«Das Band zwischen mir und meinen Kindern soll keine Leine sein» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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«Das Band zwischen mir und meinen Kindern soll keine Leine sein»

Lesedauer: 3 Minuten

Ich erzähle

Zu jedem ihrer drei Kinder, 12 und 10, hat die Kinesiologin Matilda, 44, eine andere Bindung. Das war schon in der Schwangerschaft so.

«Bindung: Das ist für mich das Band zwischen mir und meinen Kindern. Es ist für mich wichtig, dass dieses Band stark, aber elastisch und flexibel ist. Meine Kinder sollen wissen, dass sie jederzeit zur mir kommen können, aber ich möchte nicht, dass sie sich angebunden oder angeleint fühlen.

Man sagt ja, dass die Bindung bereits während der Schwangerschaft entsteht. Mein erster Sohn Matteo hatte sich so in der Plazenta eingerichtet, dass ich seine Bewegungen kaum spürte. Als Erstlingsmutter war mir das mit der vorgeburtlichen Bindung gar nicht so bewusst, ich freute mich einfach auf das Kind, Punkt. Der Moment seiner Geburt ist mir noch heute ganz präsent. Als man ihn mir auf den Bauch legte, war mein erster Gedanke: Oh, er gehört jetzt also zu mir und ich zu ihm. Ich weinte vor Glück, Demut und Dankbarkeit.

«Meine Kinder wissen,
 dass sie ein Teil von mir sind und dieses
 Gefühlsband immer da ist.»

Dennoch: Ich gehörte nicht zu den Müttern, die sofort eine Bindung zum Kind spüren und sagen, es ist das Schönste! Ich musste mich zuerst an Matteo und er sich an mich gewöhnen. Nun spüre ich eine ganz tiefe, innere Verbindung zu ihm, obwohl er in vielen Dingen völlig anders tickt als ich. Bei seinen Brüdern, den Zwillingen, war das anders, ich hatte das Gefühl, dass dieses verbindende Band zwischen uns schneller da war. Das hat vielleicht auch mit der Schwangerschaft zu tun, ich spürte sie naturgemäss viel stärker, ständig war da ein Ellenbogen oder ein Fuss. Sie suchten aber von Anfang an auch viel mehr die körperliche Nähe zu mir, wollten viel rumgetragen werden und kuscheln. Auf diese Idee kam Matteo erst, als er es an ihnen beobachtet hatte. Die Zwillinge sind jetzt 10 Jahre alt, Matteo ist 12. Ich habe zu allen drei Kindern eine enge und starke Verbindung, aber sie ist zu allen dreien unterschiedlich, was ich auch sehr schön finde. Trotzdem gehören wir alle zusammen. Meine Kinder wissen, dass sie ein Teil von mir sind und dieses Gefühlsband immer da ist.»
Dieser Text stammt aus dem Doppelheft Juli/August 2020.
Dieser Text stammt aus dem Doppelheft Juli/August 2020. Sie können das gesamte Heft hier als Einzelausgabe bestellen.
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Dieser Artikel gehört zum Online-Dossier Bindung Lesen Sie mehr zu Fragen, wie: Wie schaffe ich eine starke Bindung, ohne mein Kind einzuengen? Was hat Bindung mit Schule zu tun?


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