Ruhe jetzt!
«Kinder sind halt laut», entgegnen Eltern gerne, wenn der Geräuschpegel der Kinder zur Sprache kommt. Dabei geht vergessen, dass Lärm nicht nur für die Erwachsenen, sondern auch für die Kinder zu einer grossen Belastung werden kann.
Ein Siebenjähriger trifft den Nagel auf den Kopf: «Lärm ist nur toll, wenn man ihn selber macht. Sonst nervt er.»
Je nach Studie geben zwischen 50 und 90 Prozent der Lehrpersonen im deutschsprachigen Raum an, dass Lärm für sie ein zentraler Stressfaktor bei der Arbeit ist. Am stärksten leiden Primarlehrerinnen und -lehrer unter dem hohen Geräuschpegel.
Kinder reagieren auf Lärm mit einer erhöhten Ausschüttung von Stresshormonen, welche den Puls und den Blutdruck in die Höhe schnellen lassen. Sie können sich schlechter konzentrieren, wirken zerstreut und haben Probleme, sich Inhalte zu merken. Manche Studien weisen sogar nach, dass Lärmbelastung die Entwicklung im Sprechen, Hörverstehen und Lesen hemmt.
Auf der emotionalen Ebene reagieren Kinder und Jugendliche mit einer höheren Reizbarkeit und Aggressivität. Manche ziehen sich in ihre Innenwelt zurück im Versuch, den Lärm auszublenden.
Räumliche Anpassungen, Musik, Naturgeräusche
Manche Schulen behelfen sich mit Filzgleitern unter den Stuhl- und Tischbeinen, Schallabsorbern aus Schaumstoff und Korkwänden oder montieren eine Akustikdecke, damit es weniger hallt. Das kann einen spürbaren Effekt haben: In einer Messung des Instituts für interdisziplinäre Schulforschung konnte gezeigt werden, dass die Herzfrequenz von Lehrpersonen in schallsanierten Räumen um zehn Schläge pro Minute niedriger war als in normalen Klassenzimmern.
Mehrere Lehrpersonen haben uns von positiven Erfahrungen mit ruhiger Hintergrundmusik berichtet. Während der Stillarbeit dürfen die Schüler/innen leise Instrumentalstücke hören. Weil die Lernenden der Musik lauschen möchten, sprechen sie beispielsweise bei Partnerarbeiten automatisch leiser. Studien zeigen zudem, dass Kinder mit Konzentrationsschwierigkeiten bei leiser Hintergrundmusik fokussierter arbeiten können. Geeignete Musik findet man unter dem Suchbegriff «Konzentrationsmusik» im Internet. Wichtig ist dabei: nicht zu schnell, zu rhythmisch oder abgehackt, nicht zu laut – und ohne Gesang.
Auch Naturgeräusche – etwa Wasserrauschen, Urwaldgeräusche oder Vogelgezwitscher – können nachweislich die Aufmerksamkeit steigern, das sympathische Nervensystem beruhigen und dadurch Stress reduzieren, die Stimmung heben – und für mehr Ruhe im Klassenzimmer sorgen.
Ich freue mich immer, wenn ich bei Spaziergängen im Wald nahe unserer Wohnung auf Lehrpersonen treffe, die einzelne Schulstunden mit ihrer Klasse im Grünen abhalten. So viele zufriedene und aufmerksame Gesichter!