Mama, Papa, erzählt doch mal, wie ihr als Kinder wart!

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren
Seit Jahrtausenden geben Menschen Wissen, Werte und Erfahrungen über Erzählungen weiter. Eine Tradition, die wichtig für den Familienalltag ist, denn sie fördert die Selbstwirksamkeit Ihres Kindes.
Die spannenden Elemente führen zu einer vermehrten Ausschüttung des Stresshormons Cortisol, das in mittlerer Dosierung die Konzentration erhöht und die Merkleistung steigert. Zudem wird Oxytocin ausgeschüttet, ein Hormon, das eng mit unserem Bindungssystem verknüpft ist und mit fürsorglichem, einfühlsamem und grosszügigem Verhalten einhergeht.
Wenn wir eine Geschichte hören, die uns emotional berührt, die es uns erlaubt, uns in die Protagonisten einzufühlen, die Welt aus ihren Augen zu sehen, Freundschaft, Mut, Tapferkeit, Hingabe zu erleben, möchten wir es unseren Helden gerne gleichtun.
«Das Teilen eigener Erlebnisse schwindet heutzutage.»
Ob man solche Erzählungen spannend findet oder nicht: Sie geben uns ein Bewusstsein für die eigenen Wurzeln. Sie geben Antworten auf Fragen wie: Woher komme ich? Was haben meine Grosseltern und Eltern erlebt? Wie ist unsere Familie entstanden und zu dem geworden, was sie ist? Und das ist bedeutsam!
Geschichten stärken Kinder
Auch in der Psychotherapie wird häufig darauf hingearbeitet, sich mit den Werthaltungen, Glaubenssätzen und prägenden Erfahrungen auseinanderzusetzen, die unbewusst über Generationen weitergegeben wurden. Dadurch lernt die Patientin oder der Patient sich selbst näher kennen, kann eigene Schwierigkeiten besser einordnen und mit belastenden Themen abschliessen.
Als Erwachsene geboren?
Vielleicht nehmen Sie diese Zeilen zum Anlass, um sich zu fragen: Wie haben meine Eltern ihre Schulzeit erlebt? Welche Freundschaften haben sie als Kind und Jugendliche geprägt? Welche Erwachsenen haben ihnen etwas Positives mit auf den Weg gegeben, vor wem haben sie gezittert? Wann hatten sie zum ersten Mal Liebeskummer? Wie kamen sie zu ihrem Beruf und wie verlief die Lehr- oder Studienzeit? Wie haben sich meine Eltern kennengelernt? Wer machte den ersten Schritt? Wie sah ihr Alltag aus, bevor sie Kinder bekamen? Was waren die glücklichsten, was die schwierigsten Zeiten in ihrem Leben? Wie haben meine Eltern ihre eigenen Eltern erlebt?
Vielleicht gehören Sie zu denjenigen, die sofort und ausführlich auf solche Fragen antworten können. Vielleicht fällt Ihnen in diesem Moment aber auch auf, dass in Ihrer Familie wenig über die Vergangenheit gesprochen worden ist.
Ihr Leben ist es wert, erzählt zu werden!
Oder Sie lassen Ihr Kind an Ihrer Schulzeit, Ihrem ersten Liebeskummer oder der Kennenlernphase des anderen Elternteils teilhaben. Damit erreichen Sie Ihre Kinder auf verschiedenen Ebenen.
«Sie werden Parallelen zu Ihrem eigenen Leben entdecken und Ihre Eltern vielleicht besser verstehen.»
Je älter die Kinder werden, desto mehr werden solche Gespräche zu einer Möglichkeit, um die Beziehung zueinander zu erhalten und zu vertiefen. Gleichzeitig können Sie auf diese Weise Erfahrungen und Lebensweisheit weitergeben, ohne als Moralapostel oder Besserwisser aufzutreten.
Mein Sohn wollte wissen, wie das für mich war. «Schlimm», antwortete ich, und dass es gedauert habe, bis die zwei wieder auseinandergegangen sind und ich meinen Freund zurückhatte. Ich konnte meinem Sohn keine Lösung anbieten. Aber er hat sich durch die Geschichte weniger allein gefühlt.