«Cybermobbing tut in der Seele weh» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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«Cybermobbing tut in der Seele weh»

Lesedauer: 4 Minuten
Wie fühlt sich Cybermobbing an? Die Sensibilisierungs-Aktion der Stiftung Elternsein, Herausgeberin des Schweizer Elternmagazins Fritz+Fränzi ist auf Tour durch die Deutschschweiz und klärt Kinder und Jugendliche über die Folgen von Cybermobbing auf. Zu Besuch bei einer 6. Klasse in Rümlang.
Mittwochmorgen im Dezember: In Rümlang liegt noch Schnee und es ist eisig kalt, als wir uns dem Worbiger Primarschulhaus nähern. Bald läuten die Glocken für die grosse 10-Uhr-Pause. Die ersten Schülerinnen und Schüler kommen aus den Klassenzimmern. Im Nu füllt sich der Gang mit Kindern und Jugendlichen, die singen, rennen, tanzen und juchzen. Es ist Pause.
Heute sind wir sind anlässlich der Sensibilisierungskampagne «Wenn Worte weh tun» zusammen mit Thomas Schlickenrieder, Geschäftsführer der Stiftung Elternsein, bei einer 6. Primarklasse im Zürcher Unterland. Die von der Stiftung Elternsein beauftragten Fachpersonen vom Verein für Sicherheit und Medienkompetenz zischtig.ch werden den Schülerinnen und Schülern in verschiedenen Modulen den verantwortungsbewussten Umgang mit digitalen Medien vermitteln und die teilweise dramatischen Folgen von Cybermobbing aufzeigen. Kaum ertönt die Glocke, sitzen die Kinder wieder an ihren Pulten. «Die Jungs schnappen sich einen Stift und gehen mit Herrn Schnegg mit», sagt Fachmitarbeiterin Kim Gray. Die Mädchen bleiben im Klassenzimmer und dann wird gewechselt.

So fühlen sich verletzende Nachrichten an

Im Musikzimmer steht eine Säule, darauf liegt ein Handy. Fachmitarbeiter Andrin Schnegg von zischtig.ch instruiert die Buben: «Nehmt mal das Handy in die Hand und scrollt durch die Chats». Anhand der eigens angefertigten Handy-Installation können die Schülerinnen und Schüler den Schmerz von Mobbing-Nachrichten nachempfinden. Während man das Smartphone in der Hand hält, treffen nachgestellte Chatverläufe ein. Das Telefon sendet dann leichte bis stärkere Strom-Impulse an das «Opfer».
«Autsch! Was ist das?» ruft ein Bub. Andrin Schnegg erklärt, warum gewisse Strom-Impuls stärker sind als andere. Einer nach dem anderen traut sich das Handy in die Hand zu nehmen und kneift die Augen zu, während er auf den «Stoss» wartet. Wart ihr schon mal selber Opfer oder Täter? «Mich haben früher die älteren Jungs geplagt. Sie haben ein Foto von mir präpariert und auf Instagram gestellt», erzählt ein Schüler.  «Aber ich habe es selber geschafft, sie davon zu überzeugen, das Foto zu löschen.» Ein anderer Schüler aus der Klasse brauchte mehr Unterstützung und wandte sich an die Lehrerin: «Ich wurde in einem Chat gemobbt. Dank der Unterstützung meiner Lehrerin wurde der Chat gelöscht.»

Schulsozialarbeiterin Olga Lionello sagt: «Es kommt regelmässig vor, dass Schülerinnen und Schüler zu mir kommen wegen Mobbing oder Cybermobbing.» Ihr ist wichtig, dass es im Schulhaus keine Ausgrenzung gibt. Darum war sie auch die Initiantin, die die Stiftung Elternsein einlud, die Sensibilisierungskampagne hier vorzustellen.

Arbeitsblätter werden ausgefüllt.

Arbeitsblätter werden ausgefüllt.
Wichtig sei zu wissen, dass im Primarschulalter Cybermobbing praktisch ausschliesslich in der Freizeit der Kinder und Jugendlichen stattfinde. Das Erziehungsverhalten der Eltern habe einen massgeblichen Einfluss darauf, ob ein Fall von Cybermobbing bemerkt wird und wie gelingend er bearbeitet werden kann.

