Kinder haben wir später - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Kinder haben wir später

Lesedauer: 10 Minuten

Reife Eltern sind gelassener, selbstsicherer – und zu alt, um mit ihren Kindern ­Abenteuer zu bestehen. Vorurteile wie diese über späte Eltern gibt es viele. Fakt ist: Das Elternwerden wird immer weiter ­hinausgezögert. Was bedeutet das für Erziehung und Familienleben?

Keine Frage, späte Väter hat es immer gegeben, ebenso wie Frauen, die jenseits der 40 noch einen «Nachzügler» bekommen haben. Doch was früher in Einzelfällen vorkam, setzt sich mehr und mehr als Norm durch.
Platz 5Ausgabe 4: Späte Eltern (Lesen Sie hier das Online-Dossier zum Thema späte Eltern)
Dieser Text stammt aus dem Aprilheft 2020. Sie können das gesamte Heft hier als Einzelausgabe bestellen. 
Immer mehr Frauen und Männer schieben das Kinderhaben aus beruflichen oder privaten Gründen lange vor sich her. So sind späte Erstgebärende über 35 in allen Wohlstandsländern mittlerweile fast die Regel. Auch die Zahl der sogenannten Last-Minute-Eltern, die erst über 40 Eltern werden, steigt jährlich. Für den Trend zum späten Erstkind gibt es institutionelle und individuelle Gründe, die hier noch zur Sprache kommen werden. Doch welche Folgen hat eine späte Elternschaft auf die Entwicklung von Kindern?

Die Statistik zeigt: Viele Frauen und Männer haben heute ­weniger Kinder, als sie sich ­ursprünglich gewünscht hatten.

Erstgebärende über 35 Jahre zählen medizinisch gesehen bereits zu den Risikoschwangerschaften. Wollen späte Eltern noch ein zweites Kind, ist dies häufig schwierig, sodass Spätgeborene vielfach als Einzelkinder aufwachsen – wie zum Beispiel der 7-jährige Rick. «Von meinem Alter her war ich gegen ein weiteres Kind», erinnert sich seine Mutter Valérie Sigrist. Sie hat sich ihren Kinderwunsch mithilfe einer künstlichen Befruchtung erfüllen müssen. «Ausserdem wollte ich mir die körperlichen Belastungen eines solchen Eingriffes kein zweites Mal antun.»
Damit steht die 47-Jährige nicht alleine. «Viele Frauen und Männer haben heute weniger Kinder als ursprünglich gewünscht», sagt Andrea Mosimann vom Bundesamt für Statistik (BFS). Dies spiegelt sich auch in den Geburtenziffern wider. Lag diese 1971 in der Schweiz noch bei 2,0 Kindern pro Frau, ist sie – laut BFS – seitdem gesunken und hat sich seit 2009 relativ stabil bei 1,5 Kindern pro Frau eingependelt.

Erziehen späte Eltern anders?

Auch wenn sich die späte Elternschaft längst vom Sonder- zum Normalfall entwickelt hat, tun sich bei vielen angehenden Müttern und Vätern im reiferen Alter Fragen auf und es zeigt sich eine gewisse Un­sicherheit: Wie werde ich meinen ­Kindern gegenüber sein? Ängstlicher und besorgter, als ich es mit Ende 20 gewesen wäre? Oder einfach gelassener? Anders gefragt: Welchen Einfluss hat die späte Mutter- beziehungsweise Vaterschaft auf die Erziehung oder das Familienleben?

«Die Erziehung ist ein Zusammenspiel verschiedener Aspekte und das Alter der Eltern dabei einer von mehreren Faktoren», sagt Dominik Schöbi, Professor für Psychologie und Leiter des interdisziplinären Instituts für Familienforschung der Universität Fribourg. Deshalb sei es in der Regel nur schwer zu beurteilen, welche Bedeutung das Alter der Mutter oder des Vaters für sich genommen habe. Vergleicht man ein junges Elternpaar, das in einem eher konservativ geprägten ländlichen Umfeld lebt, mit einem jungen Elternpaar in der Stadt, kann ein grösserer Unterschied im Erziehungsverhalten bestehen als gegenüber späten Eltern auf dem Land. Das soziale Gefüge spielt eine wichtige Rolle.

