Corona-Krise: Gibt es noch genug Lehrstellen?
Die Corona-Pandemie hat tiefgreifende Auswirkungen auf den Arbeits- und Lehrstellenmarkt. Was bedeutet das für junge Menschen, die eine Lehrstelle suchen, bereits in der Lehre sind oder diese soeben abgeschlossen haben? Fünf Fragen – fünf Antworten.
1. Wie viele Lehrstellen fehlen?
Laut dem Lehrstellen-Monitoring des Bundes wurden bis Anfang Juli 3 Prozent weniger Lehrstellen besetzt als zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr. Der Lehrstellenpuls von Yousty und der ETH hat errechnet, dass bis im Juni 3 Prozent der Lehrstellen aufgehoben worden und 1,7 Prozent gefährdet sind. Die Situation ist angespannt, aber nicht dramatisch. Was zu beachten ist: Trotz Kurzarbeitsentschädigungen und Corona-Krediten werden mehr Unternehmen konkurs gehen als sonst, darunter auch Lehrbetriebe.
2. Was sind die Prognosen für 2021?
Der Bildungsökonom Stefan Wolter hat aufgrund früherer Rezessionen in der Schweiz ermittelt, dass in den nächsten fünf Jahren 5000 bis 25 000 Lehrstellen verloren gehen könnten. Der minimale Einbruch wäre verkraftbar (2019 konnten über 10 000 Lehrstellen nicht vergeben werden). Das negativste Szenario könnte dazu führen, dass während mehrerer Jahre weniger Lehrstellen angeboten würden, als es braucht.
3. Wie ist die Situation für jene, die ihre Lehre soeben abgeschlossen haben?
Laut Lehrstellenpuls werden bis zu 25 Prozent weniger Ausgelernte im Lehrbetrieb weiterbeschäftigt als in normalen Zeiten. Stattdessen konkurrieren sie auf dem Arbeitsmarkt mit den anderen Fachkräften um ein – gemäss Prognosen – ebenfalls schwindendes Stellenangebot.
4. Werden die weniger beliebten Lehrberufe nun beliebter?
Bis jetzt nicht. Handwerkliche und gewerbliche Berufslehrstellen sind weiterhin schwer zu besetzen. In diesen schwieriger werdenden Zeiten könnte es sich lohnen oder sogar nötig werden, einen anderen als den Wunschberuf zu lernen. Dies im Wissen, dass einem nach dem Lehrabschluss viele Weiterbildungsmöglichkeiten offenstehen und die Corona-Krise irgendwann vorüber sein wird.
5. Gibt es staatliche Unterstützung für die Lehrstellensuchenden und Ausgelernten?
Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation hat bekannt gegeben, dass sich der Bund, falls nötig, finanziell an Projekten beteiligen werde, die Schul- und Lehrabgängerinnen bei der Stellensuche unterstützen. Hervorgehoben wurde die Seco-Partnerorganisation «Check Your Chance» (check-your-chance.ch). Erste konkrete Massnahme: Für den Lehrbeginn im August 2020 dürfen bis im Oktober Verträge unterschrieben werden.
Jugendliche erzählen:
- «Ich mache jeden Tag etwas Neues»
Pedro Lopes, 19 aus Luterbach SO, ist Sanitärinstallateur im dritten Lehrjahr. Für seine berufliche Zukunft hat er sehr konkrete Vorstellungen. - «Es gibt noch viel zu lernen»
Marc Roth, 17, aus Oberhelfenschwil SG, will Hufschmied werden und später einen eigenen Betrieb führen. - «Meine Eltern sind sehr stolz auf mich»
Farzana Ahmadi, 26, aus Umiken AG, ist Assistentin Gesundheit und Soziales EBA. Sie vermisst ihre Heimat Iran und sagt, die Menschen im Pflegeheim hälfen ihr, sich weniger allein zu fühlen. - «Ich durfte nur einmal messen und musste mich sehr konzentrieren»
Anouk Zaugg, 16, aus Brugg AG, absolvierte eine Schnupperlehre als Hochbauzeichnerin. Und ist glücklich, nach dem positiven Bescheid die Lehre in ihrem Wunschberuf machen zu dürfen. - «Ich erkläre den Kunden, was erlaubt ist – und was nicht»
Daniel Wiederkehr, 26, aus Rotkreuz ZG, arbeitet heute als Sicherheitstechniker. Während der Ausbildung lief nicht alles rund. - «Grosse Gegenstände zerlegen, das gefällt mir»
Bianca Jöhr, 16, aus Worb BE, arbeitet als Recyclistin EFZ im ersten Lehrjahr. Dabei wollte sie zuerst Coiffeuse werden. - «Ich hatte eine schwierige Zeit, nicht nur, weil ich keine Lehrstelle fand»
Colin Spilek, 16, aus Nufenen GR, ist Berufswahlschüler und fühlt sich pudelwohl. Die Suche nach einer Lehrstelle fiel mit seinem Coming-out als Transgender zusammen – keine einfache Zeit.