Schritt 4: Die Schnupperlehre
Schnupperlehre: eine Nase voll Arbeitsluft
Eine Schnupperlehre, auch Berufswahlpraktikum genannt, gibt einen ersten Eindruck vom Arbeitsleben, von einem Beruf und vom Klima im möglichen Lehrbetrieb. Sie ist so etwas wie der ultimative Realitätscheck für junge Lehrstellensuchende.
Die Schnupperlehre ist der Wendepunkt bei der Berufswahl. Endlich werden aus Vorstellungen, Broschüren und Internetvideos reale Eindrücke, endlich erfährt man am eigenen Leib, was es heisst, als Automechanikerin, Fachangestellter Betreuung oder Interactive Media Designer zu arbeiten. Fast jede und jeder Lernende hat sich in einem Berufswahlpraktikum für einen Beruf entschieden, oft auch für den Lehrbetrieb.
«Die Schnupperlehre ist der Realitätscheck», erklärt Berufsberaterin Sigrid Weber. Dass die Tage im Betrieb auch mal unangenehm sein können, die Arbeit keinen Spass macht oder man feststellt, dass man sich den Beruf ganz anders vorgestellt hat, gehört dazu. Es ist sogar entscheidend für eine stimmige Berufswahl, dass man auch herausfindet, was man nicht will.
Eine gut verlaufene Schnupperlehre ist in der Regel Voraussetzung für einen Lehrvertrag.
Auch für die Lehrbetriebe sind Schnupperlehren wichtig. Aufgrund der Bewerbungsdossiers können sie eine Selektion vornehmen. Wem sie die Lehre zutrauen und einen Vertrag anbieten, entscheiden sie in der Regel aufgrund des Eindrucks, den die Kandidatin oder der Kandidat an den Tagen in der Werkstatt, im Laden oder in der Praxis gemacht hat.
Eine gut verlaufene Schnupperlehre ist in der Mehrheit der Betriebe Voraussetzung für die Vergabe der Lehrstelle. Viele Lehrbetriebe wollen deshalb schon für diesen kurzen Einblick eine detaillierte Bewerbung. Dafür geben sie am Ende auch ein fundiertes Schnupperlehrzeugnis ab. Die Schnuppernden sollten ein Tagebuch führen, in dem sie täglich ihre Eindrücke notieren: was ihnen gefallen hat, schwierig oder unangenehm war. Dies hilft, sich darüber klar zu werden, in welchem beruflichen Umfeld man die nächsten Jahre verbringen will.
Es werden drei Formen von Schnupperlehren unterschieden:
- Im meist eintägigen Schnupperbesuch wollen Jugendliche einen ersten Eindruck von einem Beruf gewinnen.
- Die Berufswahl-Schnupperlehre kann zwei bis fünf Tage dauern und soll einen vertieften Einblick in die berufliche Realität bieten.
- In der Bewerbungs-Schnupperlehre wollen die Verantwortlichen des Betriebs und ihr Schnupperstift herausfinden, ob sie zueinander passen.
Es empfiehlt sich deshalb, von Anfang an klarzumachen, an welchem Punkt in der Berufswahl man steht. Es ist aber auch nach einer positiv verlaufenen Bewerbungs-Schnupperlehre erlaubt, den angebotenen Lehrvertrag abzulehnen.
8 Tipps für die Schnupperlehre
- Bevor Sie die Schnupperlehre antreten: Schreiben Sie auf, was Sie über den Beruf herausfinden wollen.
- Nicht alle Fragen klären sich bei der Arbeit. Fragen Sie nach.
- Schreiben Sie jeden Abend Ihre Eindrücke auf. Was hat Ihnen gefallen, was nicht? Können Sie sich vorstellen, in diesem Betrieb zwei, drei oder vier Jahre zu verbringen?
- Seien Sie Sie selbst. Nur so lernen Ihre Vorgesetzten Sie kennen.
- Sind Sie scheu? Dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als sich zu überwinden.
- Alles erledigt? Fragen Sie nach weiteren Aufgaben oder nach Arbeiten, bei denen Sie zuschauen können.
- Nach Beendigung der Schnupperlehre: Bitten Sie um eine schriftliche Beurteilung Ihrer Leistung.
- Eine nicht gut verlaufene Schnupperlehre ist kein Unglück. Schreiben Sie auf, was nicht gut war, was Sie verbessern können und was im Betrieb anders sein muss, damit Sie sich wohlfühlen.