Hinzu kommen die partnerschaftlichen und familiären Bedingungen, wie etwa die Zahl und Abfolge der Kinder. Ob Eltern aber etwa humorvoller oder fantasie­reicher sind, ist eher abhängig von ihrer Persönlichkeit. Schöbi: «Primär ist das Erziehungsverhalten eine Frage der Persönlichkeit der Eltern, ihrer individuellen Lebenssituation und ihrer sozioökonomischen Rahmenbedingungen. Die beiden letzten Aspekte korrelieren jedoch auch mit dem Alter.»

Bessere Rahmenbedingungen für Kinder später Eltern

Frauen in den 20ern bringen meist bessere gesundheitliche Voraussetzungen für eine risikofreie Schwangerschaft mit als Frauen über 30. Dafür können diese ihren Kindern häufig eine optimalere Lebenssituation bieten. Meist besitzen ­späte Eltern eine höhere Bildung und sind bereits weiter in ihrer beruflichen Entwicklung. «Dadurch werden die Kinder mehrheitlich in einen besseren sozioökonomischen Kontext hineingeboren», sagt Schöbi. 

«Geld macht zwar nicht glücklich, aber ein sicheres finanzielles Fundament entlastet und wirkt sich positiv auf die Familiensituation aus. Zudem können sie leichter Ausbildung, Nachhilfestunden und Hobbys ihrer ­Kinder finanzieren sowie Betreuungsangebote nutzen. Wer den Nachwuchs stärker intellektuell fördern und Anregungen bieten kann, erleichtert ihm den Zugang zu einer besseren Schulbildung und zu höheren Ausbildungsabschlüssen», so der Psychologe.

Auch in Sachen Partnerschaft haben späte Eltern meist mehr Erfahrungen gesammelt.

«Junge Eltern, die sich selbst noch in der Ausbildung oder im Studium befinden, haben es meist schwerer, ihre beruflichen Ziele zu erreichen», sagt Dominik Schöbi. Simone Meyer, 48, hat das am eigenen Leib erlebt. Als ihre erste Tochter Fleur zur Welt kam, war sie zwar bereits 31, schrieb aber an ihrer Doktorarbeit und steckte mitten in der Facharztausbildung. 

«Hierfür musste ich als Assistenzärztin mit einem 50-Prozent-Pensum im Spital arbeiten. Das war ohne Kinderbetreuung jedoch unmöglich. Denn weder im Spital noch im Dorf, in dem wir wohnten, gab es eine ­Krippe. Auch meine Eltern konnten mich nicht entlasten, da sie selbst noch berufstätig waren.» Hinzu kam, dass sie viele Überstunden leisten musste. Simone Meyer brach ihre Ausbildung und ihre Dissertation zunächst ab.

«Junge Eltern sind häufig schneller von Armut bedroht», betont die emeritierte Honorarprofessorin für Entwicklungspsychologie der Universität Bern Pasqualina Perrig-Chiello. Zudem seien sie noch stärker mit sich selbst beschäftigt und daher in manchen Situationen eher überfordert.

Lebenserfahrung bringt ­Gelassenheit

Eltern ab Mitte 30 haben schon einige ihrer Ziele erreicht, konnten sich ausleben, reisen. «Daher können sie ihre eigenen Bedürfnisse besser zurückstellen, ohne ständig das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen», sagt Dominik Schöbi.

Für Valérie Sigrist waren Kinder bis Ende 20 kein Thema. «Ich habe gesehen, wie meine Freundinnen ihre Wünsche und Pläne für die Familie hintanstellen mussten. ­Heute, mit 47, kann ich mich ganz auf Rick konzentrieren.» Die grös­sere Lebenserfahrung könne späten Eltern in stressigen Familiensituationen helfen, verständiger und grosszügiger zu reagieren, so Schöbi. Hinzu komme, dass die Selbstreflexion bei älteren Eltern meist grösser sei. 
Auch in Sachen Partnerschaft haben späte Eltern meist mehr Erfahrungen gesammelt, Enttäuschungen weggesteckt und sich selbst besser kennengelernt. «Eine späte Beziehung ist nicht per se stabiler. Man kennt einander eventuell weniger lange und entscheidet sich vielleicht schneller für Kinder, weil die Zeit drängt», sagt Susanne Wüth­rich, 44. Sie ist mit 37 ahren Mutter geworden und hat mittlerweile drei Kinder im Alter zwischen 2 und 7. «Aber man ist selbst abgeklärter, rationaler und eher bereit, an einer Beziehung zu arbeiten als ein junger Mensch.»

