«Es gab hier überhaupt keine Kinderbetreuung» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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«Es gab hier überhaupt keine Kinderbetreuung»

Lesedauer: 3 Minuten

Serie: Familien und Corona weltweit – Teil 7

Wie geht es Familien im Ausland in der Corona-Zeit? Was wünschen sie sich und wie werden sie Weihnachten verbringen? Wir haben uns auf die Suche gemacht und einige Familien in anderen Ländern befragt. Hier berichtet Claudia Ballhause, wie die Situation in Argentinien aussieht.
Claudia Ballhause, 41, ist freie Journalistin. Vor acht Jahren ist sie aus Deutschland nach Argentinien ausgewandert. Zusammen mit ihrem Mann William Soria, 38, und den beiden Kindern Philipp, 6, und Bastian, 4, lebt sie in Córdoba, der zweitgrössten Stadt des Landes. Hier arbeitet William im Controlling. 

Wie ist aktuell die Situation mit dem Coronavirus in Ihrem Land?

Ab Beginn der Pandemie war ganz Argentinien in einem extrem strengen Lockdown. Seit März gibt es im ganzen Land keine Schule, kein Theater, kein Kino, keine Konzerte, etc. Spielplätze und Parks sind geschlossen. Mit den Kindern durften wir erst im Mai wieder aus dem Haus gehen, aber auch nur am Wochenende. Seit Juli ungefähr sind die Angestellten wieder ins Büro zurückgekehrt, obwohl viele Unternehmen weiterhin am Homeoffice festhalten. Familientreffen bis maximal zehn Personen sind auch erst wieder seit ein paar Wochen erlaubt. Die meisten unserer Freunde haben wir seit März nicht mehr gesehen.
Die Fälle sind zum Glück Ende November zurückgegangen, es gibt aber immer noch täglich um die 150 Neuinfektionen in unserer Stadt. Immerhin wird ab Januar der Tourismus innerhalb des Landes ermöglicht, so dass die meisten ein paar Tage Ferien machen können. Denn im Januar und im Februar ist es hier sehr heiss und es ist Haupturlaubszeit. Im Moment warten alle sehnsüchtig darauf, dass die gross angekündigte Impfaktion startet. Wann es soweit ist, ist aber noch sehr ungewiss.

Wie ist die Arbeitssituation bei Ihnen und Ihrem Partner?

Ich bin Freiberuflerin und arbeite zum Glück von zu Hause aus. Mein Mann war von März bis Juli auch im Homeoffice, dann musste er wieder ins Büro.

Wie ist die Kinderbetreuung organisiert?

Es gab hier überhaupt keine Kinderbetreuung, Schule und Kindergarten sind zu. Die Kinder sind seit März zu Hause. Weil mein Mann von 8 bis 17 Uhr arbeitet, habe ich mich um sie gekümmert. Zum Glück hat nur Philipp für die Vorschule jeden Tag Aufgaben bekommen. Seit Dezember dürfen jetzt wieder Kinder in kleinen Gruppen maximal 3 Stunden betreut werden und die Jungs gehen vormittags in ein Sommercamp mit Freibad. 

Wie nah ist Corona? Waren Sie selber schon in Isolation oder Quarantäne?

Wir hören ständig von Fällen, leider auch von Todesfällen, von Bekannten und Freunden. Ein Onkel war länger auf der Intensivstation. Wir selbst waren zum Glück noch nicht betroffen. Aber wir waren schon zweimal isoliert, weil Kollegen von William positiv getestet wurden. Das waren bange Tage.

Weihnachten steht vor der Tür: Wissen Sie schon, wie Sie feiern werden?

Wir werden zu Hause im engsten Familienkreis mit meinen Schwiegereltern und meiner Schwägerin feiern. Meine Mama kann leider nicht aus Deutschland kommen. Für Touristen aus dem Ausland hat sich Argentinien noch nicht geöffnet und ein Flug birgt in der jetzigen Situation auch zu viele Risiken.

Wie erleben Sie die Situation als Ganzes: Hat Corona dem Familienleben ungewohnte Türen geöffnet oder eher für zusätzlichen Stress gesorgt?

Ich finde, beides hat seine Berechtigung. Ich habe die Zeit zu Hause auch genossen. Früher waren wir immer unterwegs und gestresst, um pünktlich ins Büro, Schule und Kindergarten zu kommen. Die vergangenen Monate waren da sehr entspannt. Wir konnten die Kinder geniessen, haben zusammen einen Gemüsegarten angelegt. Seit es wieder geht, waren wir viel mit dem Fahrrad unterwegs und haben gespielt. Aber natürlich war es auch anstrengend. Vor allem die erste Zeit, in der wir überhaupt nicht aus dem Haus durften. Ich weiss nicht, was wir ohne unseren Garten gemacht hätten. Die Kinder haben sehr darunter gelitten, dass ihnen ihr gewohntes soziales Umfeld komplett gefehlt hat und teilweise immer noch fehlt. Grosseltern und Freunde monatelang nicht sehen zu dürfen, nicht in die Schule zu gehen – das war sehr schwierig für sie. Und die Lust auf virtuelle Hausaufgaben und Zoom-Meetings hat auch immer mehr abgenommen. 

Was wünschen Sie sich für 2021?

Normalität. Nach dem Sommer kommt Philipp im März in die Grundschule und Bastian beginnt die Vorschule. Ich wünsche mir, dass sie in die Schule gehen dürfen und nicht wieder virtuellen Unterricht haben. Und wir möchten unbedingt im Juli nach Deutschland fliegen. Ich hoffe, dass das möglich ist.

Lesen Sie in Teil 8 unserer Serie Familien im Corona-Alltag auf der ganzen Welt wie die Situation in Spanien aussieht. Alle bisher erschienen Familienporträts können Sie hier nachlesen: Familien und Corona weltweit.


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