Schnodder, schnief und mieses Karma - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Schnodder, schnief und mieses Karma

Lesedauer: 3 Minuten

So, jetzt geht sie los. Die Zeit vor der ich grösstes Grauen habe. Nein, nicht Halloween. Auch nicht der Besuch meiner Schwiegereltern. Die Erkältungszeit. Unsere drei Kinder sind wandelnde Magnete für Viren. Sie ziehen Erkältungen magisch an.

Im letzten Leben muss ich mal eine heilige Kuh durch den Fleischwolf gedreht haben. Nur so kann ich mir mein mieses Karma erklären. Wieso wird uns diese Schnodder-Zeit jedes Jahr aufgebrummt?

Von Oktober bis März können wir uns darauf verlassen …

… zum schlechtmöglichsten Zeitpunkt werden die Kinder so richtig krank. Wenn mein Mann auf Dienstreise ist, und ich ein dringendes Projekt abschliessen muss. Wenn Oma krank ist und die Hüti keine Zeit hat. Wenn meine Chefin schwärzeste Laune hat und etwas von Personal-Einsparungen murmelt. Genau dann erwischt es die Kids so richtig.

… Geschwister kriegen Infekte grundsätzlich nacheinander. Alle ab aufs Sofa, viel Tee mit Honig trinken – und nach einer Woche sind wir durch? Das wäre meine Wunschvorstellung. Die Realität sieht so aus: Erst liegt ein Kind jammernd auf dem Sofa und jammert:  «Mir ist so laaaangweilig – wo bist Duuuuu denn?!»  Dann kommt der Abend, wo wir durchs Schlafzimmer tanzen: Hurra, Kind gesund! Hurra, morgen nur noch der ganz normale Wahnsinn! Genau dann steht das nächste Kind bleich in der Tür und hat Schluckweh. Die Woche drauf das dritte. Und dann wieder von vorne. Bis zum Frühjahr.

… Viren weitergeben klappt super. Unsere Kinder teilen absolut nichts gern miteinander. Nicht die zehn identisch tussigen Barbies. Nicht die monströsen Mengen an Lego-Steinen. Nicht mal die Knete, die man nun wirklich gut teilen könnte. Nur beim Viren-Teilen werden unsere Kinder richtig grosszügig. Sie niesen uns an mit einer Zielgenauigkeit, da erblasst selbst Roger Federer. Sie wischen sich die Nase mit der Hand ab – und wischen mit ihr über meinen iPad. Sie hinterlassen ansteckende Schleimspuren in unserem Haus wie Nacktschnecken im Garten.

… danach erwischt es uns. Irgendwie nicht erstaunlich. Wir Eltern haben mehr Nachtwachen hinter uns als jede Gewerkschaft für Pflegekräfte erlauben würde. Wir sind hundemüde und unser Immunsystem ist im Keller. Dann endlich sind alle Kinder wieder gesund und wir zwingen uns mit 39 Grad Fieber zur Arbeit. Weil sich die Chefin anhört, als würde sie sonst unser Büro mit der Axt renovieren. Also lösen wir unser Aspirin im Kaffee auf und legen los.

Ohne Kinder war Kranksein noch kuschelig

 … Eltern dürfen nicht krank werden. Kranksein – bevor wir Kinder hatten – war mal so richtig kuschelig. Dussel-Zeitungen lesen, die Hühner-Suppe meiner Mutter trinken, Emergency Room schauen und von George Clooney träumen. Jetzt träume ich, dass sich die Kinder nicht anschreie, während ich rasende Kopfschmerzen habe. Kinder fallen die Treppe runter, schneiden sich beim Schnitzen, krachen vom Velo – immer, wenn ich krank bin. Kochen muss ich auch, wenn ich kaum mehr stehen kann. Bloss keine Hühnersuppe allerdings, sonst höre ich nur: «Wäääh, wie grusig!».