Späte Erstkinder sind in der Regel gewollt und das Ergebnis einer lange abgewägten Entscheidung. «Dadurch erfahren sie oft eine an­dere Beachtung als Kinder jüngerer Eltern,» betont der Psychologe Dominik Schöbi. «Ihre Eltern genies­sen das Zusammensein mit ihnen deshalb bewusster.»

Sie habe sich lange Zeit Kinder gewünscht und zwei Fehlgeburten erlitten, erzählt Susanne Wüthrich. «Umso dankbarer bin ich heute für meine Kinder. Als junge Frau wäre das Mutterglück für mich vermutlich selbstverständlicher gewesen. Da ich meine beruflichen Ziele erreicht habe, sind meine Kinder keine so grosse ‹Einschränkung› mehr für mich und ich bin sehr zufrieden mit meiner familiären Situation.»

Der Preis des Kümmerns 

Im negativen Fall stehen die späten Kinder jedoch zu sehr im Fokus. «Es ist offenkundig, dass ältere Eltern eher dazu neigen, Helikoptereltern zu sein», sagt Entwicklungspsychologin Perrig-Chiello. Noch gäbe es zwar keine alterskorrelierten Daten hierzu, aber Fakt sei, dass ältere Mütter und Väter nicht nur überlegter, sondern häufig auch vorsichtiger und ängstlicher seien. «Die Kinder spüren das und verhalten sich ebenfalls weniger spontan.» Das bedeute Stress für beide Seiten, weil es dazu führe, dass die Kinder unselbständiger blieben.

Ausserdem könnten die besseren ökonomischen Bedingungen später Eltern dazu verführen, ihren Nachwuchs zu verwöhnen. Und nicht zuletzt bestehe die Gefahr, dass reifere Eltern ihre eigenen Wünsche und Ansprüche zu sehr auf das Kind projizieren.

Dass Eltern über 35 körperlich weniger leistungsfähig sind als mit 23, Schlafmangel schlechter wegstecken, schneller müde werden und ihre Belastbarkeitsgrenzen erreichen, steht für Schöbi ausser Frage. Daraus möchte er jedoch keine allgemeine Bewertung ableiten. «Durch ihre besseren Rahmenbedingungen können sich späte Eltern durchaus fit halten.» Zudem haben sie oft Strategien für sich entwickelt, wie sie die Doppel­belastung von Familie und Beruf leichter meistern.

Der Generationenunterschied zeigt sich im Umgang mit Technik

André Notter, 64, lebt getrennt von seiner Ex-Frau Simone Meyer und hat mit ihr zwei gemeinsame Kinder. «Es war anfänglich schwierig, wenig Zeit für mich selbst zu haben und als Lehrer neben der Schule auch zu Hause von pubertierenden Kindern umgeben zu sein. Aber ich habe gelernt, meinen Kindern Raum zu geben, wenn sie etwas von mir wollen, statt nur halbherzig zu reagieren. Wenn ich meine Dinge zur Seite lege und mich ihnen widme, können sie ihr Anliegen deponieren und die Beziehung stimmt für sie. Danach habe ich dann wieder Raum für mich selbst.»

Ein Bereich, in dem sich die Generationenunterschiede zwischen späten Eltern und ihren Kindern häufig zeigen, sind die technischen Kompetenzen: «Dass wir in unterschiedlichen Welten aufgewachsen sind, merke ich vor allem bei den neuen Medien», erzählt Susanne Wüthrich. Ihre Kinder seien «Digital Natives», während ihr Mann und sie die neuen Medien erst im Erwachsenenalter kennengelernt hätten. 

«Die Digitalisierung kann eine Herausforderung für ältere Eltern sein. Der Umgang damit ist aber eher Einstellungssache und von der Persönlichkeit abhängig», so der Psychologe Dominik Schöbi. Zudem könne es auch bereichernd sein, wenn Kinder Kompetenzen haben, in denen sie ihren Eltern voraus seien. 

Ältere Mütter und Väter sind nicht nur überlegter, sondern häufig auch vorsichtiger und ängstlicher.

Doch wie wirkt es auf Kinder, wenn der eigene Vater optisch eher dem Grossvater als dem Vater der Freundin ähnelt? «Eltern gehören immer einer anderen Generation an», so Dominik Schöbi. Bei kleinen Kindern spiele der optische Unterschied sowieso keine Rolle. Und in der Pubertät sei er eher von Vorteil, denn so haben es die Kinder leichter, sich von den Eltern abzugrenzen. Im mittleren Alter hingegen könne es Kinder schon verunsichern, wenn sich die eigenen Eltern von denen der Freunde unterscheiden. Wichtig sei, dass die Eltern selbst gelassen damit umgingen.

