«Seid dankbar für Streit mit dem Teenie-Sohn! Das ist die neue Form von Nähe» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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«Seid dankbar für Streit mit dem Teenie-Sohn! Das ist die neue Form von Nähe»

Lesedauer: 10 Minuten

Der Bubenexperte Reinhard Winter erklärt, weshalb Gespräche zwischen Eltern und Söhnen in der Pubertät einen ähnlichen Platz einnehmen wie ­Körperkontakt in der frühen Kindheit. Warum Eltern dann wichtiger denn je sind. Wie die Balance zwischen Bindung und Loslassen gelingt. Und weshalb die Jungen-Pubertät länger dauert als oft angenommen.

Interview: Kristina Reiss
Bilder: Patrick Junker

Herr Winter, in fast allen Familien ist die Pubertät ein grosses Thema. Vor allem bei Söhnen befürchten Eltern oft, dass diese Zeit schwierig wird. Zu Recht?

Zumindest statistisch geben Buben mehr Anlass zur Sorge: Im Vergleich zu Mädchen sind sie gewaltbereiter, werden öfter kriminell, sind eher in Unfälle verwickelt und konsumieren häufiger Drogen.

Ist die Mädchen-Pubertät aus ­Elternsicht also leichter?

Nein, nur anders. Sie beginnt auch fast zwei Jahre früher. Bei Jungen zeigen sich erste Anzeichen der Vorpubertät mit neun oder zehn Jahren. Später sorgen Testosteron-Schübe dafür, dass ihr Körper maskuliner und muskulöser wird, der Stimmwechsel kommt hinzu, das Genital bekommt mehr Wahrnehmung. Überhaupt ist der sexuelle Drang bei Buben stärker ausgeprägt und will ausgelebt werden – was sich im ­Vergleich zu Mädchen in mehr Selbstbefriedigung und mehr Pornokonsum äussert.

Auch psychisch verändert sich viel: Die Frage «Wer bin ich als Mann?» treibt Jungen um, depressive Stimmungen gehören dazu. Allerdings sind diese bei Jungen weniger anerkannt, weil sie nicht ins Männlichkeitsbild passen, und werden auch seltener entdeckt. Gleichzeitig ist die Suizidrate bei Jungen dreimal höher als bei Mädchen. Was zeigt: Die Befindlichkeit von Jungen in der Pubertät findet zu wenig Beachtung.

Manche Pädagogen wie etwa Jesper Juul finden, in der Pubertät sei bereits alles entschieden, die Erziehung ­abgeschlossen. Sie wiederum sagen: Für das Gelingen der Jungen-Pubertät sind Eltern wichtiger denn je. Welche Aufgaben haben Mütter und Väter in dieser Phase?

Den Sohn seinen eigenen Weg gehen zu lassen, aber dennoch in Beziehung zu bleiben. Das Schwierigste ist, ihn loszulassen – was auch für Mädchen in der Pubertät gilt. Söhnen jedoch trauen Eltern tendenziell weniger zu – weil Buben in der Kindheit häufiger Schwierigkeiten haben, etwa beim Spracherwerb. Die Etikettierung von Jungen als Problemträger macht das nicht leichter. Gleichzeitig sollten Mutter und Vater die Beziehung nicht abreissen lassen und beleidigt reagieren, wenn der Junge abtaucht und in Ruhe gelassen werden will.

Reinhard Winter, 61, gilt als einer der profiliertesten Jungenexperten im deutschsprachigen Raum. Der Vater zweier erwachsener Kinder ist Diplompädagoge, in der Leitung des Sozialwissenschaftlichen Instituts Tübingen (D) und Autor zahlreicher Bücher zu Jungenthemen. Zuletzt erschien von ihm «Jungen und Pubertät. In Beziehung bleiben, wenn alles anders wird», Beltz 2020, ca. 24 Fr.
Reinhard Winter, 61, gilt als einer der profiliertesten Jungenexperten im deutschsprachigen Raum. Der Vater zweier erwachsener Kinder ist Diplompädagoge, in der Leitung des Sozialwissenschaftlichen Instituts Tübingen (D) und Autor zahlreicher Bücher zu Jungenthemen. Zuletzt erschien von ihm «Jungen und Pubertät. In Beziehung bleiben, wenn alles anders wird», Beltz 2020, ca. 24 Fr.

