Frau Buschner, wie geht es Kindern in Regenbogenfamilien? - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Merken
Drucken

Frau Buschner, wie geht es Kindern in Regenbogenfamilien?

Lesedauer: 3 Minuten

Am besten untersucht wurde diese Frage in Studien zu Regenbogenfamilien. Sozialforscherin Andrea Buschner kennt die Antworten und sagt uns, was für die Entwicklung des Kindes von grosser Bedeutung ist.

Frau Buschner, wie geht es Kindern in Regenbogenfamilien?

Sie erreichen oft leicht höhere Werte, wenn es um Resilienz geht, jene Wider­standsfähigkeit, die uns Krisen gut meistern und ein gutes Selbstwertgefühl bewahren lässt. Wir führen diesen Umstand darauf zurück, dass Kinder in diesen Familien einen sehr hohen Stel­lenwert haben – die Eltern mussten meist einen steinigen Weg gehen, um sie zu bekommen. Das zentrale Fazit der Wissenschaft lautet aber, dass nicht die Familienkonstellation, sondern die Beziehungsqualität innerhalb der Familie bedeutsam ist für die Entwicklung eines Kindes. Zudem macht es einen Unterschied, ob Kinder in eine gleichgeschlechtliche Beziehung hineingeboren werden oder nicht.
 Andrea Buschner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Staatsinstitut für Familienforschung in Bamberg. Die Soziologin forscht schwerpunktmässig zur Pluralisierung von Lebens- und Familienformen sowie zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften.
 Andrea Buschner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Staatsinstitut für Familienforschung in Bamberg. Die Soziologin forscht schwerpunktmässig zur Pluralisierung von Lebens- und Familienformen sowie zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften.

Inwiefern?

Kinder, die in homosexuellen Stief­familien aufwachsen, also mit einem neuen, gleichgeschlechtlichen Partner eines Elternteils, stammen meist aus früheren heterosexuellen Beziehungen. Sie haben, wie andere Scheidungskinder, häufig an der Trennung der Eltern zu nagen. Diese ist für Kinder aus allen Familienkonstellationen ein sogenannter Risikofaktor, der sich negativ auf die psychische Entwicklung auswirken kann. Insgesamt dürften Kinder, die in eine gleichgeschlechtliche Beziehung hinein­ geboren werden, also etwas unbe­schwerter starten.

«80 Prozent dieser Kinder wurden mit Beschimpfungen oder Hänseleien konfrontiert.»

Sozialforscherin Andrea Buschner

Wie oft werden Kinder aus Regen­bogenfamilien diskriminiert?

Der Anteil schwankt je nach Studie zwischen 20 und 50 Prozent. Bei unserer Untersuchung mit Kindern aus lesbi­schen Stieffamilien sagten rund 20 Prozent der Mütter, dass ihr Kind aufgrund seiner familiären Situation schon einmal diskriminiert worden sei. Demnach waren 80 Prozent der Kinder, die solche Erfahrungen gemacht hatten, mit Beschimpfungen oder Hänseleien konfrontiert worden. Deutlich seltener waren dagegen Diskriminierungsformen wie Gewaltandrohungen, körperliche oder sexuelle Gewalt.

Von wem kommen die Angriffe? 

Überwiegend von Gleichaltrigen und meist in Teenagerjahren. Jedoch fühlen sich längst nicht alle Kinder, die schon einmal diskriminiert wurden, dadurch auch belastet. Das wird deutlich in Untersuchungen, die zeigen, dass Kinder aus Regenbogenfamilien nicht schlechter abschneiden als andere Kinder, wenn es um psychisches Wohlbefinden geht. Diese Tatsache legt nahe, dass es in ihrem familiären Kontext Schutzfaktoren gibt, die negative Effekte von Diskrimi­nierung reduzieren können.

«Wenn zu Hause jemand ist, der das Kind auffängt, wirkt das wie ein Puffer.»

Andrea Buschner, Sozialforscherin  

Nämlich?

Untersuchungen zeigen, dass die emo­tionale Unterstützung innerhalb der Familie am wichtigsten ist. Wenn zu Hause jemand ist, der das Kind auffängt, an den es sich wenden und mit dem es nach Lösungen suchen kann, wirkt das wie ein Puffer.