Wenn Pubertät und Wechseljahre zusammenfallen

Durch den grösseren Generationenabstand können die Pubertät des Kindes und die Wechseljahre der Mutter jedoch zeitlich zusammenfallen. «Wenn dann Stimmungsschwankungen und höhere Sensibilität auf beiden Seiten auftreten, sind Konflikte programmiert», so Perrig-Chiello. «Denn Kinder brauchen in der Pubertät Führung, Verlässlichkeit und Lebensfreude.» Das Verhältnis dürfe sich nicht umkehren. Geraten späte Eltern nerv­lich allzu schnell an ihre Grenzen, wirkt sich dies notgedrungen auf ihre Kinder aus.

Das Problem der «Ressource» ­Grosseltern

Frauen und Männer, die spät Eltern werden, befinden sich nicht selten in einer Sandwichposition. Als Simone Meyer im vergangenen Jahr mehrmals pro Woche hin- und herpendelte, um ihrem krebskranken Vater zur Seite zu stehen, kam sie an ihre Grenzen. «Manchmal ist sie schon bei Kleinigkeiten wütend geworden. Wir haben gemerkt, dass sie gestresster war und unter Zeitdruck stand. Die Dreifachbelastung – Beruf, wir Kinder und der Grossvater – war spürbar», erinnert sich ihre Tochter Juna.
Sind Grosseltern bei der Geburt ihrer Enkel bereits Rentner, haben sie zwar mehr Zeit, aber sie können ihre erwachsenen Kinder auch nicht mehr so lange entlasten. Dabei ist die Ressource Grosseltern in der Schweiz von grosser Bedeutung, denn laut dem BFS übernehmen in 42 Prozent der Fälle hauptsächlich sie die Betreuungsarbeit. Susanne Wüthrich: «Mein Vater ist bereits 83 und meine Mutter 76, beide benötigen jetzt eher unsere Hilfe. Leider werden sie nicht mehr erleben, wie ihre Enkel in die Ausbildung starten. Meine Eltern waren für ihre Zeit auch schon späte Eltern, insofern multipliziert sich bei uns das Problem.»
In manchen Fällen erleben die Kinder ihre Grosseltern gar nicht mehr. «Damit verlieren sie die Chance, ihre Eltern aus einer anderen Perspektive kennenzulernen, denn die Grosseltern sind das Familiengedächtnis», so Pasqualina Perrig-Chiello. «Von meinen älteren Geschwistern gibt es Fotos mit den Grosseltern in den Schulferien», sagt Juna. «Darauf bin ich etwas neidisch. Mein Bruder und ich haben sie nur noch an Wochenenden besucht.» Zudem wirken Grosseltern häufig ausgleichend, haben Zeit und Geduld, geben zusätzliche Anregung, spenden Geborgenheit und sind ein zentraler Anlaufpunkt für Zusammenkünfte der gesamten Verwandtschaft.

«Späte Kinder betrachten die Gesundheit ihrer Eltern schnell mit einer gewissen Sorge», sagt Dominik Schöbi. Sich bereits in der Pubertät mit deren Vergänglichkeit auseinandersetzen zu müssen, sei belastend. Juna, die 11-jährige Tochter von André Notter, 64, sagt: «Wenn mein Vater mit 90 stirbt, wäre ich erst 37. Als seine Mutter mit 93 starb, war er 60, das wäre mir lieber. Ich hoffe aber, er bleibt gesund.» Ein Kind sollte die Freiheit haben, Kind sein zu dürfen, ohne Sorgen und Verlust­ängste, fordert Pasqualina Perrig-Chiello. 

Die Vergänglichkeit des ­Familienglücks

Bei Eltern über 40 könne es passieren, dass die Kinder als 25-Jährige eine Mutter oder einen Vater mit Demenzerkrankung haben. «Ob spätes Elternglück möglich ist, sollte demnach auch eine psychologische Frage sein», so die Berner Psychotherapeutin. Für manche Kinder könne es bedeuten, bereits in der späten Jugendphase einen Elternteil zu verlieren.

Die Fähigkeit, den eigenen Kindern Liebe und Nähe zu schenken, ist unabhängig vom Alter.