In der Pubertät wird die Redeabteilung des Gehirns neu zusammengesetzt, was zur Folge hat, dass Eltern gefühlt alles hundertmal sagen ­müssen. Wie rede ich mit meinem pubertierenden Sohn am besten?

Zunächst hilft zu respektieren: Ja, es ist gerade schwierig. Ansonsten gilt: Dranbleiben! Die meisten Jungen senden Signale, wann sie reden wollen. Mein Sohn etwa hat es gehasst, wenn ich ihn beim Mittagessen fragte: «Wie war es in der Schule?» Aber es gab Zeitfenster, in denen er gesprächig ­wurde. Leider war dies meist, wenn ich gerade ins Bett wollte. So schlugen wir uns gemeinsam Nächte um die Ohren. Gespräche zwischen Eltern und Sohn sind sehr wichtig, sie nehmen in der Pubertät einen ähnlichen Platz ein wie Körperkontakt in der frühen Kindheit. Deshalb: Achten Sie auf seine Signale. Und vor allem: Legen Sie sich eine neue Kommunikationstechnik zu.

Wie meinen Sie das?

Buben nervt es, wenn ihre Eltern an der Kind-Kommunikation nichts ändern – wenn sie weiterhin Aufträge erteilt bekommen oder ausgefragt werden, wen sie wo treffen. Dies alles interessiert Eltern natürlich zu Recht. Doch bei Jugendlichen funktioniert diese Verhörtaktik aus Kindertagen nicht mehr, sie signalisiert ihnen lediglich: «Ich bin der Chef.» Deshalb sollten Eltern mehr auf Augenhöhe kommunizieren, auch von sich erzählen – wie es ihnen geht, was sie beschäftigt, wie es in ihrer Pubertät war.

Buben wie Mädchen in der Pubertät sind Meister darin, genau herauszuspüren, wo die wunden Punkte ihrer Eltern liegen.

Und wenn der Sohn nicht reden will?

Das muss man ein Stück weit respektieren. Gleichzeitig gilt es ihn immer wieder zum Gespräch aufzufordern, nicht locker zu lassen. ­Jungen brauchen häufig sehr viele Einladungen. Oft blocken sie, weil sie ahnen, welches Ergebnis das Gespräch haben könnte. Sind Eltern selbst enttäuscht, sollten sie das Reden verschieben. Brechen Sie ein Gespräch lieber ab, wenn es in die falsche Richtung läuft oder Sie merken, dass Ihnen der Hals schwillt. Eine Eskalation bringt nichts. Stattdessen in einem ruhigen Moment vorschlagen: «Können wir mal übers Reden reden? Wie kriegen wir das besser hin?» Pubertät ist für alle Beteiligten eine neue Erfahrung und verläuft bei jedem Kind anders. Deshalb ist es wichtig, rauszufinden, was für alle gut passt – was sich allerdings ständig verändert.

Für Eltern kommt erschwerend hinzu, dass sie vom Sohn nun ­hinterfragt und beurteilt werden. Sie gelten auf einmal als Repräsentanten von ­Tradition und Überholtem, der Junge entwickelt sich vom Bewunderer zum Richter. Zudem neigen Pubertierende dazu, alles, was von Eltern oder ­anderen Erwachsenen kommt, ­reflexhaft abzulehnen. ­Weshalb?

Weil sich der Junge ablösen muss. Dabei ist es leichter, sich von verständnislosen Eltern zu lösen als von Eltern, die in Verbindung stehen. Vor allem Letztere tun sich schwer, wenn ihnen der Sprössling Dinge an den Kopf wirft. Unser Sohn hat uns damals als spiessig bezeichnet – was mich sehr getroffen hat. Er wiederum musste dies tun, um sich von uns abzugrenzen und sich zu spüren.