Mädchen und Cybermobbing

Nachdem die Mädchen den Theorieteil bei Kim Gray absolviert haben, sind sie nun an der Reihe mit dem «geladenen Handy». Mutig wagt die erste Schülerin, das Mobile in die Hand zu nehmen. «Wow, das zwickt!» ruft sie und lässt es los. Ein Kichern geht durch die Gruppe. Auf die Frage, ob sie schon mal mit Cybermobbing konfrontiert wurden, nicken nahezu alle. Viele der 12-Jährigen erhielten schon Whatsapp-Nachrichten mit pornografischen Inhalten.

Dazu Thomas Schlickenrieder, Geschäftsführer der Stiftung Elternsein und Initiator der Kampagne «Wenn Worte weh tun»: «Ich finde es bedenklich, dass bereits 12-jährige Mädchen, und oft auch jüngere, Nachrichten mit pornografischem Inhalt erhalten».

Andrin Schnegg verteilt Arbeitsblätter, auf denen Nachrichten mit Emojis abgebildet sind. Wann sollte auf das Chatten grundsätzlich verzichtet werden, will er von den Schülerinnen wissen. «Wenn man zum Beispiel nicht gut drauf ist», sagt eine Schülerin. Analysiert werden Chatverläufe und Nachrichten, die nicht eindeutig sind. Die Jugendlichen sollen ein Gefühl entwickeln, wann es sinnvoll ist, jemandem von Angesicht zu Angesicht etwas mitzuteilen. Darüber hinaus, dass Emojis sowie Nachrichten missverstanden werden können.
Die Lektion neigt sich dem Ende zu. Was habt ihr aus der Stunde mitgenommen, wollen die Experten wissen. «In der Schule kannst du geschlagen werden, Cybermobbing tut in der Seele weh», sagt ein Schüler.

Andrin Schnegg und Kim Gray fassen zum Ende der Lektion nochmals zusammen.

Andrin Schnegg und Kim Gray fassen zum Ende der Lektion nochmals zusammen.

Cybermobbing – was Jugendliche und Eltern wissen müssen

  • Hilfe holen: Unterstützung und Trost durch Eltern, Lehrpersonen, Freunde oder andere Vertrauenspersonen sind essenziell.
     
  • Keine Schuldzuweisungen: Ahnen Eltern, dass ihr Kind im Internet gemobbt wird, sollten sie es darauf ansprechen. Wichtig: nicht überreagieren, keine Schuldzuweisungen, Ruhe bewahren und dem Kind versichern, dass man gemeinsam eine Lösung finden werde.
     
  • Nicht mit einem Handy- oder Internetverbot reagieren: Das Internet und das Handy spielen für die Freizeit und für die Schule des Kindes eine grosse Rolle. Ein Verbot sendet ein falsches Signal.
     
  • Keine Reaktion auf Online-Attacken: Die Täter leben von der Rückmeldung des Opfers. Auch wenn die Versuchung gross ist: nicht zurückpöbeln.
     
  • Beweise sichern: Unterhaltungen, Nachrichten, Videos oder Bilder speichern – inklusive Screenshots.
     
  • Internetseitenbetreiber kontaktieren: Eltern können Internetseitenbetreiber auffordern, Inhalte über ihr Kind zu löschen.

Thomas Schlickenrieder zur Sensibilisierungs-Kampagne «Wenn Worte weh tun»

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Über die Stiftung Elternsein:

Weil es für den anspruchsvollsten Job der Welt keine Ausbildung gibt, nimmt sich die Stiftung Elternsein den Fragen und Sorgen von Eltern an. Sie unterstützt und begleitet Eltern von schulpflichtigen Kindern in allen Erziehungs- und Bildungsfragen und leisten einen wertvollen Beitrag zum Dialog zwischen Kindern und Jugendlichen, Eltern und Lehrpersonen.

«Mit diesen Workshops unterstützen wir die Schulen in ihrer Arbeit und ihrem engagierten Bemühen für ein empathisches, einnehmendes und tolerantes Zusammenleben im Online- und Offlinemodus», sagt Thomas Schlickenrieder.

Die Stiftung Elternsein, Herausgeberin des Schweizer ElternMagazins Fritz+Fränzi, führt regelmässig Sensibilisierungskampagnen durch und informiert ratsuchende Eltern mit Kurzfilmen zu relevanten Themen wie Medienkonsum, Schulangst, psychische Störungen, ADHS und Stärkung der Sozialkompetenz.
Die politisch und konfessionell unabhängige Stiftung Elternsein wurde 2001 von Dr. Ellen Ringier in Zürich gegründet.

Mobbing gehört zum Schlimmsten, was einem Kind passieren kann.

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