor du sie beantwortest. 
  • Wenn etwas unverständlich formuliert ist: frag nach!
  • Wenn du eine Antwort nicht weisst, lies dir die Frage noch einige Male durch und vergleiche sie im Kopf mit dem, was du gelernt hast. 
  • Immer noch keine Antwort? Noch einmal durchatmen und dann schreib hin, was auch immer zum Thema passen könnte. Eine Zusammenfassung deines Wissens. Meistens gibt das noch ein paar Punkte.
  • Lies nach deiner Antwort die Frage noch einmal durch und ergänze evtl. Punkte, die auch noch passen könnten.
  • Verlasse den Raum nie vor Ende der Zeit, lies lieber alles wieder und wieder durch, bessere Fehler aus und achte auf Lesbarkeit. Diese letzten Minuten lohnen sich immer, egal, wie müde du schon bist.