Fühle ich mich als Mutter getroffen, ist es jedoch schwer, angemessen zu reagieren.

Fragen Sie sich in so einem Fall: An welcher Aussage störe ich mich? Warum? Buben wie Mädchen in der Pubertät sind Meister darin, genau herauszuspüren, wo die wunden Punkte ihrer Eltern liegen. In einem Streit rief mein pubertierender Sohn einmal: «Weisst du eigentlich, was der Sinn des Lebens ist?» «Nein», konterte ich, «kannst du es mir sagen?» Worauf er entgegnete: «Spass haben!» Das hat mich gewurmt. Rückblickend muss ich sagen: Er hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Damals spielten Arbeit und Karriere für mich eine grosse Rolle, den Spass hatte ich tatsächlich ein wenig aus den Augen verloren. Mit Abstand betrachtet fand ich es toll, den Spiegel vorgehalten zu bekommen. Doch als Eltern muss man das erst mal aushalten.

Streiten sollten Eltern also als Chance begreifen?

Ja, das ist enorm wichtig und gehört zum Ablöseprozess. Klagen Eltern über viel Streit mit dem Teenie-Sohn, sage ich immer: Seid dankbar! Streiten ist die neue Form der Nähe, oft auch «Pubertätskuscheln» genannt. Solange ihr streitet, seid ihr immerhin noch in Beziehung. Nicht zu streiten, ist viel schlimmer.

Gleichgeschlechtliche Beziehungen sind in der Pubertät mehr aufgeladen.

Haben Väter und Söhne heftigere ­Auseinandersetzungen als Mütter und Söhne?

Gleichgeschlechtliche Beziehungen sind in der Pubertät mehr aufgeladen, schliesslich trifft der Sohn den Vater in männlicher Geschlechteridentität – was auch für Mutter und Tochter gilt. Doch die Konfliktlinien gehen oft auch über Kreuz – wenn die Mutter etwa nicht aushält, wie der Sohn sich gebärdet.

Trost für Eltern bietet da eine in Ihrem Buch zitierte Studie: Demnach leiden viele Väter und Mütter unter dem Zustand der Familie, wenn sich darin ein pubertierender Sohn befindet. ­Diesem geht es allerdings ganz anders: 90 Prozent der Jugendlichen sagen, das Verhältnis zu den Eltern sei gut. Wie ist das zu erklären?

Vor 30 Jahren wäre die Umfrage sicher anders ausgefallen. Heute jedoch gibt es viele engagierte Eltern, die ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Kindern haben. Für Jungen ist die Pubertät zwar schwierig, aber im Ergebnis ein Gewinn: Freunde werden zentral, eigenes Erleben und Veränderungen stehen im Vordergrund, oft gepaart mit einem «Die Welt steht mir offen»-Gefühl. Aus Sicht des Sohnes ist da etwas Streit mit den Eltern zu verschmerzen.

Und wie empfinden Eltern die Pubertät des Sohnes?

Diese erleben das Ganze eher als Verlust. Nicht umsonst heisst es: Pubertät ist die Zeit, in der Eltern schwierig werden. Mutter und Vater spüren ihr Alter, denn biologisch könnte der Sohn jetzt selbst Vater werden – was Eltern in die Grosselternposition schiebt.

Es ist ein Mythos, dass Jungen alles über Sex wissen.

Angenommen, ich platze ins Zimmer meines Sohnes, während er sich ­gerade einen Pornofilm anschaut – wie reagiere ich?

Dann machen Sie die Tür am besten wieder zu und lassen ihn erst mal in Ruhe. Passieren solche Dinge, ist das vielleicht ein Zeichen, dass er erwischt werden will und darüber sprechen möchte. Ansonsten würde er seine Türe abschliessen oder auf andere Weise dafür sorgen, dass Sie nichts mitbekommen. Deshalb sollten Sie später auf jeden Fall das Gespräch suchen. Idealerweise sind Sie sich dann Ihrer Haltung bewusst. Gerade Frauen tun sich oft schwer mit dem Thema und lehnen Pornos moralisch ab. Moralisch sollten Sie den Dialog mit Ihrem Sohn jedoch nicht angehen.

