Ab an die Urne: Unsere Teenies gehen wählen!
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Ab an die Urne: Unsere Teenies gehen wählen!

Lesedauer: 2 Minuten

Seit kurzem flattern bei unserer Autorin vier graue Abstimmungscouverts ins Haus: Anderthalb Jahre nach dem Sohn ist nun auch die Tochter volljährig und darf ihre Stimme in die Urne legen. Da werden Erinnerungen an die eigene Jugendrebellion wach. Aber heute ist vieles anders.

Text: Irma Aregger
Bild: zVg

Lang ist es her, als ich zusammen mit meinen Eltern zum ersten Mal an eine eidgenössische Urnenabstimmung schritt. Die zuvor gemeinsam am Küchentisch ausgefüllten und danach feinsäuberlich gefalteten Wahlzettel in den Schlitz der metallenen Kiste schob. Begleitet mit einem Gefühl von Stolz und endlich Erwachsensein.

Meine Voten waren anfänglich Lichtjahre von denen meiner Eltern entfernt, ich hatte mich sehr weit links aus dem Fenster gelehnt, während meine Eltern gequält bürgerlich liberal in der Stube sassen. Ich plädierte für den EU-Beitritt, wollte die Grenzen nicht nur ausloten, sondern öffnen. Ein Europa für alle!

Und schlug danach laut knallend die Türe zu. Ich verstand Vaters Argumente für das Schweizertum überhaupt nicht. Beinahe zu jeder Wahl warf ich das Gegenteil meiner Eltern in die Urne ein. Rebellisch progressiv versus bieder konservativ. Wenn nur Vater und ich abstimmten, weil Mutter ab und zu die Stimme verweigerte, hebelten wir uns gegenseitig aus, sein Ja machte ich mit meinem Nein platt. Das hat richtig Spass gemacht.

Nun ist auch unser Töchterlein, anderthalb Jahre nach ihrem Bruder, in der Volljährigkeit angekommen. Die eine oder andere Abstimmung liegt bereits hinter ihr. Diskutiert wird natürlich auch bei uns am Küchentisch, gerade das Klima ist ein Thema. Es beeinflusst mittlerweile auch dasselbige innerhalb unserer vier Wände. So wird zum Beispiel der Vater genötigt, CO2-Zertifkate für sein grossvolumiges Midlife-Crisis-Vehikel zu kaufen.

Youtube und easyvote statt Zeitung

Aber jetzt, wo unsere Jugend zum ersten Mal den National- und Ständerat wählen darf, also unsere Volksvertreter, ist das Interesse der beiden vorderhand überschaubar. Dabei, so meinen wir Eltern, ist doch gerade diese Wahl für die Zukunft von Sohn und Tochter sehr bedeutend. «Um sich ein Bild zu verschaffen», dozieren wir, «braucht es Zeitungen und Diskussionen in Fernsehrunden oder am Familientisch.» «Nö», entgegnet der Sohn, «wenn uns danach ist, ziehen wir uns auf Youtube entsprechende Beiträge rein.» Schauen geht bei ihm eh besser als lesen.

Es geht ja auch um meine Zukunft, nöd wahr!

Die Tochter hingegen hat sich durch smartvote und easyvote geklickt, die Profile der Kandidatinnen und Kandidaten von ein paar Parteien studiert. Und mit dem Parteienkompass bestätigt bekommen, welche Partei am ehesten zu ihr passt. Sie ist – genau wie alle ihre Klassenkameraden und Freundinnen – bei den Grünen gelandet. Sollte es ihnen gelingen, all die Erstwähler abzuholen, wird sie die stärkste Partei der Schweiz! Die Worte unserer Tochter.

Eine Woche vor dem eidgenössischen Wahltermin füllen wir die Zettel aus. Das geht übrigens – man höre und staune – analog und diesmal gar mit uns im Dialog. Der Sohnemann hat sich in der Zwischenzeit freiwillig mit seinen Freunden ausgetauscht. «Es geht ja auch um meine Zukunft, nöd wahr!», hat er rebellisch gerufen.

Haben wir uns der Meinung unserer Kinder angepasst?

Rebellisch? Die Schlacht am Küchentisch bleibt aus. Wir sind fast überall gleicher Meinung. Dass es jüngere Kandidaten braucht, die neue Ideen in die Politik bringen. Dass Stabilität trotzdem wertvoll ist. Dass wir das Steuer nicht den zu rechten und netten Politikern überlassen wollen, dass die Erhöhung des Frauenanteils eine Selbstverständlichkeit ist. Und wie wichtig eine global koordinierte Umweltpolitik ist.

Schlussendlich hat jeder dieselbe Liste vor sich liegen und steckt sie ins Wahlcouvert. Ohne Streit und Provokation. Ohne Türen zuschlagen und sich aus dem Fenster lehnen: Etwa weil wir Eltern uns der Meinung der Kinder angepasst haben? Aber hey, wo bleibt denn hier der Spass?

Irma Aregger
arbeitet als freischaffende Texterin. Die humorvolle Zürcherin mit Bündner Wurzeln kämpft abwechslungsweise mit dem eigenen Hormonhaushalt oder ihren Kindern auf Tinder, langweilig ist ihr selten.

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