«Ich mache mir doch nur Sorgen um dich!»

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren
Eltern, die sich permanent sorgen, setzen ihre Kinder unter Druck. Die Fürsorge wird oft als Misstrauen empfunden. Wie man mit der Angst verantwortungsvoll umgeht, weiss unser Kolumnist Fabian Grolimund.
Wenn sie noch klein sind, stehen wir an ihrem Bettchen und werden unruhig, wenn sie still und bewegungslos daliegen: «Atmest du noch?» Vielleicht haben wir Albträume, in denen unseren Kindern etwas geschieht, sind selbst ein wenig nervös, wenn sie in den Kindergarten oder in die Schule kommen und können schlecht einschlafen, wenn sie als Jugendliche oder junge Erwachsene abends mit Freunden unterwegs sind.
Was wir immer wieder überprüfen sollten, ist, wie wir mit unseren Sorgen umgehen und wie sie sich auf unsere Kinder auswirken. Helfen sie dabei, reale Gefahren von unseren Kindern abzuwenden? Oder bewirken sie genau das Gegenteil und setzen unsere Kinder unnötig unter Druck?
Für das Glück der Eltern zuständig?
Gleichzeitig sind sie selbst verzweifelt. Oft lernen diese Eltern stundenlang mit den Kindern, bereiten sie intensiv auf Prüfungen vor und verstricken sich in Hausaufgabenkämpfe. Sie bauen die Überzeugung auf: Damit es meinem Kind gut geht, muss es in der Schule gut sein. Und es liegt in unserer Verantwortung, dafür zu sorgen!
Kinder bauen die unbewusste Überzeugung auf: Ich muss in der Schule gut sein, damit es meinen Eltern gut geht!
Bitte vertraut mir doch einfach!
Wahrscheinlich werden Sie daraus schliessen, dass Sie dem Gegenüber wichtig sind – aber auch, dass die andere Person das Gefühl hat, dass mit Ihnen etwas nicht stimmt oder dass sie Ihnen nichts zutraut. Erwachsene, deren Eltern sich viele Sorgen gemacht haben, schildern oft, dass sie andauernd das Gefühl hatten, ihren Eltern etwas beweisen zu müssen und sie das Empfinden, nie gut genug zu sein, bis ins Erwachsenenleben hinein verfolgt.
Was hilft gegen zuviele Sorgen?
In Beratungen ist mir oft aufgefallen, dass es heilsam ist, wenn Eltern aufhören, sich auf das Ergebnis oder die mögliche Katastrophe zu fixieren und sich stattdessen fragen: Was liegt in dieser Situation in meiner Verantwortung, was nicht? Wie will ich meine Rolle definieren? Was kann ich ganz konkret tun und was kann oder will ich nicht beeinflussen? Und wo springe ich über meinen Schatten, stelle mich meinen Ängsten und gebe ganz bewusst die Kontrolle ab?
Manche Eltern sehen die Noten des Kindes als Spiegel ihrer Erziehungskompetenz an.
Am Ende einer Beratung hat eine Mutter für sich definiert: Ich bin dann eine gute Mutter, wenn ich für mein Kind da bin, es auffange, wenn es traurig oder enttäuscht ist. Meine Tochter erlebt in der Schule viele negative Gefühle. Sie braucht zu Hause keine gestresste Nachhilfelehrerin, sondern eine Mutter, die daran glaubt, dass sie auch ohne Glanznoten ihren Weg gehen wird, die darauf achtet, dass genügend Zeit und Raum für ihre Stärken und Hobbys bleiben und die nicht zulässt, dass die Hausaufgaben und die Prüfungsvorbereitung unsere Beziehung vergiften. Wir können gemeinsam 15 Minuten pro Tag lesen, uns nach besseren Lernstrategien umsehen und die Prüfungsvorbereitung planen. Aber ich werde nicht mehr zulassen, dass eine schlechte Note über Tage hinweg unser Familienleben dominiert.
Vielleicht würde Ihr Statement ganz anders lauten, aber: Sobald man überlegt, wofür man die Verantwortung übernehmen will und wo man bewusst loslassen möchte, ist man wieder Kapitän des eigenen Schiffs und gibt den Kurs vor, anstatt ängstlich auf die Wellen zu starren.
Die Angst hat nichts mit dir zu tun!
Über Fabian Grolimund:
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