Die digitale Schule - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Die digitale Schule

Lesedauer: 11 Minuten

Schon bald benötigen wir in 90 Prozent aller Berufe digitale Kompetenzen. Wie bereiten die Schweizer Schulen unsere Kinder auf diese Berufswelt vor? Warum ist es so schwierig, digitales Lernen einzuführen? Und lernt man am Tablet besser als mit dem Schulheft? Eine Spurensuche. 

Planarbeit im Hofmatt-Schulhaus Arth, einer Projektschule für «Bring your own device» («Bring dein eigenes Gerät mit»): Auf den Tischen der 5. Klasse liegen Tablets und Smartphones neben Heften und Stiften. Viele der meist 12-jährigen Schüler tragen Kopfhörer. Ein Schüler lümmelt auf dem Fensterbrett, scannt einen QR-Code mit seinem Tablet, schaut sich ein Youtube-Video an und beantwortet Fragen dazu. 

Ein anderer hört einen Text auf Französisch, den der Lehrer in der virtuellen Cloud hinterlegt hat. Gleichzeitig liest er den Text im Arbeitsheft mit und stoppt, um in einer Vokabel-App Wörter nachzuschlagen. Diese schreibt er wiederum mit Bleistift ins Heft.
 
Nebenan hören Schülerinnen mit Kopfhörern gemeinsam ein Diktat auf dem Tablet und schreiben von Hand mit. Ob alles richtig ist, können sie anschliessend selbst kontrollieren – die Datei dazu liegt in der Cloud.


Online-Dossier Medienkonsum

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Dieser Artikel gehört zu unserem Online-Dossier zum Thema Medienkonsum. Erfahren mSie mehr darüber, worauf Eltern bei der Medienerziehung achten müssen und informieren Sie sich zu den aktuellsten Erkenntnissen.


Szenenwechsel, Primarschule Bläsi in Basel. Die Lehrerin Ursula Grunder eröffnet die Programmierstunde. Die Primarschüler sollen mit einer virtuellen Schildkröte eine Blume auf dem Bildschirm zeichnen. «Wer kann mir helfen, mit dem Repeat-Befehl eine Blumenform zu programmieren?» Rascheln. Niemand meldet sich. Sie versucht es anders: «Wie viel Grad macht die Schildkröte, wenn sie sich viermal um 90 Grad dreht?» Jetzt schnellen die Hände in die Höhe. «360 Grad», ruft ein Mädchen. «Sehr gut!», sagt Grunder. «Wenn die Schildkröte 360 Mal einen Schritt macht und sich um ein Grad dreht, dann bekommen wir einen Kreis. Welchen Befehl müssen wir nun der Schildkröte geben, damit sie einen Kreis zeichnet?» Wieder schnellen ein paar Hände hoch. «repeat360 Klammer fd 1 rt 1 Klammer!», tönt es aus der anderen Ecke. «Genau! Super gemacht!» Ursula Grunder dreht sich zur Wandtafel und schreibt den Befehl auf. So geht es weiter, bis die Schüler den ganzen Code haben – dann hopsen die Kinder vom Stuhlkreis zurück an die Rechner, um den Befehl auszuprobieren.

Zwischen verstaubtem PC-Raum und «Bring your own device»

Noch ist das digitale Lernen keine Selbstverständlichkeit in Schweizer Schulhäusern. Aber Projektschulen wie die beiden oben genannten weisen die Richtung, in die es geht: ein selbstverständliches Hin und Her zwischen Heft und Tablet, Primarschüler, die mit ihrer eigenen Programmiersprache die Regeln der Programmierung verstehen lernen. 

