Wie Kinder soziale Kompetenzen erwerben - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Merken
Drucken

Wie Kinder soziale Kompetenzen erwerben

Lesedauer: 4 Minuten

Der Kindergarten ist ein Übungsfeld für soziale Beziehungen. Hier lernen Kinder Gleichheit und Gerechtigkeit kennen, ihre Bedürfnisse zu äussern und knüpfen erste Freundschaften. Wie funktioniert das und wie können Eltern ihnen dabei helfen?

Die Kindergartenzeit ist eine wichtige Entwicklungsphase. Sie ermöglicht dem Kind, eigenes Verhalten in sozialen Beziehungen in einem geschützten Rahmen zu üben und demjenigen von Gleichaltrigen in kleinen und grossen Gruppen anzupassen. Die Kindergartenzeit ist daher eine Zeit, in der wichtige Erfahrungen gesammelt werden können, die eine Basis schaffen, um zukünftige stabile soziale Beziehungen aufzubauen und zu erhalten. Dazu gehört zu lernen, sich in einer Gruppe einzuordnen, eigene Ideen und Bedürfnisse anzumelden und in dieser Gruppe die Zusammengehörigkeit zu erleben, aber auch, sich an bestimmte Regeln des Zusammenseins zu halten.

Interaktionen mit Gleichaltrigen sind in diesem Alter zentral. Die Begegnungen auf einer Ebene erlauben es dem Kind,  ein Verständnis für Gleichheit und Gerechtigkeit zu entwickeln und sich darin zu üben. Dies trägt zum Selbstverständnis und damit zum Selbstkonzept des Kindes bei. Das Selbstkonzept beschreibt das Wissen über sich selbst, über die eigenen Gefühle und die Überzeugung, etwas selber bewirken zu können. Damit beeinflussen diese Erfahrungen mit Gleichaltrigen auch das Selbstvertrauen eines Kindes und eröffnen ihm Möglichkeiten, sich gegenüber anderen Kindern abzugrenzen, aber auch sich zu behaupten und sich für sich selbst einzusetzen. 

Möchten Sie sich diesen Artikel merken? Ihn vielleicht später fertig lesen? Kein Problem! Pinnen Sie einfach dieses Bild auf Ihre Pinterest-Pinnwand. Und folgen Sie uns doch auch bei Pinterest, damit Sie weitere spannende Artikel von uns zu sehen bekommen.
Möchten Sie sich diesen Artikel merken? Ihn vielleicht später fertig lesen? Kein Problem! Pinnen Sie einfach dieses Bild auf Ihre Pinterest-Pinnwand. Und folgen Sie uns doch auch bei Pinterest, damit Sie weitere spannende Artikel von uns zu sehen bekommen.

Kindergartenkinder haben die Tendenz zur Selbstüberschätzung

Zu Beginn des Kindergartenalters basiert das Selbstkonzept bei Kindern auf Beobachtungen, die noch stark an ein Wunschbild von sich selbst gekoppelt sind. Kinder bauen sich in dieser Phase vor allem auf  Stärke und körperlichen Fähigkeiten auf und tendieren teils zur Selbstüberschätzung. Erst während der zweiten Hälfte des Kindergartens und im Schulalter verändert sich dies. Die Einschätzung des eigenen Könnens wird realistischer, und die Kinder definieren sich mehr und mehr auf der Grundlage ihrer sozialen Beziehungen und können damit den eigenen Selbstwert aufbauen.

Im Zusammenspiel mit Gleichaltrigen erlernen Kinder in der Kindergartenzeit eigene Gefühle und die der anderen wahrzunehmen. Sie erfahren in sozialen Interaktionen, dass andere es bevorzugen, wenn sie ihre eigenen Gefühle unter Kontrolle haben, Aggressionen und Feindseligkeiten vermeiden und die Grenzen des anderen Kindes respektieren.

Es ist daher die ideale Zeit, um zu üben, wie Konflikte mit anderen angemessen gelöst und erfolgreich bewältigt werden können. Sich selbst akzeptiert zu fühlen und auf andere Rücksicht zu nehmen, sich für andere zu interessieren und sich in sie hineinzufühlen und dementsprechend zu handeln, sind Facetten der sozialen Beziehung, die im Kindergartenalter angeeignet und geübt werden müssen.

Sie sind nicht nur die Grund­lage späterer Beziehungen, sondern auch eine Voraussetzung, theoretische Inhalte aufnehmen zu können, diese zu verarbeiten und Kompetenzen wie die Grundkenntnisse des Lesens, Schreibens und Rechnens zu erwerben.

Erst durch die Begegnung mit Gleichaltrigen lernt das Kind, eigene Gefühle und die der anderen wahrzunehmen.

Im Rahmen der Kindergartenzeit kann das Verständnis für Freundschaften und damit für Freundlichkeit und Unfreundlichkeit, für Fürsorge und Hilfsbereitschaft, aber auch der Umgang mit Feindseligkeit erprobt und erlernt werden. Dazu gehören Erfahrungen mit Ablehnung und Begehrtwerden und das Kennenlernen der sozialen und emotionalen Konsequenzen eigener Verhaltensweisen in sozialen Beziehungen.

