Jugendliche Lebenswelten im Vergleich

Was beschäftigt Jugendliche heutzutage? Was sind ihre Ziele? Wovor haben sie Angst? Dies untersuchen verschiedene Studien. Ein Überblick.
Die Studienreihe «Wie ticken Jugendliche?» des Sinus-Instituts in Heidelberg ermöglicht seit 2012 tiefe Einblicke in das Leben von Jugendlichen. In der Altersgruppe der 14- bis 17-Jährigen identifizieren Sinus-Forscher sieben «Lebenswelten», die sich auf gut 2000 befragte Jugendliche folgendermassen verteilen:
1. Adaptiv-pragmatisch
Tonangebend ist die Gruppe der «Adaptiv-Pragmatischen» (24 Prozent der Befragten). Diese verstehen sich als leistungs- und familienorientierter Mainstream und zeigen eine hohe Anpassungsbereitschaft.
2. Expeditiv
Die «Expeditiven» (21 Prozent) legen Wert auf Erfolg und Lifestyle, sind gebildet und sehen sich als Avantgarde ihrer Generation. Ihre Selbsteinschätzung mutet laut Forschern zuweilen narzisstisch an.
3. Konservativ-bürgerlich
Dagegen geben sich die «Konservativ-Bürgerlichen» (15 Prozent) bodenständig, halten Traditionen hoch und orientieren sich an Werten wie Familie und Heimat.
4. Materialistisch-hedonistisch
Zur sozialen Unterschicht gehören die «Materialistischen Hedonisten» (15 Prozent). Sie fallen durch eine ausgeprägte Konsumorientierung und ihr Markenbewusstsein auf, legen Wert auf Freizeit und Familie.
5. Experimentalistisch-hedonistisch
«Experimentalistische Hedonisten» (12 Prozent) wollen sich vom Mainstream abheben und anecken. Dazu gehört für viele, früh Alkohol, Zigaretten und Marihuana zu probieren. Wie vergleichsweise moderat selbst diese Rebellion abläuft, zeige sich unter anderem daran, dass sie sich kaum gegen die Eltern richte, schreiben die Forscher: «Zwar rebellieren diese Jugendlichen gegen ‹spiessbürgerliche› Normalität, die eigenen Eltern entsprechen diesem Bild jedoch nur noch selten.»
6. Sozialökologisch
Die «Sozialökologischen» (8 Prozent) sind offen für alternative Lebensentwürfe, orientieren sich an Werten wie Gemeinwohl und Nachhaltigkeit.
7. Prekär
Eine Randgruppe stellen die «Prekären» (5 Prozent) dar, Jugendliche mit schwierigen Startvoraussetzungen, die aber um Teilhabe bemüht sind. Sie werden als «Durchbeisser» charakterisiert.
Die wichtigsten Studien im Vergleich
Das Jugendbarometer: Junge Schweizer im Fokus
Das Jugendbarometer, das die Credit Suisse seit 2010 im Jahresrhythmus veröffentlicht, gibt einen breiten Einblick in die Lebensweise und Ansichten von Jugendlichen in der Schweiz. Für die brandneue Version von 2016, erschienen am 4. Oktober, befragte das Markt- und Sozialforschungsinstitut gfs.bern 1048 junge Erwachsene im Alter von 16 bis 25 Jahren. Wegen der hohen Internetaffiniät dieser Altersgruppe wurden die Befragungen online durchgeführt.
Verbreitet ist der Wunsch nach Familie, Wohneigentum und einer soliden Ausbildung.
Das Wichtigste in Kürze:
Der Lebensentwurf der Jugendlichen in der Schweiz ist stark von individualistischen Tendenzen geprägt, die jedoch problemlos mit postmaterialistischen Werten in Einklang gebracht werden. Jugendliche wollen vieles ausprobieren und streben eine gute Work-Life-Balance an. Verbreitet ist der Wunsch nach Familie, Wohneigentum und einer soliden Ausbildung – vor allem bei der Generation Z, den nach 2000 Geborenen. Das Jugendbarometer charakterisiert sie als ambitioniert und zielorientiert.
Die Sinus-Studie: Teenager unter der Lupe
Das Sinus-Institut in Heidelberg erforscht seit Jahren jugendliche Lebenswelten in Deutschland. Daraus hervorgegangen ist die Studienreihe «Wie ticken Jugendliche?». Für die aktuellste Version führten Forscher Gespräche mit 72 14- bis 19-Jährigen aus unterschiedlichen sozialen Milieus. Zusätzlich interviewten sich Teenager gegenseitig. Diese Forschungsmethode gilt zwar nicht als repräsentativ, aufgrund ihrer Tiefenschärfe aber als aussagekräftig.
Das Wichtigste in Kürze:
Viele Teenager haben heute nahezu die gleichen Wertvorstellungen wie Erwachsene. Die Mehrheit ist sich einig, dass gerade in der heutigen Zeit ein gemeinsamer Wertekanon gelten muss, weil nur so das «gute Leben» gelingen kann. Diese Entwicklung nennen die Forscher «Neo-Konventionalismus», charakteristisch dafür seien die hohe Anpassungsbereitschaft sowie ihre selbstverständliche Akzeptanz von Leistungsnormen und bürgerlichen Tugenden wie Fleiss, Ehrlichkeit und Pünktlichkeit.
Die Shell-Studie: Pioniere der Jugendforschung
Seit 1953 analysieren die Shell-Jugendstudien in Abständen von jeweils vier bis fünf Jahren, wie junge Menschen in Deutschland die sich ihnen stellenden Herausforderungen bewältigen. Für die 17. Shell-Jugendstudie von 2015 nahmen 2558 junge Erwachsene der Jahrgänge 1989 bis 2002 an einer Umfrage mittels Fragebögen teil. In einem zweiten, sogenannt qualitativen Teil der Analyse führten Forscher darüber hinaus 21 persönliche Interviews.
Das Wichtigste in Kürze:
Die Jugend von heute könne mehr denn je als eine Generation im Aufbruch bezeichnet werden, stellen die Forscher der Shell-Studie fest. Sie gebe sich abgeklärt, ohne dabei dem Pessimismus zu verfallen, und begegne den Herausforderungen einer schnelllebigen Welt mit einer pragmatischen Haltung. Auffallend seien die Bereitschaft der Jugendlichen, sich an Leistungsnormen zu orientieren, ihr Bedürfnis nach Sicherheit und der Wunsch nach stabilen persönlichen Beziehungen.