Aggressionen sind gesund
Die Art, wie wir mit Aggressionen umgehen, ist zentral für unser psychisches Wohlbefinden. Es gilt, innere Bedürfnisse wahrzunehmen und dafür zu sorgen, dass sie befriedigt werden. Gleichzeitig sollten wir Trauer und Schmerz zulassen, wenn sich unsere Wünsche nicht erfüllen.
Aggressivität an sich mag nicht sonderlich konstruktiv sein – ungesund ist sie jedoch auch nicht. Natürlich sollte man den Ausbruch dazu nutzen, die Blockade zu ergründen, die ihm zugrunde liegt, doch bis man so weit ist, kann man dem Konflikt nicht entkommen. Auch dann nicht, wenn die ersten acht bis zehn Auseinandersetzungen wenig fruchtbar waren. Für die Familienmitglieder selbst ist es oft schwer zu erkennen, was sich unter der Oberfläche abspielt, während Freunden und Bekannten sogleich klar ist, wo der Hase im Pfeffer liegt.
Zugleich ist die Art und Weise, wie wir die Aggression handhaben, von zentraler Bedeutung für unsere mentale Gesundheit. Aggression braucht Luft, Platz und Mut. Wenn wir ihr diese nicht einräumen und sie pauschal ablehnen, werden sich ernsthafte Beziehungsprobleme einstellen, die oft psychosomatische Symptome wie Kopf- oder Bauchschmerzen, Migräne und depressive Verstimmungen nach sich ziehen.
Ein klassisches Beispiel
Viele Paare geben ihre Liebesbeziehung auf, wenn sie Kinder bekommen. Sie treffen jede Menge Entscheidungen, die das Zusammenleben ihrer Familie, die Verteilung der Arbeit und die Kindererziehung betreffen, doch vergessen sie darüber, für ihre eigene Beziehung Sorge zu tragen. Sie betrachten sich quasi als Vollzeiteltern, doch wer sich vierundzwanzig Stunden am Tag ausschliesslich als Vater oder Mutter betrachtet, vernachlässigt zwangsläufig seinen Partner.
Aggression braucht Luft, Platz und Mut. Wenn wir sie pauschal ablehnen, werden sich Beziehungsprobleme einstellen.
Haben sich die Partner darauf geeinigt, dass er der Allein- oder Hauptverdiener ist, während sie weitgehend zu Hause bleibt, ist die Gefahr gross, dass sie sich nutzlos vorkommt, ganz gleich, wie wertvoll ihr Beitrag für die Familie auch sein mag. Das kann sich darin äussern, dass sie sich scheinbar im Scherz als Putzfrau oder Kindermädchen bezeichnet und ihrem Mann vorwirft, sich weder an der Kindererziehung noch an den häuslichen Arbeiten angemessen zu beteiligen. Im Grunde geht es in solch einer Auseinandersetzung nie wirklich um den Haushalt oder die Kinder, sondern um den Verlust einer intakten Partnerschaft.
Dass sich auch der Vater vernachlässigt fühlt, äussert sich oft in einer bestimmten Form der Eifersucht, weil er sich beiseitegeschoben fühlt und das Gefühl hat, für seine Frau nur noch die zweite Geige zu spielen.