Diese facettenreichen Erfahrungen erlauben dem Kind, sich ein Repertoire an sozialen Verhaltensweisen anzueignen, die langfristige tragfähige Beziehungen mit Gleichaltrigen, aber auch mit anderen Kindern und Erwachsenen überhaupt erst ermöglichen. Nicht zuletzt können sich Kinder während der Kindergartenzeit in Zusammen­arbeit und in der Übernahme von Verantwortung üben. 

Wenn die Anpassung schwer fällt

Der Kindergarten bringt auch die Herausforderung mit sich, sich aus der engen Bindung zu den eigenen Bezugspersonen – meist den Eltern – zu lösen und sich in einer Gruppe und unter Fremdbetreuung zurechtzufinden. Diese Herausforderungen sind eine wichtige Chance für alle Kinder, sich in den sozialen und emotionalen Kompetenzen weiterzuentwickeln und sich für weitere Aufgaben zu wappnen.

Einige Kinder sind damit überfordert und entwickeln ein auffälliges Sozialverhalten und emotionale Symptome. Sie beteiligen sich nicht am Spiel in der Gruppe, zeigen Aggressionen oder Wutausbrüche und haben Mühe, sich anzupassen. Jedoch bietet die Kindergartenzeit die Chance, in einem geschützten Rahmen neue Verhaltensweisen auszuprobieren und zu üben und damit das Verhalten in sozialen Beziehungen zu verbessern.

Soziale Kompetenzen zu erwerben, gehört zu den wichtigsten Aufgaben im Kindergartenalter. Ein sozial kompetentes Kind kann im praktischen Umgang das Verhalten anderer gut einschätzen und interpretieren. Diese Fähigkeiten werden in sozialen Erfahrungen gewonnen – sie werden niemandem in die Wiege gelegt. Der Umgang mit anderen und damit die Gestaltung von Beziehungen muss erlernt und will geübt sein. Der Kindergarten ist dazu ein idealer, geschützter Raum, in welchem Kinder sich Kompetenzen aneignen können, die für die Schulreife und die weitere Entwicklung zentral sind.

Kinder lernen, dass sie leichter Freunde finden, wenn sie auch auf andere achten.
Kinder lernen, dass sie leichter Freunde finden, wenn sie auch auf andere achten.

Wie Eltern Ihre Kinder bei der Entwicklung sozialer Kompetenzen unterstützen können:

Macht sich Ihr Kind Gedanken darüber, was im zweiten Kindergartenjahr
von ihm erwartet wird?

Sorgen Sie sich selbst nicht zu sehr. Was Ihr Kind braucht, ist Ihre Zuversicht. Mit Ihrem Vertrauen weiss Ihr Kind, dass die Aufgabe zu bewältigen ist. Erzählen Sie öfters davon, wie Sie als Kind mit ähnlichen Schwierigkeiten umgegangen sind. So können Sie Ihr Kind dabei unterstützen, sich darauf vorzubereiten und dies zu üben. Denken Sie daran: Es ist normal, dass Ihr Kind zunächst ängstlich reagiert. Lassen Sie Ihr Kind wissen, dass Sie fest an es denken werden. Lassen Sie es erfahren, dass es den Morgen im Kindergarten vielleicht manchmal einfach «aushalten» muss und den Nachmittag dafür zunehmend fröhlicher verbringen kann.

Ist Ihr Kind eher laut und kann sich manchmal im Spiel mit anderen Kindern nicht gut kontrollieren?

Die Fähigkeit, sich in aufregenden Situationen wie im Spiel kontrollieren zu können, entwickelt sich nicht bei allen Kindern gleichzeitig, bei Buben meist etwas später. Sie ist zudem vom Temperament abhängig. Seien Sie zuversichtlich, dass Ihr Kind diese Entwicklungsaufgabe meistern wird. Unterstützen Sie es, indem Sie ihm zeigen, dass Sie es ihm zutrauen, Regeln akzeptieren zu lernen. Üben Sie zu Hause. Legen Sie klare Regeln und klare Konsequenzen vor. Diese Konsequenzen sollten eng mit dem Verhalten, auf das sie folgen, verbunden sein. Konsequenzen wie der Ausschluss vom Vorlesen abends während einer Woche machen keinen Sinn, wenn das Kind beispielsweise beim Spiel nicht verlieren kann. Günstiger ist es, dem Kind zu vermitteln, dass es sich beruhigen soll, und dann die Spielkarten gemeinsam zu versorgen. Beschämen Sie Ihr Kind nicht, wenn es sich nicht kontrollieren kann, sondern bieten Sie ihm Möglichkeiten zum «Wiedergut­machen» an.


Die Autorin:

Nadine Messerli-Bürgy ist Gesundheits­psychologin und ­klinische Psychologin und Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern. Sie leitet als Förderungsprofessorin SNF die Forschungsgruppe  «Klinische Kinderpsychologie und Biologische Psychologie» an der Universität Freiburg und das dazugehörige Forschungsprojekt STERN (Stresserleben und Stress­regulation bei Vorschulkindern).
Nadine Messerli-Bürgy ist Gesundheits­psychologin und ­klinische Psychologin und Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern. Sie leitet als Förderungsprofessorin SNF die Forschungsgruppe  «Klinische Kinderpsychologie und Biologische Psychologie» an der Universität Freiburg und das dazugehörige Forschungsprojekt STERN (Stresserleben und Stress­regulation bei Vorschulkindern).


Weiterlesen: