«Es war ein Desaster» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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«Es war ein Desaster»

Lesedauer: 2 Minuten

Wir erzählen

Claudia*, 40, und Marco, 47, medizinische Praxisassistentin und technischer Zeichner aus Basel, probierten eine offene Beziehung aus. Geendet hat das Experiment ihm Chaos, lehrreich war es für die Eltern eines Sohnes, 12, und einer Tochter, 8, trotzdem.

Marco: Wir lernten uns vor 17 Jahren in Claudias Heimat Uruguay kennen, wo ich einen Sprachkurs machte. Es war Liebe auf den ersten Blick. Statt nach Kursende wie geplant weiterzureisen, mietete ich in Montevideo eine Wohnung.
 
Claudia: «Das war eine fantastische Zeit. Wir waren einander so nahe, es war, als würden wir uns ewig kennen.»
 
Marco: «Wir wollten zusammenbleiben. Als freischaffender Illustrator konnte ich standortunabhängig arbeiten.»

Claudia: «Dass Marco versucht hätte, sich in meiner Heimat ein Leben aufzubauen, zeigt, was ich an ihm am meisten schätze: seinen offenen Geist. Im Folgejahr heirateten wir in seiner Heimatstadt Basel. Man sagt, die starke Verliebtheit dauere ein paar Monate. Bei uns waren es sicher fünf Jahre.»

Marco: «Die erste Bewährungsprobe war die Geburt unseres Sohnes.»

Claudia: «Ich war das erste Jahr zu Hause, kam zu nichts, war übermüdet und gereizt.»

Marco: «Als Claudia ihren Job wieder aufnahm, entspannte sich vieles. Dann, in der zweiten Schwangerschaft, überkamen mich Existenzängste. Mir war immer bewusst gewesen, dass ein Künstlerberuf Schwankungen mit sich bringt, doch jetzt machte mich der Gedanke an Unsicherheit fertig. Es tat weh, meinen Traumberuf aufzugeben. Mir schien, Claudia sei nicht dankbar dafür.»

Claudia: «Auch ich hatte Opfer gebracht, hatte meine Heimat für ihn verlassen und mein Medizinstudium aufgegeben, hatte mich mit Aushilfsjobs durchschlagen und eine Ausbildung nachholen müssen. Als unsere Tochter in die Schule kam, war das für mich wie ein Auftauchen: Ich sah mich nicht mehr nur als Mutter, sondern wieder als Frau. Und ich wollte als solche begehrt werden.»

Marco: «Claudia klagte, wir hätten viel zu wenig Sex. Ich dagegen fand es nicht ungewöhnlich, dass wir nicht mehr so oft miteinander schliefen wie früher.»

Claudia: «Wir hatten offensichtlich unterschiedliche Bedürfnisse. Ich fragte Marco, was er vom Experiment einer offenen Beziehung halte.»

Marco: «Ich war nicht begeistert, schätzte aber Claudias Offenheit. Wir gaben einander probeweise den Freipass. Claudia ging ein paarmal mit einem Liebhaber aus, ich registrierte mich auf Tinder. Das zweite Treffen mit einer anderen Frau war gut: Die Chemie stimmte. Wir blieben in Kontakt, ich fühlte mich beschwingt, war voller Tatendrang.»

Claudia: «Plötzlich kam der Marco zum Vorschein, in den ich mich verliebt hatte: Der charmante, unternehmenslustige Mann voller Ideen. Dass er für jemand anderen diese Energie aufbrachte und mir gegenüber so träge war, brach mir das Herz.»

Marco: «Es folgten viele Gespräche. Das Experiment offene Beziehung war gescheitert. Daraus gelernt haben wir, dass die Liebe mehr Pflege braucht.»

Claudia: «Und die besteht vermutlich nicht darin, die schönen Seiten auszulagern, während für den Partner der Pflichtteil bleibt. Es war ein Desaster, machte aber auch deutlich, was wir aneinander haben.»


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