Aber auch die Elternperspektive ist keine leichte: «Ich weiss nicht, wie viel Lebenszeit ich mit meinen Kindern teilen werde und was ich noch von ihnen erleben darf», so Susanne Wüthrich. «Das sind harte Fakten. Alle anderen Aspekte der späten Elternschaft waren für mich nicht schwerwiegend genug, um meine Entscheidung zu beeinflussen. Ich möchte so lange für meine Kinder da sein wie möglich, daher bewege ich mich viel und ernähre mich sehr bewusst.» Dieses Gesundheits­bewusstsein sei durchaus typisch für späte Eltern, sagt Dominik Schöbi.
«Da biologische Grenzen die späte Elternschaft limitieren, wird sich das Durchschnittsalter für die Familiengründung vermutlich um die 30 einpendeln, nur die Kommastellen können variieren», sagt die Soziologin Bettina Isengard. Aus ihrer Sicht ist das Alter für die Familiengründung eine individuelle Entscheidung zwischen zwei Personen, die sie nach Abwägung von Kosten und Nutzen treffen.

Das Klischee vom perfekten ­Zeitpunkt

Dass es den richtigen Zeitpunkt für ein Kind gibt, ist ein Klischee. Es geht nicht darum, junge gegen ältere Eltern auszuspielen. Beide haben ihre Vor- und Nachteile. Die Fähigkeit, den eigenen Kindern Liebe und Nähe zu schenken, ist unabhängig vom Alter. «Vorteile für Kinder später Eltern sind da, aber sie sind moderat. Bis auf die biologischen Risiken gibt es keine Hinweise auf deutliche Nachteile», betont Dominik Schöbi mit Blick auf die derzeitige Studienlage. Und man dürfe das Alter der Eltern als Erziehungsfaktor nicht isoliert betrachten, dafür habe es nicht genug Relevanz.

Bei Eltern über 40 kann es ­passieren, dass die Kinder als 25-Jährige eine Mutter oder ­einen Vater mit einer ­Demenzerkrankung haben.

«Künftige Eltern sollten sich den kritischen Seiten reifer Elternschaft jedoch bewusst sein», sagt Perrig-Chiello, «und im Interesse des Kindes handeln.» Jeder müsse sich fragen: Wo stehe ich, wenn mein Kind zehn Jahre ist, wo, wenn es zwanzig ist? Im Einzelfall gäbe es aber auch für jüngere Eltern keine Garantie, ihre Kinder bis ins hohe Alter begleiten zu können.

Eine Abwägung von Kosten und Nutzen

«Entscheidend dabei ist, dass beide Partner über den Zeitpunkt der Familiengründung nachgedacht haben und sich einig sind», ergänzt Dominik Schöbi. Simone Meyer: «Ausser von den biologischen Grenzen hängt der richtige Zeitpunkt für eine Familiengründung ganz individuell vom entsprechenden Lebensweg ab. Rückblickend muss ich feststellen, dass das Leben nicht planbar, sondern unberechenbar ist. Wenn jeder auf den idealen Zeitpunkt warten würde, zu dem in seinem Leben alles stabil ist, dann wäre die Menschheit schon ausgestorben. Man kann nie alles voraussehen.»

Yvonne Kiefer-Glomme ist Biologin und arbeitet als freie Journalistin in Basel. Die 46-Jährige hat ihre Tochter mit 37 bekommen und kennt die Themen späte Elternschaft sowie Sandwich-Generation aus eigener Erfahrung. Zusammen mit ihrer Tochter und ihrem Mann wohnt sie im Aargau und kümmert sich seit sieben Jahren um ihren 83-jährigen sehbehinderten Vater.
Yvonne Kiefer-Glomme ist Biologin und arbeitet als freie Journalistin in Basel. Die 46-Jährige hat ihre Tochter mit 37 bekommen und kennt die Themen späte Elternschaft sowie Sandwich-Generation aus eigener Erfahrung. Zusammen mit ihrer Tochter und ihrem Mann wohnt sie im Aargau und kümmert sich seit sieben Jahren um ihren 83-jährigen sehbehinderten Vater.


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  • «Die Freude überwiegt alle belastenden Aspekte»
    Simone Meyer, 48, und André ­Notter, 64, haben beide Kinder aus erster Ehe. Ihre gemeinsamen ­Kinder Melvin und Juna sind 13 und 11 Jahre alt. Mittlerweile leben ­Simone und André ebenfalls ­getrennt voneinander.