«Körperliche Bestrafungen bringen Kinder auf die schiefe Bahn»
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«Körperliche Bestrafungen können Kinder auf die schiefe Bahn bringen»

Lesedauer: 2 Minuten

Gabriella Bercher, 41, lebt mit ihrem Mann Yanick, 35, und den Kindern Noel, 11, und Joa, 9, in Belp BE. Die Personalfachfrau und der Polizist sind seit 15 Jahren ein Paar. ­Beide ­finden:­ Körperliches Strafen­ von­ ­Kindern müsste­ gesetzlich­ verboten­ sein.­ 

Aufgezeichnet von Julia Meyer-Hermann
Bild: Ruben Hollinger / 13 Photo

Mein Mann und ich kommen beide aus autoritären Elternhäusern. Ich habe dagegen rebelliert, mich früh auf die andere Seite geschlagen und bin sehr sozial ausgerichtet. Yanick und ich sind überzeugt, dass körperliches Strafen von Kindern verboten werden müsste. Yanick erlebt in seinem Alltag als Polizist oft genug, wie wenig solche Bestrafungen bringen. Er hat auch mit jugendlichen Tätern zu tun, oft sind sie erst 12 oder 13 Jahre alt. Diese Kinder werden von der Polizei bestraft, ausserdem werden viele für ihr Vergehen von ihren Eltern verprügelt.

Eine Woche später erwischt Yanick diese Kinder dann wieder dabei, dass sie stehlen oder andere Kinder zusammenschlagen. Sie lernen aus der Prügelstrafe der Eltern vor allem eines: Sie imitieren das Gewaltmuster. Das heisst nicht, dass wir antiautoritär erziehen. Wir vertreten beide klare Regeln und Grenzen. Ich bin auch manchmal froh, wenn Yanick ein Machtwort spricht und sagt: «So, und jetzt ist das Thema durch.»

Belohnungen lehnen wir nicht ganz so radikal ab wie Bestrafungen.

Das bedeutet aber nicht, dass wir unsere Kinder für Fehlverhalten bestrafen oder ihnen mit einer Strafe drohen. Ein Beispiel: Als unser Sohn Noel in der vierten Klasse war, stand eine grosse Matheprüfung an. Ich habe ihn mehrfach aufgefordert, dafür zu lernen. Er hat gesagt: «Du musst mir vertrauen.» Ich habe gedacht: «Er muss diese Erfahrung selbst machen.» Das war für mich sehr schwer, weil ich wusste, dass er die Arbeit verhauen würde.

Er kam dann auch mit einer schlechten Note nach Hause und war wahnsinnig traurig. Eine Strafe war da überhaupt nicht notwendig, auch kein Spruch wie «Ich habe es dir ja gesagt». Im Gegenteil: Ich habe ihn umarmt. Er hatte seine Lektion gelernt, die Diskussion hatten wir nie wieder. Belohnungen lehnen wir nicht ganz so radikal ab wie Bestrafungen.

Wir versuchen aber materielle Anreize zu vermeiden und stattdessen gemeinsame Zeit zu schenken. Vor Kurzem hat unsere Tochter Joa als Überraschung für uns die ganze Wohnung aufgeräumt. Yanick und ich haben dann an dem Abend einen Pizza- und Fernseh-Abend gemacht. Die Kinder haben sich sehr über diesen Dank gefreut! Mein Mann und ich sind ganz der Meinung von Astrid Lindgren: «Gebt den Kindern Liebe, Liebe und nochmals Liebe, dann stellen sich die Manieren von ganz alleine ein.»

Mein Vater hat meine Erziehung lange Zeit belächelt. Er war immer der Ansicht, dass wir die Kinder auf diese Art verzärteln und verziehen. Kurz bevor er gestorben ist, hat er seine Meinung geändert. Er hat mir gesagt, dass er unsere Kinder als wunderbar freundlich und gut erzogen empfindet. Er wüsste nun, dass es keine autoritäre Strenge brauche, sondern Kommunikation der Schlüssel sei.

Julia Meyer-Hermann
lebt mit ihrer Tochter und ihrem Sohn in Hannover. Ihre Schwerpunkte sind Wissenschafts- und Psychologiethemen.

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