Masturbation: Wie Kinder Lust lernen
Anders als in früheren Zeiten angenommen, entwickelt sich die Sexualität eines Menschen nicht erst im Teenageralter. Schon Kleinkinder und sogar Babys verschaffen sich schöne Gefühle. Was Eltern über das Thema Kinder und Masturbation wissen sollten.
Als die Mutter der sechsjährigen Ida die Badezimmertüre öffnet, sieht sie ihre Tochter unter der Dusche, den Wasserstrahl auf den Intimbereich gerichtet und verzückte Töne von sich gebend. Schnell schliesst sie die Tür und fragt sich: Ist das normal in dem Alter? Muss ich mir Sorgen machen? Soll ich das ansprechen?
Wenn Eltern mit der Sexualität ihrer Kinder konfrontiert werden, reagieren viele verunsichert oder gar peinlich berührt. Das ist in gewisser Weise normal und nachvollziehbar. «Die menschliche Sexualität ist nicht angelegt, um sie mit den Eltern, Geschwistern oder anderen nahen Verwandten zu teilen», sagt Esther Schütz, klinische Sexologin und Sexualpädagogin sowie ehemalige Leiterin des Instituts für Sexualpädagogik und Sexualtherapie (ISP) in Uster. «Dazu kommen eigene Haltungen, Glaubenssätze und Schamgrenzen, die mögliche Verunsicherungen noch weiter schüren.»
Und, obwohl Sexualität in unserer Gesellschaft nahezu allgegenwärtig ist, gilt sie in Zusammenhang mit Kindern immer noch als Tabu. «Dabei sind Kinder sehr wohl sexuelle Wesen», weiss Schütz. «Selbst Babys und Kleinkinder erleben sexuelle Erregung, ohne diese bewusst mit Sexualität zu verbinden.» Zur gesunden Entwicklung von Kindern gehört Sexualität ganz selbstverständlich mit dazu. «Viele Eltern wissen nur sehr wenig über die kindliche Sexualität und denken, dass sie quasi erst mit der Pubertät beginnt», meint die Sexualtherapeutin. «Das ist aber nicht so!»
Sexuelle Wesen von Anfang an
Der sexuelle Erregungsreflex ist beim Menschen von Anfang an angelegt, wie der Saug- oder der Greifreflex auch. Bereits im Mutterleib lässt sich per Ultraschall beobachten, dass männliche Föten eine Erektion haben. Bei weiblichen Föten lässt sich das aus anatomischen Gründen nicht so gut darstellen. Und auch Neugeborene können spontan eine Erektion des Penis oder der Klitoris haben.
Buben lernen bereits mit zwei bis drei Jahren, die Erregung mit der Hand zu steigern. Mädchen hinken oft in diesem Entwicklungsschritt hinterher.
«Mit der Zeit erfährt das Kleinkind dann, dass eine verstärkte Durchblutung der Genitalien angenehme Empfindungen erzeugt», erklärt die Sexualpädagogin. «Sexualität ist also eine Fähigkeit, die Menschen erlernen.» Sobald Babys mit etwa drei bis sechs Monaten die Muskulatur entwickelt haben, um sich vom Rücken auf den Bauch zu drehen, lernen sie durch die erweiterten Bewegungsmuster unbewusst auch den sexuellen Erregungsreflex über Anspannen und Entspannen der Beckenbodenmuskulatur auszulösen. «Das geschieht ganz spielerisch durch die Erfahrung beim Drehen oder beim Spiel mit den Beinchen», erklärt Schütz. «Dabei werden wichtige Nervenverbindungen geknüpft, wie bei anderen Sinneserfahrungen auch.»
Später, als Kleinkind mit einem bis drei Jahren entwickeln sich daraus Muster. «Man kann dann beobachten, dass Kinder sich beim Krabbeln am Boden reiben, auf einem Kissen herumhopsen oder sich ein Kuscheltier zwischen die Beine klemmen, um den Reflex auszulösen und sich zu entladen», beschreibt die Sexologin. «Manche Kinder verdrehen dabei die Augen oder schwitzen stark.»
Später, als Kleinkind mit einem bis drei Jahren entwickeln sich daraus Muster. «Man kann dann beobachten, dass Kinder sich beim Krabbeln am Boden reiben, auf einem Kissen herumhopsen oder sich ein Kuscheltier zwischen die Beine klemmen, um den Reflex auszulösen und sich zu entladen», beschreibt die Sexologin. «Manche Kinder verdrehen dabei die Augen oder schwitzen stark.»
Auswirkungen auf die Sexualität im Erwachsenenalter
Der nächste wichtige Schritt in der sexuellen Entwicklung von Kindern ist das Anfassen des eigenen Geschlechts mit der Hand. «Wenn der taktile Sinn dazukommt, werden die Empfindungen im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar», betont die Sexualexpertin. «Buben lernen bereits mit etwa zwei bis drei Jahren, durch Berühren und Drücken des Penis die Erregung mit der Hand zu steigern.»
Mädchen hinken den Jungs in diesem Entwicklungsschritt jedoch oft hinterher. «Weil das Geschlecht bei Mädchen nach innen gewendet ist, können sie es ohne Spiegel nicht sehen», weiss Schütz. «Damit nehmen sie es oft nur unzureichend wahr und fassen ihre Vulva weniger oft oder gar nicht an.» Das kann auf die Sexualität im Erwachsenenalter Auswirkungen haben, weil die Frau dann nicht weiss, wie sie sich selbst mit der Hand stimulieren kann. «Sie benötigt dann enorm viel Muskelspannung und Druck oder die tiefe Penetration eines Mannes, um zum Orgasmus zu gelangen», so Schütz.
Phasen der sexuellen Entwicklung
0 bis 2 Jahre
Der sexuelle Erregungsreflex ist bereits vor der Geburt angelegt. Wohlige und angenehme Empfindungen nimmt das Baby anfangs vor allem über die Haut durch sanftes Streicheln und Liebkosen sowie über den Mund beim Saugen wahr. Durch Spannen und Entspannen der Beckenbodenmuskulatur lernt das Kleinkind allmählich, den Erregungsreflex selbst auszulösen.
3 bis 6 Jahre
Etwa ab dem Kindergartenalter beginnen Jungen, ihre Lust durch Anfassen des Penis mit der Hand zu steigern. Mädchen spannen dazu die Beckenbodenmuskulatur stark an und nutzen die Hand oder die Duschbrause. Sogenannte Doktorspiele, bei denen sich Kinder gegenseitig ihr Geschlecht zeigen und sich untersuchen, veranstalten Kinder meist im Vorschulalter mit 4 bis 6 Jahren.
7 bis 9 Jahre
Das Primarschulalter ist von Scham und ersten Anzeichen der Abgrenzung von den Eltern geprägt. Dafür werden Freundschaften und auch die erste Verliebtheit zu Gleichaltrigen wichtiger. Selbstbefriedigung läuft meist im Verborgenen ab.
10 bis 12 Jahre
Die beginnende Pubertät wird spürbar und der Einfluss der Eltern schwindet weiter. Das Interesse am anderen Geschlecht steigt und Selbstbefriedigung findet zunehmend gezielt statt.
13 bis 16 Jahre
Körperliche Veränderungen sind jetzt deutlich sichtbar. Sexuelle Handlungen finden zielgerichtet statt und sind auf einen potenziellen Sexualpartner ausgerichtet. Die Einflussnahme von Eltern ist nicht mehr erwünscht.