Wie wichtig ist es, dass Eltern mit ihren pubertierenden Söhnen über Sex reden?

Sehr wichtig! Schon allein, weil im Internet so viel Schrott kursiert. Es ist ein Mythos, dass Jungen alles über Sex wissen. Zudem ist der Sexualkundeunterricht in der ­Schule meist nur unzureichend – und hört vor allem auf, bevor es für Jungen interessant wird. Das Ganze orientiert sich an der Entwicklung von Mädchen, die ja zwei Jahre früher dran sind. Sind Jungen dann so weit, gibt es in der Schule niemanden mehr, dem sie ihre Fragen stellen könnten.

Mit Mädchen scheint generell mehr über Sexualität gesprochen zu ­werden: Während die erste ­Menstruation bei ihnen oft als ­Initiation wirkt, gibt es bei Jungen nichts Vergleichbares.

Das stimmt. Die Frage lautet tatsächlich: Wo kriegt der Junge Resonanz auf die körperliche Entwicklung, die er durchmacht? Die erste Rasur könnte etwa ein Anlass dafür sein.

Täuscht der Eindruck oder ist Scham bei Jungen ein grösseres Thema?

Das ist eindeutig so. Auch in Bezug auf Mutter und Vater. Was nur verständlich ist: Schliesslich müssen sich Jungen mitten in der Pubertät mit den peinlichsten Eltern der Welt auf einer Schulveranstaltung zeigen. Und diese sagen dabei vielleicht sogar was – vor allen! Oder sie begrüssen die Freunde des Sohnes und stellen spiessige Fragen. Deshalb: Freuen Sie sich, wenn Ihr ­Junge verkündet, dass seine Freundin oder sein Freund bei ihm übernachten will. Das ist ein Vertrauensbeweis, wenn Sie gleichzeitig in der Wohnung sind. Und auch ein Beleg dafür, dass Ihr Sohn sich nicht für seine Familie schämt.

Sagen Jungen ‹Bitch› zu einem Mädchen, meinen sie in der Regel nicht ‹Schlampe›.

Eltern wiederum treibt es die ­Schamesröte ins Gesicht, wenn sie hören, wie sich der Sohn mit Freunden unterhält – und Wörter wie schwul, fuck oder Bitch verwendet.

Auch da gilt: Wenn Sie es hören, ist damit vermutlich irgendeine Botschaft Ihres Sohnes verbunden. In einem ruhigen Moment würde ich zu ihm sagen: «Lass uns mal darüber reden.» Und gleichzeitig das Ganze nicht dramatisieren. Sagen die Jungen «Bitch» zu einem Mädchen, meinen sie in der Regel nicht «Schlampe». Es ist eine Entwertung, ja. Doch genauso entwerten sie sich auch untereinander.

Warum ist das bei Jungen so ­verbreitet?

Es ist für sie eine Form, um in Beziehung zu sein. Unterschwellig wollen sie damit verhindern, dass zwischen ihnen zu viel Nähe aufkommt und sie im Verdacht stehen, schwul zu sein – was sich zwar in den letzten Jahren entspannt hat, aber immer noch eine Rolle spielt. Hinzu kommt: Während Mädchen auf Einzelfreundschaften setzen, ist für Buben die Clique zentral. Dabei gilt es, sich zu positionieren, Macht auszutarieren, Überlegenheit zu signalisieren.

Angenommen, ich möchte wissen, mit wem sich mein Sohn trifft: Wie rede ich mit ihm über seine Freunde, ohne dass er gleich dichtmacht?

Zunächst finde ich es toll, wenn Kinder Freunde haben und irgendwo zugehörig sind. Meistens bekommt man als Eltern ja mit, wer zum engeren Kreis gehört. So lässt sich beiläufig fragen: «Wer geht denn alles auf die Party?» Oder: «Wer war da?» Will er nichts erzählen, müssen Sie das allerdings auch respektieren.

Darf ich seine Freunde – die nun eine immense Rolle spielen – kritisieren? Und wenn ja: wie?

Sorgen dürfen Sie sich und können das auch so formulieren – denn dabei erzählen Sie von sich und reden nur indirekt über Ihren Sohn. Lustigerweise sind es immer die Söhne der anderen, die Eltern für den ungeeigneten Umgang halten. Es hilft, sich kurz in Erinnerung zu rufen: «Vielleicht denken ja die Eltern seiner Freunde über ihn dasselbe?» Tatsächlich ist es mit dem schlechten Einfluss meist ein Wechselspiel.

Es ist spannend zu sehen, wie sich der Junge zum Mann entwickelt und sich langsam in allen Facetten zeigt.

Ausgerechnet in der Pubertät, wo ­Jungen besonders leichtsinnig sind und ein höheres Risikoverhalten an den Tag legen, soll man ihnen mehr Selbstverantwortung übertragen. Wie passt das zusammen?

Gar nicht, das ist in der Tat paradox. Wir kennen ja unsere Söhne und wissen, dass sie vielleicht jetzt ­gerade besonders impulsiv sind. Für Eltern gilt es diese Spannung auszuhalten und zu sagen: «Ich vertraue dir – trotzdem!» Wichtig ist, darüber zu reden und Grenzen aufzuziehen: «Klar, wirst du auch Mist machen – aber ab einem gewissen Punkt ist Schluss.» Die meisten Jugendlichen wissen das geschenkte Vertrauen zu schätzen und gehen gut damit um.

Worauf können sich Eltern freuen, wenn der Sohn in die Pubertät kommt?

Auf eine abwechslungsreiche Zeit! Das Tolle ist, dass Söhne Eltern ebenfalls in eine Entwicklung drängen und diese gezwungen sind, sich mit gewissen Dingen zu beschäftigen. Spannend fand ich auch zu sehen, wie sich der Junge zum Mann entwickelt und sich langsam in allen Facetten zeigt.

Was allerdings dauern kann: Sie schreiben, es braucht bei Jungen ­länger, bis sie ausgereift sind.

Ja, die Pubertät dauert bei ihnen länger als bei Mädchen und fängt auch ein bis zwei Jahre später an. Sprich: Hintenraus sind sie noch nicht so ausentwickelt wie Mädchen zum selben Zeitpunkt.

Wie äussert sich das?

Während Mädchen nach dem Schulabschluss oder zu Beginn der Berufsausbildung mit dem Gröbsten durch sind, fällt bei Jungen der Pubertätsabschluss genau in die Zeit der Auflösung. Weil jetzt Entscheidungen anstehen, die lebensprägend sind, wächst der Druck, es richtig zu machen. Gleichzeitig hat die Zahl der Möglichkeiten zugenommen. Davon fühlen sich viele heranwachsende Buben überfordert, reagieren mit Rückzug und Abtauchen: Sie hängen zwischen Schule und dem nächsten Schritt rum oder finden den Absprung von zu Hause nicht.

Und daran ist ihre verzögerte ­Entwicklung schuld?

Zum einen, ja. Zum anderen aber auch ein «verprinzter» Erziehungsstil, in dem tendenziell immer noch ­viele Jungen erzogen werden. Von klein auf stellen wir an sie weniger Anforderungen als an Mädchen, bei Schwierigkeiten unterstützen Eltern viel stärker. Zudem sind viele Mütter sehr verflochten mit ihren Söhnen – das alles macht den Absprung schwerer.

Woran merken Eltern, dass die ­Pubertät vorbei ist?

Das Ende stellt sich meist noch schleichender ein als ihr Beginn. Eltern merken es eher beiläufig –wenn der Sohn weniger aufbraust, der Widerstand gegen alles, was die Eltern sagen, weg ist, pubertäre Reflexe nicht mehr nötig sind. Oder wie Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick sagte: «Menschliche Reife ist, das Richtige zu tun, selbst wenn die Eltern es empfohlen haben.»

Kristina Reiss
ist freischaffende Journalistin und Mutter einer Tochter, 12, und eines Sohnes, 9. Sie lebt mit ihrer Familie am Bodensee.

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