Lesen Sie mehr zum Thema Berufswahl:
- Schritt 1: Eigene Interessen und Stärken kennenlernen
Bevor Jugendliche entscheiden können, welche Ausbildung sie nach der Sekundarschule in Angriff nehmen wollen, müssen sie ein paar grundlegende Fragen an sich selber beantworten. Keine leichte Aufgabe mitten in der Pubertät, die ohnehin schon voller Fragen ist. - Schritt 2: Berufe und Ausbildungen kennenlernen
In die Lehre oder weiter zur Schule? Diese Frage stellen sich viele in der Oberstufe. Dabei schliessen sich die beiden Wege nicht aus. Die wichtigsten Bildungsangebote im Überblick. - Schritt 3: Eigene Stärken mit den Anforderungen von Berufen und Ausbildungen vergleichen
Jede Berufslehre und jede Schule hat ihre spezifischen Anforderungen. Für junge Berufssuchende bedeutet das, dass sie entweder intensiv an ihren Fähigkeiten arbeiten oder sich eine weniger anforderungsreiche Berufslehre suchen sollten. - Schritt 4: Interessante Berufen in einer Schnupperlehre kennenlernen
- Schritt 5: Mögliche Berufe und Ausbildungen überprüfen und eine Entscheidung fällen
Berufsberaterin Sigrid Weber kennt die Qual der Berufswahl, die viele Jugendliche durchleben. Lieblingsfächer und Hobbys seien erste Hinweise auf die passende Ausbildung, in Schnupperlehren lasse sich viel lernen – und manchmal helfe auch ein Münzwurf, sagt die Psychologin. Bei der Entscheidung müsse aber vor allem das Gefühl stimmen. - Schritt 6: Eine Lehrstelle suchen oder sich bei einer Schule anmelden
Nach der Wahl des passenden Berufs folgt die Suche nach dem geeigneten Lehrbetrieb. Gross oder klein, familiär oder formell, hierarchisch oder kollegial? Je mehr verschiedene Formen man durch Schnuppern kennenlernt, desto besser weiss man, was einem zusagt. - Schritt 7: Sich auf die Lehre oder Schule vorbereiten oder Brückenangebote abklären
Das zehnte Schuljahr gilt als Notlösung für die, die keine Lehrstelle gefunden haben. In Wahrheit ist es ein sinnvolles Bildungsangebot, um schulische und andere Lücken zu schliessen oder in der Berufswahl zu einer Entscheidung zu gelangen. Weitere Brückenangebote helfen, wertvolle Kenntnisse zu gewinnen und Weichen zu stellen.
Das sagen die Jugendlichen:
- «Ich mache jeden Tag etwas Neues»
Pedro Lopes, 19 aus Luterbach SO, ist Sanitärinstallateur im dritten Lehrjahr. Für seine berufliche Zukunft hat er sehr konkrete Vorstellungen. - «Es gibt noch viel zu lernen»
Marc Roth, 17, aus Oberhelfenschwil SG, will Hufschmied werden und später einen eigenen Betrieb führen. - «Meine Eltern sind sehr stolz auf mich»
Farzana Ahmadi, 26, aus Umiken AG, ist Assistentin Gesundheit und Soziales EBA. Sie vermisst ihre Heimat Iran und sagt, die Menschen im Pflegeheim hälfen ihr, sich weniger allein zu fühlen. - «Ich durfte nur einmal messen und musste mich sehr konzentrieren»
Anouk Zaugg, 16, aus Brugg AG, absolvierte eine Schnupperlehre als Hochbauzeichnerin. Und ist glücklich, nach dem positiven Bescheid die Lehre in ihrem Wunschberuf machen zu dürfen. - «Ich erkläre den Kunden, was erlaubt ist – und was nicht»
Daniel Wiederkehr, 26, aus Rotkreuz ZG, arbeitet heute als Sicherheitstechniker. Während der Ausbildung lief nicht alles rund. - «Grosse Gegenstände zerlegen, das gefällt mir»
Bianca Jöhr, 16, aus Worb BE, arbeitet als Recyclistin EFZ im ersten Lehrjahr. Dabei wollte sie zuerst Coiffeuse werden. - «Ich hatte eine schwierige Zeit, nicht nur, weil ich keine Lehrstelle fand»
Colin Spilek, 16, aus Nufenen GR, ist Berufswahlschüler und fühlt sich pudelwohl. Die Suche nach einer Lehrstelle fiel mit seinem Coming-out als Transgender zusammen – keine einfache Zeit.