Mein Kind schlägt zu
Wenn ein Kind seine Gefühle jedoch überhaupt nicht im Griff hat, immer wieder und aus nichtigen Anlässen heraus explodiert und unkontrolliert zuschlägt, müssen Eltern und Lehrpersonen reagieren.
Dem Zuschlagen geht meist ein Gefühl intensiver Wut voraus. In diesem Zustand sind wir kaum fähig, vernünftig zu handeln. Das Adrenalin pumpt durch die Venen, das Herz hämmert, es wird einem fast schwindlig, und der Kopf schaltet sich aus. Insbesondere impulsiven Kindern gelingt es nicht, in dieser Situation die Kontrolle zurückzugewinnen, den ersten Impuls zu unterdrücken und den Kopf wieder anzuschalten. Diese Fähigkeit kann aber – ein Stück weit – trainiert werden.
Selbstbeherrschung lässt sich üben
Die spannendere Frage lautet: Wie könnte es dem Kind das nächste Mal gelingen, nicht zuzuschlagen? Als Eltern oder Lehrperson können Sie einiges unternehmen, um das Kind in diese Richtung zu unterstützen. Arbeiten Sie mit ihm an einer Alternative:
Wenn das Kind nicht zuschlagen darf, benötigt es eine andere Möglichkeit! Wie soll oder kann es beispielsweise reagieren, wenn es von anderen provoziert wird? Wenn ich Eltern oder Lehrpersonen diese Frage stelle, wird es meist für einen Moment ruhig. Es ist gar nicht so einfach, anders zu reagieren. Viele Lösungen wie «Sag es der Lehrerin» oder «Dreh dich um und geh weg» sind für Kinder gänzlich unattraktiv. Schliesslich will man kein Verräter und kein Feigling sein.
Suchen Sie gemeinsam mit dem Kind nach Alternativen – und zwar so lange, bis eine Lösung gefunden wird, die das Kind gerne ausprobieren möchte. Oft ist es hilfreich, wenn die Kinder ihrer Wut Ausdruck verleihen dürfen, bevor sie sich umdrehen. Beispielsweise: Ich sage zum anderen Kind: «Du nervst mich, du Depp! Mit dir rede ich heute nicht mehr!» – dann drehe ich mich um und gehe. Oder: «Du bist es nicht wert, dass ich dir eine reinhaue – am Ende mache ich mir noch die Hände dreckig und muss nachsitzen!» Der Pausenplatz kann ein ziemlich raues Pflaster sein. Oft wissen die Kinder besser als die Eltern, welche Möglichkeiten noch angemessen sind – und womit man den Respekt seiner Klassenkameraden verliert und sich erst recht zur Zielscheibe macht.
Zur Vorbereitung kann überlegt werden, was das Kind zu sich selbst sagen kann, um sich abzukühlen. So könnte es, wenn es wieder vom gleichen Klassenkameraden gehänselt wird, zu sich selbst sagen: «Tobias, du kennst das – jetzt heisst es cool bleiben. Denk dran: Du lässt es nicht zu, dass du wegen diesem Idioten wieder nachsitzen musst.» Gerade bei Jungs ist es hilfreich, wenn sie sich selbst als cool sehen können.
Dem Kind wird es eher gelingen, umzusetzen, was es sich vorgenommen hat, wenn es vorher ein wenig übt. So könnte es in der Vorstellung die brenzlige Situation durchgehen. Oder Sie als Elternteil übernehmen die Rolle des anderen Kindes und provozieren, was das Zeug hält, während Ihr Kind sich bemüht, cool zu bleiben.
Zu Beginn einer Veränderung ist es hilfreich, wenn das Kind regelmässig an sein Ziel erinnert wird. So könnten die Eltern morgens Tobias ermutigen, indem sie etwas sagen wie: «Ich bin gespannt, ob du es heute schaffst, in der Pause cool zu bleiben.» Die Lehrerin könnte ihn weiter bekräftigen, indem sie ihm vor der Pause mit einem geheimen Zeichen signalisiert: «Ich glaube, dass du es heute schaffst!»