Das ist die perfekte (Lehr-)Stelle

Bild: Rawpixel.com (Symbolbild)
Das ist die perfekte Stelle, das ist der perfekte Tag … als die Tochter unseres Papa-Bloggers Andreas B. endlich eine passende Lehrstelle findet. Der Weg bis dorthin: Ein nervenaufreibender Wellenritt durch die Lehrstellensuche!
Doch der Reihe nach …
Etwas vom Wichtigsten für Eltern ist, dass aus ihren Kindern etwas wird. Wir möchten, dass sie einen guten Beruf erlernen, der ihnen nicht nur ein gutes Auskommen erlaubt, sondern auch Erfüllung verschafft. Ich hätte mir gewünscht, dass meine beiden Töchter das Gymnasium besuchen und anschliessend studieren. Schliesslich entsprach dies meinem eigenen Ausbildungsweg und wenn ich das geschafft hatte, dann würden die beiden es auch schaffen.
Leider ging das Praktikum voll in die Hosen und nach zwei Monaten wurde es in beidseitigem Einverständnis beendet. Na bravo! Was nun? Schulabbruch, Praktikumsabbruch, kein Geld, nichts tun, herumhängen – (m)eine Horrorvorstellung! Die Situation war weiter unbefriedigend, da die guten Lehrstellen für das laufende Jahr schon vergeben waren und bis zum Beginn der neuen Ausbildungsplätze noch gut und gerne 17 Monate ins Land ziehen würden. Diese lange Zeit sinnvoll zu überbrücken, war nun die erste Herausforderung, der wir uns stellen mussten.
Erstes Date: Berufsberatung
Anaïs zeigte null Elan und ich kam mir bisweilen vor wie ein Eselstreiber, mit einem extrem störrischen Esel notabene, der sich keinen Zentimeter vorwärts bewegen wollte. Schliesslich konnte sie in fünf Betrieben fünf unterschiedliche Berufe erschnuppern. Am besten gefiel ihr zu meinem Erstaunen «Kauffrau», eine Lehre, die sie absolut nicht auf dem Radar hatte und die auch überhaupt nicht in das Raster der Berufsberatung passte. Doch sie durfte bei einer Versicherung eine ganze Woche schnuppern und als Dankeschön einen Manor-Gutschein im Wert von 200 Franken entgegennehmen. Das war genau nach Anaïs’ Gusto und jetzt stand fest, dass sie eine Lehrstelle als Kauffrau suchen möchte.
Es war allerdings noch zu früh für die Lehrstellensuche, da die Rekrutierung der Lehrlinge gerade erst abgeschlossen war und die Selektion der neuen Lehrlinge erst später startete. Es hiess jetzt also: «arbeiten und Geld verdienen». Das allerdings nicht zu 100 Prozent, damit noch genug Zeit blieb, um Bewerbungen zu schreiben und Vorstellungsgespräche wahrzunehmen. Selbstverständlich war ich auch jetzt die treibende Kraft dahinter, habe Praktikumsbetriebe eruiert und Anaïs motiviert, sich zu bewerben. Tatsächlich wurde sie fündig und zwar auf unserer Wohngemeinde, wo sie ein 12-monatiges Praktikum mit einem 70-Prozent-Pensum und einem stattlichen Monatssalär ergatterte. Anaïs begann ihr Praktikum euphorisch. Doch leider bewahrheiteten sich meine Befürchtungen und sie fing schon nach kurzer Zeit an zu «schwächeln». Das Praktikum erneut abzubrechen, war ein absolutes No-go und als sie eine Haaresbreite davor war aufzugeben, schaltete ich einen Gang hoch.
Gutes Zureden und Motivieren halfen nicht mehr. Unter Androhung, den Geldhahn im Falle einer Aufgabe mit sofortiger Wirkung einzustellen und sie vor die Türe zu stellen, geschah das Wunder und Anaïs schaffte die Wende. Sie zog das Praktikum bis zum Schluss durch und bekam sogar noch ein gutes Abschlusszeugnis. Für ihre persönliche Entwicklung war das ein wichtiger Schritt und mir fiel ein Felsen vom Herz.
Frisch gewagt ist halb gewonnen oder doch zerronnen?
Nach einem Monat ist Anaïs noch immer top motiviert und zufrieden mit der Wahl ihrer Lehrstelle. Dass ich seither kaum mehr Fleisch zubereiten darf und Anaïs ihre teure Jacke mit Echtfell weggeben möchte, sind Dinge, die ich gerne in Kauf nehme.
Nichtsdestotrotz mache ich gedanklich jeden Morgen ein Kreuz an die Decke und bereite mich mental vor auf die Lehrstellensuche meiner zweiten Tochter Olivia. Sie möchte etwas mit Menschen machen …
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