«Wegen dem doofen Corona lerne ich nie schwimmen!» - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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«Wegen dem doofen Corona lerne ich nie schwimmen!»

Lesedauer: 3 Minuten

Kinder sind nicht die Treiber von Corona. Und doch treibt auch sie die aktuelle Situation um: Ihr Alltag wurde auf Standby gestellt. Was macht das mit ihnen? 

Online-Leiterin Florina Schwander macht sich Gedanken über verpasste Schwimmkurse und den Unterschied zwischen der kindlichen und der erwachsenen Pausentaste. 

Was macht Corona eigentlich mit unseren Kindern? Was verpassen sie, wenn Sport, Musikunterricht und Partys ausfallen? Wie wirken die Masken-Menschen auf sie? 

Diese Fragen beschäftigen die meisten Eltern seit Monaten. Antworten darauf gibt es viele, ein richtig oder falsch nicht. Man liest Experten, die beruhigen, Kinder können Pandemie, Resilienz, kennsch! Andere unterstreichen das Risiko für gefährdete Kinder in Krisenzeiten, volle Psychiatriekliniken für Jugendliche verstärken die Sorgen. Vielleicht nicht die Sorgen um die eigenen Kinder, aber doch um Kinder als Teil unserer Gesellschaft an sich. 

Meine Kinder sind knapp fünf und sieben Jahre alt. Ein gutes Alter, meiner Meinung nach, für die aktuelle Situation. Sie sind grundsätzlich gerne mit uns Eltern zusammen und geniessen es, dass wir als Familie so viel Zeit zusammen verbringen. Sie gehen gerne in Schule und Kindergarten und haben dort Kontakt mit anderen Kindern und erhalten wertvolle Denkanstösse und Spielideen von den Lehrpersonen. Zudem kann man mit ihnen Sachen besprechen, sie verstehen eine kindgerechte Übersetzung von Corona und können ihre Sorgen und ihre Meinung äussern. 

«Ich glaube, dieses Corona geht nie weg.»

Genau so eine Äusserung hat mich gestern zum Nachdenken gebracht. Der eine Sohn beschwerte sich und meinte: «Mama! Wegen diesem doofen Corona lerne ich nie schwimmen!» Und sein Bruder fügte an: «Ich glaube, dieses Corona geht nie weg.» Ich habe kurz leer geschluckt und dann erklärt, dass sie sehr wohl werden schwimmen lernen. Irgendwann. Und dass Corona uns wohl noch länger begleiten wird, ja, dass wir aber immer einen besseren Umgang damit lernen und es uns immer weniger einschränken werde. 

Mir sind diese beiden Sätze nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Es ist das erste Mal, dass sich meine Kinder beschweren über Corona, dass sie bewusst einen Nachteil sehen für sich in der aktuellen Situation. Mir ist klar, dass das normal ist und dass ich das als dankbaren Anstoss nehmen sollte, mit ihnen über ihre Sorgen zu sprechen und diese einzuordnen. Und doch hat es mich traurig gemacht. 

Mein Leben ist gefühlt seit knapp einem Jahr auf Standby, der Sommer ausgenommen. Mein Radius begrenzt sich gefühlt auf ein paar Spielplätze, unsere Wohnung und das Homeoffice in der Mansarde oben. Im Witz habe ich meinen Freunden erklärt, ich bliebe so lange 39, bis ich meinen 40. richtig feiern dürfe. Ein Jahr in meinem Leben sind ein paar Monate Standby, ein paar Monate eingeschränkter Alltag, nicht weiter tragisch. Doch was ist ein Jahr Corona in einem Kinderleben? Wie schlimm ist ein verpasster Kindergeburtstag für eine Sechsjährige? Wie lustig und fördernd wären gemütliche Playdates in wechselnden Kinderzimmern? Mir schwant, dass die Antworten nicht so harmlos «pausentastig» anmuten wie bei mir. 

Natürlich, ich denke im Luxus. Wir sind alle gesund und glücklich. Und doch dürfen solche Gedanken auch ihren Raum haben, losgelöst von der Pausentaste. 

Corona-cool? Corona-argh!

Beim Znacht nehme ich das Thema wieder auf. Will von der knapp siebenjährigen Tochter wissen, ob es für sie komisch ist, dass in der Schule jetzt alle Lehrerinnen und Lehrer Maske tragen. «Hä, nein!» Sie habe sich schnell dran gewöhnt, meint sie. Und fragt gleich danach, ob ich ihr wieder eine Maske geben könne für die nächste Busfahrt. Meine Erklärung, dass sie keine tragen müsse mit ihren knapp sieben Jahren wird überhört. «Weisch, Mami, es ist doch sicherer so.»

Die Jungs wollen selber zwar keine Maske tragen, doch der verpasste Schwimmkurs ist erst einmal vom Tisch als ich ihnen vorschlage, beim nächsten Bad in der Wanne doch die Taucherbrille mit reinzunehmen. «Cool, Mami, Corona-cool!», schreit der eine durch die Küche. Der Tag endet gut (und frisch gebadet). 

Cool findet es aktuell wohl niemand, mir persönlich tut die kurze Problem-Justierung aber gut. Ja, meine Kinder verpassen einiges, was sie ohne Corona vielleicht machen würden. Doch ich kann es ihnen verständlich erklären und sie lassen sich meist für Alternativen begeistern. Und würden sie andersrum vielleicht nicht auch die viele Zeit mit uns, die Nachmittage im Wald, die neuen Rituale, und so weiter, verpassen? Wer legt den Wert vor fürs Verpassen? 

Ich beschliesse: Verpassen ist doof. Nur das Leben soll bitte nicht verpassen, irgendwann wieder von der Pausentaste runterzugehen. Bis dahin machen wir Trockenübungen mit Brustschwumm auf dem Stubenboden. Klappt ganz gut!

Sie haben meine Gedanken gelesen, mich interessieren Ihre: Haben Sie das Gefühl, Sie und Ihre Kinder verpassen etwas? Wenn ja, was? Und wie gehen Sie damit um?

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