Wie digital sind die Schweizer Schulen heute schon? Was können Eltern erwarten? Während in vielen Primarschulen noch analog gelernt wird, kommen Schweizer Schülerinnen und Schüler spätestens in der Sek I und Oberstufe wohl überall mit digitalen Medien in Berührung. Wie viel und was die Kinder am Computer machen, ob sie auf alte Schulgeräte im Computerraum oder das Handy zugreifen und wie schnell ihre Internetverbindung ist, ist allerdings extrem unterschiedlich. Es hängt von der Schule und vor allem von der jeweiligen Lehrperson und ihrer Technikaffinität ab.
Programmierunterricht an einer Basler Primarschule. Foto: Christian Aeberhard / 13 Photo
Programmierunterricht an einer Basler Primarschule. Foto: Christian Aeberhard / 13 Photo
Mit der Einführung des Moduls «Medien und Informatik» des Lehrplans 21 werden Lernziele rund um digitale Medien allerdings fest in der Volksschulbildung verankert. Ein grosser Teil der Kantone hat diesen Lehrplan unterzeichnet und setzt ihn Schritt für Schritt um. Demnach lernen Schülerinnen und Schüler künftig schon in der Primarstufe Anwendungskompetenzen und das kritische Hinterfragen von Medien. Und sogar der Bereich Informatik ist mit Grundkenntnissen von Programmiersprachen enthalten. (Mehr zum neuen Medienmodul im Lehrplan 21.) Diese digitale Bildung wird im Lehrplan als eine Notwendigkeit beschrieben, um die Schülerinnen und Schüler auf die immer stärker digitalisierte Berufswelt vorzubereiten. Nach EU-Schätzungen erfordern bald 90 Prozent aller Berufe digitale Kompetenzen.

Die pädagogischen Hochschulen (PH) bieten eine Weiterbildung für Lehrpersonen an, die «Medien und Informatik» unterrichten werden und oft gerade im Bereich Informatik Wissenslücken aufweisen. Laut Rahel Tschopp, Bereichsleiterin Medienbildung und Informatik an der PH Zürich, füllen sich die Plätze für diese Weiterbildung sehr schnell,  und auch in der Grundausbildung für neue Lehrpersonen erhält der Bereich einen immer grösseren Stellenwert. Ziel sei, dass mittelfristig alle Lehrpersonen über die erforderlichen Kompetenzen verfügen, Inhalte aus Medienbildung und Informatik in den Unterricht einzubringen. Momentan würden dies vor allem Lehrerinnen und Lehrer mit einer Affinität für Medien und Informatik oder einer abgeschlossenen Weiterbildung umsetzen, so Rahel Tschopp.

Digitales Lernen: Individuell und integrativ

Die Digitalisierung der Schule hat viele Fürsprecher, zum Beispiel den ETH-Informatikprofessor Juraj Hromkovič: «Die Informatik fördert wichtige Grundkompetenzen wie eigenständiges und kritisches Denken. Darum ist sie für mich so wichtig wie Sprach- und Matheunterricht», sagte er in einem Interview mit Fritz+Fränzi. Lehrpersonen wie der Zürcher Gymnasial­lehrer Philippe Wampfler, die digitale Medien schon selbstverständlich im Unterricht nutzen, sind überzeugt: Das Digitale macht die Schulen besser.
 
Ein Argument für die digitale Schule: Digitale Lernprogramme passen sich individuell an den Leistungsstand des einzelnen Schülers an und senden gleichzeitig die Ergebnisse an die Lehrperson, die dann besser auf Stärken und Schwächen eingehen kann. 

Jörg Dräger von der Bertelsmann-Stiftung sieht darin gar einen Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit in der Schule: «Die Digitalisierung macht gute Bildung für alle möglich.» In der Basler Primarschule Bläsi betonen die Lehrpersonen den integrativen Aspekt: Beim Programmieren können auch Schülerinnen und Schüler mit schwachen Sprachkenntnissen Erfolgserlebnisse haben. Die Schweizer Schülerinnen und Schüler seien für einmal nicht im Vorteil. 

Medienbildung funktioniert nur, wenn Schule und Elternhaus zusammen arbeiten.

Doch längst nicht alle sehen die Entwicklung hin zur digitalen Schule so positiv. Während so manchen Eltern die Entwicklung gar nicht schnell genug gehen kann, verstehen andere nicht, dass das Kind jetzt auch noch in der Schule am Handy hängen soll, wenn es das doch zu Hause schon zwei bis drei Stunden am Tag macht. Die Zahl stammt aus der repräsentativen JAMES-Studie 2016, in der Schweizer Jugendliche zu ihrem Medienverhalten befragt wurden.

Als in den Schulgebäuden leistungsstarke WLAN-Geräte installiert werden sollten, regte sich an einigen Orten sehr starker Widerstand, weil die Eltern eine grosse Strahlenbelastung der Kinder fürchteten. «Dafür haben wir inzwischen eine Lösung gefunden», sagt Schulleiterpräsident Bernard Gertsch: Statt einem starken Gerät werden mehrere schwächere Geräte installiert, die sich nur einschalten, wenn sie genutzt werden. 

Für andere Reibungspunkte mit dem Elternhaus gibt es allerdings keine so einfache Lösung. «Wir sind uns bewusst, dass die Mediennutzung neben den Hausaufgaben der zweite grosse Bereich ist, in welchem Schule in den privaten Bereich übergreift – und wir sind hier auf die Mitarbeit der Eltern angewiesen», sagt Bernard Gertsch. Für «Bring your own de­vice»-Unterricht zum Beispiel brauchen die Kinder ein eigenes Gerät. Besitzen sie keines, dürfen sie Schultablets mit nach Hause nehmen und nutzen – selbst dann, wenn die Eltern noch warten wollten mit der Einführung eines solchen Gerätes. 

Medienerziehung = Elternsache, Medienbildung = Schulaufgabe? So einfach ist das nicht mehr.

Bis vor Kurzem noch ging man davon aus: Medienerziehung ist Elternsache. Zu Hause wird demnach geklärt, welche Webseiten und Programme genutzt werden dürfen und wann das Gerät ausgeschaltet sein muss. Die Schule hingegen unterstützt die Eltern, indem sie Schülerinnen und Schülern Medienkompetenz beibringt. Hier klärt man Fragen wie: Welche Mechanismen stecken hinter den Programmen und Internetanwendungen? Wo findet man verlässliche Informationen und wie erkennt man Fake-News?

So weit die Theorie. In der Praxis aber sind die Grenzen längst flies­­send: Lehrpersonen fordern auf, bestimmte Programme zu installieren, die sie für die gemeinsame Arbeit brauchen, und sie sprechen mit den Kindern darüber, welche Regeln sinnvoll sind, damit die Ge­­räte keinen Stress auslösen. Gleichzeitig haben sie damit zu kämpfen, wenn Schülerinnen und Schüler von klein auf Mediengeräte unreguliert nutzen konnten. Diese haben oft wenig Verständnis dafür, wenn sie einmal etwas im Kopf rechnen oder etwas von Hand schreiben sollen.

Ist das noch Unterricht, oder ist das schon Freizeit? Im Hofmatt-Schulhaus in Arth schaut ein Schüler gemütlich ein Youtube-Video auf seinem eigenen Gerät - um anschliessend Fragen dazu zu beantworten. Foto: Salvatore Vinci / 13 Photo
Ist das noch Unterricht, oder ist das schon Freizeit? Im Hofmatt-Schulhaus in Arth schaut ein Schüler gemütlich ein Youtube-Video auf seinem eigenen Gerät – um anschliessend Fragen dazu zu beantworten. Foto: Salvatore Vinci / 13 Photo
Neben den Eltern sind auch viele Lehrpersonen skeptisch bis kritisch, wenn es um die Nutzung von digitalen Medien im Unterricht geht. Das liegt zum einen daran, dass sich laut einer Studie von Ralf Biermann (2009) häufig gerade die Menschen für den Lehrberuf entscheiden, die Medien ohnehin schon kritisch gegenüberstehen. «Sie haben selbst positive Erfahrungen mit der analogen Schule gemacht und werden Lehrerinnen, um das weiterzugeben. Nicht um etwas zu ändern», fasst Philippe Wampfler, Lehrer und Medienpädagoge, die Situation im Interview zu­­sammen.

Für die Lehrpersonen ändert sich mit der Digitalisierung der Schulwelt auch ihre Rolle: Sie sind nicht mehr die einzige Wissensquelle, sondern Begleiter und Coach, wenn Kinder sich Wissen selbst aneignen und Aufgaben lösen. Sie zeigen Kindern, wie man Informationen be­­wertet und verarbeitet, müssen aber auf der anderen Seite akzeptieren, dass viele Kinder und Jugendliche ihnen in der flinken Handhabung der digitalen Geräte voraus sind.

Machen Medien nun dumm oder kreativ?

In den konträren Meinungen von Eltern und Lehrpersonen spiegelt sich ein Kulturkrieg wider, der rund um die Digitalisierung tobt. Auf der einen Seite stehen die Technikbegeisterten, die davon schwärmen, dass dank spielerischer Programme auf dem Smartphone sogar unbeliebte Aufgaben gerne gelöst werden. Auf der anderen Seite Psychiater und Kinderärzte, die vor den Folgen von zu hohem Medienkonsum warnen. 

Der bekannteste Kritiker, Hirnforscher Manfred Spitzer, schreibt in Büchern wie «Digitale Demenz» und «Cyberkrank», dass Computer die Auseinandersetzung mit der wirklichen Welt und damit das wichtigste geistige Training verhindern. «Wenn ich Informationsverarbeitung nicht im Gehirn, sondern im Computer betreibe, hat das Gehirn nichts gelernt», sagte er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Unter Wissenschaftlern jedoch sind seine Thesen umstritten. Und mehr noch die Schlüsse, die er daraus zieht, nämlich, dass Computer in Schulen nichts verloren hätten.

Kritiker wie Befürworter der Digitalisierung führen sich widersprechende Studien ins Feld und werfen der jeweils anderen Seite vor, bestechlich und tendenziös zu sein. Das verunsichert Eltern zusätzlich. Wer in der Diskussion etwas genauer hinsieht, bemerkt allerdings, dass die Seiten häufig von verschiedenen Annahmen ausgehen. Medienpädagogen und technikbegeisterte Lehrer sprechen oft davon, dass Schüler die Medien als Hilfsmittel nutzen sollen, um etwas zu produzieren: Präsentationen vorbereiten, Informationen zusammentragen, Aufgaben lösen und sofort Feedback erhalten. Kritiker hingegen sprechen vom Medienkonsum zur Unterhaltung, der dick, dumm und unglücklich macht.

Tatsächlich zeigt auch die JAMES-Studie, dass viele Jugendliche in ihrer Freizeit Medien hauptsächlich passiv konsumieren. Die internationale Vergleichsstudie zur Medienkompetenz eines unabhängigen Verbunds wissenschaftlicher Institutionen für Bildungsforschung (ICILS) zeigte 2013: Die Digitalkompetenz der «Digital Natives» geht über das Öffnen einer E-Mail nur selten hinaus. Davon, gefährliche Inhalte zu erkennen oder selbst eine Webseite zu gestalten, sind viele Jugendliche weit entfernt. 

«Wir wollen den Mediengebrauch nicht forcieren, sondern Medien dort verwenden, wo sie Sinn machen.»

Bernard Gertsch, Schulleiterpräsident


Spricht das nicht umso mehr dafür, Kindern in der Schule einen kritischen und kreativen Umgang mit Medien beizubringen? Manfred Spitzer tut dieses Argument in einem «Zeit»-Interview mit den Worten ab: «Medienbildung? Hier geht es doch nur darum, die Kinder anzufixen.» Man gebe Kindern doch auch keinen Alkohol, um Suchtprävention zu betreiben, so der Hirnforscher. «Ein völlig verkürztes Verständnis von Medienbildung», meint  dazu Thomas Merz, Medienpädagoge und Prorektor der Pädagogischen Hochschule Thurgau.