Kann auch die Schule dazu beitragen, dass Kinder aus Regenbogenfamilien Diskriminierung besser wegstecken? 

Ja, Kinder sind besser dagegen gewappnet, wenn ihre Schule Themen wie sexuelle und familiäre Vielfalt auf­greift. Solche Pläne stossen oft auf Widerstand, angeblich aus Angst, dass Kinder frühsexualisiert würden. Dabei geht es doch nur darum, ihnen zu vermitteln, dass es unterschiedliche Lebens-, Liebes- und Familienformen gibt. Jüngere Kinder werden nichts Verwerfliches daran finden. Später wird ihr Verständnis dessen, was als normal gilt, stark vom sozialen Umfeld geprägt. Wie Menschen mit Andersartigkeit umgehen, hängt auch mit ihrem Bildungshintergrund zusammen. Ein bildungsnahes Milieu wird Kindern aus unkonventionellen Familien daher aufgeschlossener begegnen als ein bildungsfernes. 

Kritiker bemängeln, dass in Studien zu Regenbogenfamilien Kinder aus niedrigen sozialen Schichten unterrepräsentiert sind.

Es ist unwahrscheinlich, dass uns Regenbogenfamilien aus der Unterschicht einfach durch die Lappen gehen – wir müssen aufgrund unserer Nachforschungen vielmehr davon ausgehen, dass es tatsächlich nur wenige von ihnen gibt. Das ist nicht allzu erstaunlich.

Warum nicht?

Homosexualität ist nicht abhängig von der sozialen Schicht – wohl aber die Entscheidung, sich zu outen, zusammenzuleben oder sich gemeinsam an das Thema Kinderwunsch heranzuwagen. In einem sozial schwächeren Umfeld mit geringer Akzeptanz von unkonventionellen Lebensformen braucht es dafür viel Mut. Die Hürden für ein gleichgeschlechtliches Paar mit Kinderwunsch sind ausserdem hoch: Reproduktionsmedizinische Behandlungen kosten viel Geld, Zudem müssen sich Paare mit rechtlichen Fragen auskennen. 

Erziehen gleichgeschlechtliche Paare ihre Kinder anders?

Widerlegt ist der Mythos, wonach gleichgeschlechtliche Elternschaft die sexuelle Orientierung der Kinder beeinflusst: Diese werden nicht häufiger homosexuell als andere Heranwachsende. Studien zeigen auch, dass Regenbogenfamilien Erwerbs­ und Familienarbeit partnerschaftlicher aufteilen als Kernfamilien. Davon abgesehen, leben die meisten Regenbogenfamilien das klassische Modell mit zwei Elternteilen plus Kind.
Gruppenbild mit drei Eltern: Marc, Matthias und Sonja kümmern sich liebevoll um Max.
Kinder, welche bei gleichgeschlechtlichen Eltern aufwachsen, werden nicht häufiger homosexuell als andere Heranwachsende. 

Das könnte man als Bekenntnis zur Kleinfamilie werten, die gerne als Auslaufmodell bezeichnet wird?

Ja und nein. So gibt es in den meisten Regenbogenfamilien externe Personen, die als Elternteil für das Kind eine mehr oder weniger grosse Rolle spielen. Oft ist das der leibliche Vater. Dann gibt es die Mehrelternschaft in sogenannten Queerfamilien, in denen ein lesbisches Paar oder eine lesbische Frau zusammen mit einem schwulen Mann oder Paar Kinder aufziehen. Gemein ist allen Formen gleichgeschlechtlichen Elternseins, dass die Beteiligten sich eher über soziale denn über biologische Elternschaft definieren.

Was heisst das?

Es ist die gemeinsam mit dem Kind verbrachte Zeit, die einen zur Mutter oder zum Vater macht. Insofern unterscheidet sich dieses Familienverständnis schon von jenem der Kleinfamilie, das Elternschaft an die Erzeuger koppelt. Der Begriff der sozialen Elternschaft scheint mir insofern fortschrittlicher zu sein, als dass er dem kindlichen Bedürfnis nach vertrauten und verlässlichen Bezugs­personen besser gerecht wird.

Weiterlesen: