Wie man Kindern beibringt, Fake-News zu erkennen - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Wie man Kindern beibringt, Fake-News zu erkennen

Lesedauer: 3 Minuten

Fake News bringen Menschen in Misskredit und beeinflussen Wahlen. Und über das Smartphone erreichen sie auch die Kinder. Wie Eltern damit umgehen sollten.

Text: Thomas Feibel
Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren

Gezielte Falschnachrichten gab es schon immer. Zu ihnen zählen die klassische Zeitungsente, geschönte Autobiografien oder Hetzartikel in agitatorischen Blättern. Doch erst im Internetzeitalter entfalten Fake News ihre volle, diffamierende Wirkung. Die sozialen Medien sorgen bei der Verbreitung für ein ungeheures Tempo. Die Urheber von Fake News können sich auf den Schneeballeffekt verlassen, indem ihre Leser die entsprechende Meldung ohne nachzudenken weiter und weiter verbreiten. Sie muss dazu nur emotional genug sein: Fake News wühlen auf, machen wütend, lösen Ängste aus.

«Wenn du diese Nachricht nicht weiterleitest, stirbt deine Mutter»

Betroffen sind auch Kinder und Jugendliche, obwohl diese heute kaum mehr Zeitung lesen. Einerseits bleibt ihnen die bei den Eltern ausgelöste Beunruhigung nicht verborgen, andererseits dringen die Lügen auch durch ihre Netzwerke zu ihnen durch.

Sie werden mit den unterschiedlichsten Erscheinungsformen von Falschnachrichten konfrontiert: Eine freche Lüge in einer Whatsapp-Gruppe reicht aus, um den ganzen Klassenverband aufzumischen.

Kinder erreichen auch Kettenbriefe, die uns Erwachsenen noch bestens aus der eigenen Kindheit in Erinnerung sein dürften. Seinerzeit bekamen unsere Eltern das Auftauchen eines solchen Briefes mit, weil wir sie nach 10 oder 20 Briefmarken fragen mussten.

Während sie damals schützend eingreifen konnten, gehen die modernen Kettenbriefe an den Eltern vorbei und erreichen die Kinder via Whatsapp. Wie ihre Vorgänger auf Papier operieren sie mit Falschmeldungen: Eine gruselige Sprachnachricht droht bei Nichtweiterleitung mit dem Ableben des Haustiers oder gar eines Elternteils.

Unter Zweitklässlern geht das Märchen um, dass sie in der App «Talking Angela» ein
Pädophiler beobachtet.

Das Phänomen ist nicht neu: Schon Anfang 2014 machte ein furchteinflössendes Märchen die Runde: Durch die Augen der Katzendame in der Chat-App «Talking Angela» würde ein Pädophiler die Kinder beobachten.

Es kursierten sogar Meldungen, dass ein Mädchen von ihm in eine Falle gelockt und getötet wurde. Alles erfunden, wie sich danach herausstellte. Den Hersteller schien die ganze Aufregung nicht zu stören, die App wurde millionenfach heruntergeladen – von Kindern, die wissen wollten, was es damit auf sich hat.

Fake News entlarven

8 Tipps, wie Fake News erkannt werden können.

  • Checken: Wer ist der Autor? Gibt es ihn wirklich? Hat er wirklich einen Titel wie Professor oder Doktor?
  • Was ist das für eine Webseite? Ist es eine Nachrichtensite oder ein Blog?
  • Gibt es ein Impressum?

 

  • Wird eine Quelle genannt? Ist sie seriös?
  • Gibt es auffallend viele Rechtschreibfehler?
  • Die Behauptung aus der Nachricht in eine Suchmaschine mit dem Begriff «Fake» eingeben. Taucht sie auch auf etablierten Nachrichtenseiten auf?
  • Die Webseiten www.hoaxmap.org und www.mimikama.at haben sich zum Ziel gemacht, Fake News aufzudecken und aufzulisten.
  • Vergleich der Bilder auf Google-Bildersuche: Wurden sie bearbeitet und verfälscht?

Solche Fake News lösen bei Kindern ein grosses Unbehagen aus. Sie können es nur loswerden, wenn wir ihnen einschärfen, dass sie sich bei beängstigenden Inhalten immer an uns als vertrauensvolle Ansprechpartner wenden können.

Fake News war auch die Geschichte des deutsch-russischen Mädchens in Berlin, das mit seiner Behauptung, entführt und vergewaltigt worden zu sein, eine deutsch-russische Staatskrise auslöste. In Wahrheit hatte sich das Mädchen bei einem Freund aufgehalten. Allein dieser Fall zeigt, wie schwer es bei emotionalen Themen wie Entführung und sexuellem Missbrauch von Minderjährigen fällt, rational und besonnen zu reagieren. 

Fake News sind eben ein träufelndes Gift, das mit vielen Tricks arbeitet …

  • Fake News servieren Meinungen als Fakten oder als scheinbar seriöse Nachrichten.
  • Fake News tischen vollkommen unwahre Vorfälle als Tatsachenbericht auf.
  • Fake News nutzen ausgedachte Zahlen, um die angebliche «Authentizität» zu unterstreichen.
  • Fake News arbeiten mit frei erfundenen Zitaten.
  • Fake News reissen Aussagen aus dem Zusammenhang, was die zitierte Person in die Situation bringt, sich rechtfertigen zu müssen.
  • Fake News bringen Menschen durch dreiste Lügen und Schmähungen in Verruf, etwa dass Hillary Clinton einen Pornoring betrieben haben soll.
  • Fake News arbeiten oft mit Sündenböcken und zielen auf religiöse Minderheiten oder geflüchtete Menschen, die sich kaum wehren können, weil sie keine Lobby haben.
  • Fake News konzentrieren sich immer auf das ganz Einfache: Hass, Voyeurismus oder Sex.
  • Fake News profitieren davon, dass schlechte Nachrichten öfter geteilt werden.

Selbst wenn alle Lügen öffentlich widerlegt werden – es bleibt immer etwas hängen. Der amerikanische Präsident Donald Trump machts vor: Wird eine Lüge nur oft genug wiederholt, halten sie viele Leute irgendwann für die Wahrheit.

Und die Tagespresse gerät in eine Zwickmühle: Der Versuch, eine Aussage als Lüge zu entlarven, trägt immer auch zu deren Verbreitung bei. Populisten kennen diese Tricks und nutzen sie, um Wahlen zu gewinnen.

Ist es die Presse, die lügt?

Ein weiterer Aspekt des Problems ist der Begriff «Lügenpresse», der das Thema in der Auseinandersetzung mit Kindern leider noch verkompliziert. Mit dieser Schmähung stellen politische Kräfte, die selbst vor kruden Verschwörungstheorien nicht zurückschrecken, die Glaubwürdigkeit von journalistischen Erzeugnissen pauschal in Frage.

Wir Erwachsene sollten als Vorbilder vorangehen.

Dabei ist das Gegenteil der Fall: Eine freie Presse schafft Öffentlichkeit und ist eines der wichtigsten Kennzeichen einer Demokratie. Natürlich: Manchmal treffen Redaktoren die Entscheidung zu einer Veröffentlichung, bevor alle Fakten auf dem Tisch liegen.

Der Grund liegt allerdings bei uns, den Leserinnen und Lesern. Bei Katastrophen gehen uns Schnelligkeit und Sensation oft über Genauigkeit – statt die Medien zu verurteilen, sollten wir eher unser Mediennutzungsverhalten hinterfragen.

Wollen wir Kinder, die kompetent mit Medien umgehen, müssen wir Erwachsenen als Vorbilder vorangehen. Das gilt nicht nur für Fake News, das gilt auch für den Umgang mit echten Nachrichten. Denn auch die können mitunter Kindern Angst einjagen.

Thomas Feibel
ist einer der führenden ­Journalisten zum Thema «Kinder und neue Medien» im deutschsprachigen Raum. Der Medienexperte leitet das Büro für Kindermedien in Berlin, hält Lesungen und Vorträge, veranstaltet Workshops und Seminare. Zuletzt erschien sein Elternratgeber «Jetzt pack doch mal das Handy weg» im Ullstein-Verlag. Feibel ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

Alle Artikel von Thomas Feibel