Schulleiterpräsident Bernard Gertsch sieht die ganze Diskussion unaufgeregt: «Die Digitalisierung betrifft uns alle, die Schule ist als Teil der Gesellschaft verpflichtet mitzumachen. Wir wollen den Mediengebrauch der Kinder nicht forcieren, sondern Medien dort verwenden, wo sie Sinn machen», sagt er. Rahel Tschopp von der PH Zürich sagt, sie möchte die Eltern mit ins Boot holen und sie von der Wichtigkeit von digitalen Medien in der Schule überzeugen: «Die Kinder nutzen die Geräte ohnehin. In der Schule können Lehrpersonen sie dafür sensibilisieren, dies kompetenter und bewusster zu tun, und ihnen Wissen zur Funktionsweise von Medien vermitteln.» 

Was kann Digitalisierung leisten? Interview mit Prof. Beat Döbeli Honegger; Pädagogische Hochschule Schwyz

Schulsponsoring: Wenn Firmen die Ausrüstung bezahlen

Unbestritten ist, dass sich mit dem Einsatz neuer Medien in der Schule auch neue Fragen stellen. Wie geht man zum Beispiel mit den Unternehmen um, die im Schulzimmer einen neuen Markt wittern und grosszügige Sponsoring-Angebote an die Schulhäuser schicken? Potenzial gibt es in der Schweiz genug. Laut Schulleiterpräsident Gertsch herrscht tendenziell ein Stadt-Land-Gefälle, was die technische Ausstattung der Schulen angeht. Mittel zur Ausstattung machen grosse Firmen schnell und unkompliziert locker. Die Finanzierung mit Geldern aus Schulgemeinde und Kanton ist hingegen komplex und langwierig. Spezielle Bundesmittel für die Umsetzung des Lehrplans 21 gab es bisher nicht.
 
Für die Konzerne ist Schulsponsoring eine gute Sache: Ihre Namen werden schon früh in den Köpfen der Kinder verankert, und die Firmen können sich die Finanzierung gleichzeitig als gesellschaftliches Engagement auf die Fahnen schreiben.

Laut New York Times gibt es in den USA einige Schulen, die sich ihre PC- und Internetausstattung komplett von Google finanzieren lassen. Das Ergebnis: Die Schüler haben Google als Synonym für «gute Technologie» abgespeichert. In der Schweiz gibt Samsung nach SRF-Informationen zum Beispiel pro Jahr etwa eine halbe Million Franken aus, um Schüler mit Tablets auszustatten, eine Studie zu finanzieren, die untersucht, wie sich dadurch der Unterricht verändert, und die Lehrerausbildung an der PH Zürich zu unterstützen. Swisscom sponsere den Schulen Leistungen im Wert von jährlich 20 Millionen Franken, unter anderem den schnellen Internetanschluss.

Wenn die Schülerinnen und Schüler sich erst einmal an ein be­­stimmtes Gerät oder Programm ge­­wöhnt haben, dürfen sich die Hersteller Hoffnungen machen, dass sie dieses auch nach ihrer Schulzeit kaufen werden. Microsoft beispielsweise stellt Lehrpersonen und Schülerinnen neben Schulungen auch kostenlose Office-Pakete zur Verfügung. Diese laufen mit Ende der Schulzeit aus. «Das ist eine Win-win-Situation», sagt Marc Weder, Geschäftsbereichsleiter Bildungskunden bei Microsoft Schweiz.

