«In der Schule war es oft schwierig für Nina»
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«In der Schule war es oft schwierig für Nina»

Lesedauer: 2 Minuten

Die zwölfjährige Nina ist hochsensibel und reagiert stark auf Reize und soziale Interaktionen. Der Umgang damit war für die ganze Familie ein Prozess.

Aufgezeichnet von Julia Meyer-Hermann
Bild: Désirée Good / 13 Photo

Simone*, 46, Business-Managerin, und ihr Ehemann Daniel, 47, Informatiker, leben mit ihren Töchtern Nina, 12, und Rosalie, 15, in Uster ZH. Hier erzählen sie von ihren Erfahrungen mit Ninas Hochsensibilität.

Plötzliche Planänderungen sind für Nina eine Herausforderung. Wenn sie sich auf etwas eingestellt hat, kann sie nicht einfach umswitchen. Das war auch kürzlich in unserem Island-Urlaub so. Wir hatten geplant, in einem Restaurant zu essen, doch es war ausgebucht, und wir mussten umdisponieren. Für Nina war das eine Katastrophe. Die Enttäuschung, aber auch der vermeintliche Verlust von Kontrolle haben sie völlig überfordert. Solche Situationen, die für uns oft nur kleine Unannehmlichkeiten sind, führen bei ihr zu emotionalen Zusammenbrüchen.

Ein grosser Schritt nach vorn war, als Nina selbst anfing, ihre Hochsensibilität zu akzeptieren.

Dass Nina hochsensibel sein könnte, haben wir durch den Hinweis einer Freundin begriffen, die bestimmte Muster von sich selbst kannte. Nach einer Reihe von Tests und Gesprächen mit Fachleuten wurde uns schliesslich klar, dass Nina ihre Umwelt intensiver wahrnimmt als andere Kinder. Uns war schon früh aufgefallen, dass sie auf kleinste Reize reagierte, sei es ein lautes Geräusch, kratzige Kleidung oder eine unerwartete Veränderung im Tagesablauf. Eine Erklärung dafür zu haben, half uns dabei, einen guten Umgang damit zu finden.

In der Schule war es oft schwierig für Nina. Wenn sie bei Aufgaben nicht genau wusste, was von ihr erwartet wurde, konnte sie nicht damit starten. Früher versuchten wir, sie zu motivieren, oder drängten sie, doch das endete meist in Frustration. Heute geben wir ihr Zeit und den Raum, in ihrem eigenen Tempo zu arbeiten. So funktioniert es!

Als Familie stärker zusammengewachsen

Soziale Interaktionen stellten ebenfalls eine grosse Hürde dar. Nina nahm die Emotionen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler oft so intensiv wahr, dass sie am Ende des Tages völlig erschöpft war. Wenn andere Kinder schlecht behandelt wurden, litt sie immens darunter, weil sie die negativen Gefühle anderer Kinder auf sich projizierte. In Zusammenarbeit mit ihren Lehrern und einer Therapeutin haben wir gelernt, wie wir Nina helfen können, sich emotional abzugrenzen.

Ein grosser Schritt nach vorn war, als Nina selbst anfing, ihre Hochsensibilität zu akzeptieren. Sie spricht heute offen mit ihren Lehrern und Freundinnen darüber, was ihr guttut und wo sie Unterstützung braucht. Das hat ihr nicht nur geholfen, sich in der Schule besser zurechtzufinden, sondern auch ihr Selbstbewusstsein gestärkt.

Wir haben gelernt, achtsamer miteinander umzugehen.

Für uns als Familie war dieser Prozess ein Lernweg. Wir mussten nicht nur lernen, Ninas Bedürfnisse zu verstehen und zu unterstützen, sondern auch darauf achten, dass ihre ältere Schwester Rosalie nicht zu kurz kommt. Es gab Zeiten, in denen Rosalie das Gefühl hatte, Nina bekäme mehr Aufmerksamkeit, aber durch offene Gespräche haben wir ein Gleichgewicht gefunden.

Heute sehen wir die Hochsensibilität unserer Tochter weniger als Herausforderung, sondern auch als eine besondere Gabe. Wir sind als Familie stärker zusammengewachsen, haben gelernt, achtsamer miteinander umzugehen und Rücksicht auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen zu nehmen. Nina hat auf diesem Weg viel über sich selbst gelernt und wird als Erwachsene von ihrer Sensibilität profitieren!

* Die Namen aller Familienmitglieder wurden von der Redaktion geändert.

Julia Meyer-Hermann
lebt mit ihrer Tochter und ihrem Sohn in Hannover. Ihre Schwerpunkte sind Wissenschafts- und Psychologiethemen.

Alle Artikel von Julia Meyer-Hermann

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