Familienbericht: «Meine Ängste sollten nicht unseren Alltag bestimmen»  - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Familienbericht: «Meine Ängste sollten nicht unseren Alltag bestimmen» 

Lesedauer: 2 Minuten

Kathrin Ulrich, 43, ist seit der Geburt ihrer Kinder Meret*, 5, und Basil*, 1, Hausfrau und Mutter, ihr Mann Nils, 39, arbeitet als Facharzt für Neurochirurgie. Ihre Tochter kam zu früh auf die Welt, es dauerte danach lange, bis Kathrin Ulrich einen Weg fand, mit ihren Ängsten umzugehen.

«Vor der Geburt meiner Kinder habe ich mich nicht als ängstliche Person wahrgenommen. Ich habe nicht viel über Krankheiten, Schicksalsschläge und mögliche Gefahren gegrübelt. Wenn ich mich gesorgt habe, dann ging es meistens um berufliche Dinge, etwa um die Frage, ob ich etwas auch so hinbekomme, wie ich mir das vorstelle. Bevor ich Mutter wurde, habe ich als PR-Beraterin gearbeitet.

Als mein Mann und ich unsere Erstgeborene erwartet haben, hatte ich eine sehr romantische Vorstellung vom Muttersein. Ich habe mich darauf gefreut, langsam in diese Rolle hineinzuwachsen und sie mit viel Nähe und Fröhlichkeit auszufüllen.

Unsere Realität sah dann leider ganz anders aus: Wegen einer schweren Schwangerschaftsvergiftung kam Meret neun Wochen zu früh auf die Welt. Ich lag auf der Intensivstation, die Kleine auf der Säuglingsintensivstation. Das war wie ein Hammerschlag. Es ging um Leben und Tod.

Vom einen Moment auf den anderen hatte ich Todesangst um mein Kind. Dass es auch mir schlecht ging, hat mich gar nicht richtig berührt. Wie wohl jede Mutter hätte ich mein Leben dafür gegeben, dass es meiner Tochter besser geht. Meret war einige Wochen länger als ich im Spital. So viele Nächte, in denen ich wach lag, um bloss keinen Anruf aus dem Spital zu verpassen!

Es war schlimm, dieser Angst so völlig hilflos ausgeliefert zu sein, und es hat lange gedauert, dieses Gefühl wieder abzulegen. Auch als Meret dann bei uns zu Hause war, war ich in Alarmbereitschaft. Ich habe ständig ihren Atem kon­­trolliert, alles desinfiziert, um die Infek­tionsgefahr einzudämmen. Ich bin dann zu einer Psychologin und einer Hypnose-Therapie gegangen. Ich wollte nicht, dass meine Ängste weiterhin unseren Alltag bestimmten. 

Inzwischen bin ich eine normal ängstliche Mutter, glaube ich. Ich habe ja auch die Erfahrung gemacht, dass mir übermässige Angst gar nicht hilft und mich und meine Lieben auch nicht beschützt.

Mit unserem Zweitgeborenen Basil konnte ich jedenfalls von Anfang an entspannter umgehen. Das bedeutet nicht, dass ich jetzt sorglos bin. Es gibt Dinge, die sind mir wichtig: Sicherheit im Strassenverkehr ist so ein Punkt. Ohne Helm wird nicht Fahrrad gefahren, und neben einer grossen Strasse muss Meret das Rad auf dem Gehweg schieben. Was, wenn ein Auto vorbeibraust und sie falsch lenkt, weil sie erschrickt?

Unsere Tochter möchte inzwischen gerne allein in den Kindergarten gehen. Ich möchte ihrem Bedürfnis nach mehr Eigenständigkeit auch entsprechen, sie soll sich ja gross fühlen! Allerdings überschätzt sie sich zurzeit oftmals ein wenig und hält sich auch nicht an die Route, die wir abgesprochen haben.

Mein Mann ist deshalb dagegen. Er hat ganz klar gesagt: ‹Nein, ich bin noch nicht so weit. Da habe ich Ängste.› Er möchte auch nicht, dass mehrere Kinder bei uns zusammen auf dem Trampolin springen. Er sorgt sich wegen der Verletzungsgefahr. Ich bin da lockerer, aber das muss ich respektieren. Es bringt überhaupt nichts, Ängste einfach zu ignorieren. Das weiss ich aus Erfahrung.»

* Namen der Kinder geändert.


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Weitere Familienberichte lesen Sie in der Printausgabe 07/08. Hier können Sie eine Einzelausgabe bestellen. 
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