QR-Codes auf individuellen Arbeitsblättern und digitale sowie analoge Lernmittel nebeneinander: So könnte das Lernen der Zukunft aussehen. Foto: Salvatore Vinci
QR-Codes auf individuellen Arbeitsblättern und digitale sowie analoge Lernmittel nebeneinander: So könnte das Lernen der Zukunft aussehen. Foto: Salvatore Vinci
Wie viel Schulsponsoring erlaubt ist und ob die Schulen das tatsächlich nutzen, ist sehr unterschiedlich, und noch wird keine Statistik dar­über geführt. In der Romandie ist die Gesetzgebung sehr viel strenger als in der Deutschschweiz, in der Waadt ist das Schulsponsoring gesetzlich komplett verboten.

Um einer Vereinnahmung der Schulen durch Unternehmen ent­gegenzuwirken haben der Dach­verband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH, die Jacobs Founda­tion und die Mercator-Stiftung eine Charta aufgesetzt, die viele Firmen unterzeichneten, die mit Schulen zusammenarbeiten. Darin verpflichten sie sich, unter anderem auf Product Placement und das Verteilen von Vergünstigungen für Produkte zu verzichten. So soll eine zu starke Werbewirkung durch Kooperationen ausgeschlossen werden.

Der gläserne Schüler und seine Daten

Eine weitere sensible Frage lautet: Wie werden die Daten in einer digitalisierten Schule geschützt? Solange Klassenarbeiten nur in Hefte ge­schrieben wurden und auch Einträge bei schlechtem Benehmen nur im Klassenbuch der Lehrperson zu finden waren, bedurfte es noch eines grossen Aufwandes, diese Daten zu kopieren und zu verbreiten. Heute haben einige Kantone eine digitale ID eingeführt, die jedem Schüler und jeder Lehrperson seine/ihre Daten eindeutig zuordnet. Die ID soll einen Schulwechsel erleichtern, auch kantonsübergreifend. Hier gibt es klare Regeln, welche Daten verschlüsselt sein müssen und welche nicht.

Wenn Schülerinnen und Schüler allerdings im Unterricht ins Internet gehen, ob für eine Recherche oder um bestimmte Programme in einer internetbasierten Cloud zu nutzen, hinterlassen sie auch dort eine Datenspur. Marc Weder von Microsoft versichert, dass Daten in der Microsoft-Cloud Office 365 entsprechend den Richtlinien des Verbandes Schweizer Datenschützer gespeichert werden. Nur: Lehrerinnen und Lehrer benutzen an Schweizer Schulen auch sehr oft Programme von Firmen, die keine Charta unterzeichnet haben oder nicht den Datenschutzrichtlinien der Schulen entsprechen – Google, Dropbox oder die iCloud zum Datenaustausch zum Beispiel. Diese haben ihre Datenserver in den USA. In einer Schweizer Schule dürften sie daher offiziell nicht verwendet ­werden.

Eine gute Lehrperson macht den Unterschied – und kennt sich mit neuen Medien aus!

Ein weiteres Problem: Der einzelnen Lehrperson wird beim Unterrichten nicht auf die Finger geschaut. Und wie bereits erwähnt, ist nicht jeder, der den Lehrberuf ergreift, ein Freund des Einsatzes neuer Medien und kennt sich gut aus. Leitfäden zu den Themen Datenschutz und Sponsoring geben eine Orientierungshilfe, aber die tatsächliche Umsetzung liegt bei der einzelnen Lehrperson. Sie entscheidet darüber, ob die Geräte sicher, gewinnbringend und pädagogisch sinnvoll eingesetzt werden. Oder um es mit den Worten von Schulleiterpräsident Bernard Gertsch zu sagen: «Es gibt bisher keine überzeugenden Langzeitstudien, die uns zeigen, dass man mit digitalen Medien besser lernt – aber sehr viele, die zeigen, dass eine gute Lehrperson einen Unterschied macht.»

Da die Digitalisierung der Schulen in vollem Gang ist, wird sich eine gute Lehrperson mindestens genauso stark mit den Chancen und Risiken der «Generation Smartphone» auseinandersetzen müssen wie die Eltern der Kinder. Denn die digitale Welt ist zu komplex und zu wichtig, als dass wir unsere Kinder damit alleine lassen sollten.


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