… wahre Liebe ist, sich um kranke Kinder zu kümmern. Ich dachte früher, wahre Liebe ist, mich von meinem Mann bei Windstärke 6 anschreien zu lassen «jetzt luv halt die Fock!». Mein Mann dachte, wahre Liebe ist, mir die Ikea-Schrankwand aufzubauen, ohne die Scheidung einzureichen. Jetzt wissen wir, das ist alles pille-palle. Wahre Liebe ist, wenn mein Mann nachts dreimal aufsteht, um warme Milch mit Honig zu machen. Wahre Liebe ist, ihn im Gegenzug nicht zu erwürgen, wenn er von seinem produktiven Tag und dem tollen Business-Lunch schwärmt. Ich habe den ganzen Tag gerödelt und für kranke Kinder und Schonkost gekocht. Trotzdem sieht unser Wohnzimmer abends schlimmer aus als morgens. Immerhin habe ich die ausgekotzte Schonkost wieder weggeputzt. Echt produktiv.

… Schulen sind keine Orte der Wissens-Vermittlung. Von Herbst bis Frühjahr sind Schulen eindeutig Orte der Viren-Vermittlung. Irgendwo, in einem schummrigen Kabuff unten im Keller, muss sich ein kinderhassender Abwart verstecken. Er rührt erstklassig starke Viren-Cocktails an und versprüht sie in jedem Klassenzimmer. Ansonsten verstehe ich nicht, warum unsere Kinder frisch gesundet in die Schule gehen und sofort wieder krank werden. Jedes Mal. Wir Eltern chatten nur noch darüber, was gerade herumgeht: Streptokokken in der 3a. Grippe in der 1c. Jeder Bauernhof würde bei so vielen Krankheiten im Stall geschlossen, die Schule läuft fröhlich weiter.

Wir haben alles probiert, aber es ist wie mit Abnehm-Tipps: Alles wirkt so ein bisschen, nichts richtig.

… es gibt keinen Ausweg. Die Erkältungszeit ist wie ein Tunnel ohne Notausgang. Wir müssen da durch. Und wir haben alles, wirklich alles ausprobiert, um weniger oft kranke Kinder zu haben: Globuli. Kinesiologie. Nasenduschen. Moxen. Salbeitee. Socken mit Erkältungsöl aus dem Chrüter-Hüsli. Ehrlich. Es ist wie bei Abnehm-Tips: Alles wirkt ein bisschen, leider nichts so richtig durchschlagend. Mittlerweile weiß ich, dass Echinacea und Umckaloaba keine Tänze aus Afrika sind. Aber nach Afrika auswandern würde ich schon gern. Da gibt es wenigstens keine Erkältungen. 

Nun, so lange wir noch hier sind, gehe ich jetzt mal prophylaktisch Taschentücher einkaufen. Alle Goldhamster, kommt in unser Haus – es hat bald in jeder Ecke Kleenex-Häuflein für Euch zum Nisten! 

Hatschi. Verdammt, es geht los …

Bild: Fotolia.de


Ulrike Légé (45), ursprünglich aus Niedersachsen, lebt jetzt im Baselland, arbeitet Teilzeit für kleinere Unternehmen in Kommunikation und Strategie. Der grösste Teil ihrer Zeit und Liebe geht an die Familie; drei wuselige Kinder von 6, 9 und 12 Jahren, ein französischer Mann, ein Hundebaby. Als Multikulti-Familie sind sie immer wieder begeistert davon, wie schön das Leben in der Schweiz ist. Also ausserhalb der Grippesaison versteht sich.  
Ulrike Légé (45), ursprünglich aus Niedersachsen, lebt jetzt im Baselland, arbeitet Teilzeit für kleinere Unternehmen in Kommunikation und Strategie. Der grösste Teil ihrer Zeit und Liebe geht an die Familie; drei wuselige Kinder von 6, 9 und 12 Jahren, ein französischer Mann, ein Hundebaby. Als Multikulti-Familie sind sie immer wieder begeistert davon, wie schön das Leben in der Schweiz ist. Also ausserhalb der Grippesaison versteht sich.  


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