Rückblick auf die Lockdown-Zeit - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Rückblick auf die Lockdown-Zeit

Lesedauer: 4 Minuten

Der Corona-Lockdown ist vorbei. Unsere Bloggerin Ulrike Légé erinnert sich zurück und sagt, was sie vermisst und wo sie aber auch heilfroh ist, herrscht wieder normaler Alltag. Und was denkt eigentlich der Familienhund Sunny?

Wenn unser Hund eines nie verstehen wird an uns Menschen, dann unsere komplexen Gefühle. Jetzt hat uns der neue, alte Alltag wieder. Ich blicke auf die Lockdown-Zeit zurück und merke: Ich vermisse genau die Dinge, von denen ich eigentlich heilfroh bin, dass sie vorbei sind … Muss man das als Hund verstehen? Wahrscheinlich nicht. 

Zum Beispiel vermisse ich es überhaupt nicht, dass alle im Haus waren. Dauernd klapperte jemand in der Küche, polterte die Treppen herunter – selbst das Geräusch unserer Toiletten-Spülung, die von fünf Personen jede Stunde einmal gezogen wurde, ging mir auf die Nerven. Dann lieber eine Kuckucks-Uhr …

Hund Sunny nimmt es gemütlich.
Hund Sunny nimmt es gemütlich.
Ausserdem suchten sich all unsere Kinder plötzlich neue ökologische Nischen, um doch mal mit Mami oder Papi allein zu sein. Da stand die mittlere Tochter morgens um 6 Uhr an der Badewanne zum Schwätzen, unser Teenie wollte um Mitternacht noch mit uns Gamen und die Kleine entdeckte plötzlich ihre Lust am Gärtnern. Alle natürlichen Rückzugsgebiete, die in der Schweiz selbst jedem Reh zustehen – für uns Eltern waren sie plötzlich weg!

Gleichzeitig fehlt es mir ganz furchtbar, dass nicht mehr alle im Haus sind. Es war so richtig kuschelig. Draussen tobte das Virus, drinnen machten wir es uns gemütlich. Ein bisschen wie eingeschneit werden ohne kalte Füsse. Aber trotzdem mit viel Kartenspielen. Und Puzzeln. Und Malen. Und Filmeschauen zusammen.

Das Mama-Huhn mit all ihren kulinarischen Küken 

Immer wenn wir alle so zusammen sassen, fühlte ich mich glücklich wie Mama-Huhn mit all ihren Küken. Als ich dieses Hochgefühl mit der Familie teilte, prusteten die Kinder allerdings nur los, das sei ja klar. Hennen hätten immer so plusterige Puschel-Popos – ich seit dem Lockdown auch. Haha. Was mich zum nächsten Punkt bringt:

Ich vermisse unsere gemeinsamen Essen.Wir sind zwar eine halbfranzösische Familie, aber die Gourmand-Gene meines Mannes kamen erst in der Corona-Zeit so richtig zum Gelten. Was genau wir Lust hätten zu kochen und backen und dekorieren und essen – das waren plötzlich abendfüllende Diskussionen. 

Dann übernahm mal mein Mann die Regie in der Küche (Ratatouille! Quiche! Crêpes!). Mal unsere Youtube- und Fitness-beeinflusste 12-jährige Tochter (Gefüllte Gurken! Frische Ravioli! Tomatensalat!). Und mal unsere rein lustbetonte Kleine (Pfannkuchen! Nudeln! Pizza!). Nur der Teenie-Sohn erklärte von Anfang an kategorisch, seine Küchen-Expertise läge im Verputzen. Was er auch tat.

Andererseits bin ich froh, dass sie vorbei sind, all unsere gemeinsamen Essen. Wir haben gefühlt nichts anderes mehr anderes gemacht! Und wenn gerade niemand Lust hatte, sich Maestro-mässig in der Küche zu verwirklichen, wer musste dann ran und die Grundversorgung sicherstellen? Richtig, das Mami mit dem Puschel-Popo. Hinter all den Sterneköchen herputzen durfte sie auch. 

Ich stand Tag um Tag hinter unserem offenen Küchentresen und fühlte mich wie im Drive Through: Kaum war der letzte Kunde vom Frühstück fertig, kam schon der erste an fürs z’Nüni. Sogar unsere Teller sehen irgendwie müde aus, seit sie im Dauereinsatz waren …

Ein Hoch auf das Homeschooling

Was mir aber wirklich fehlt, ist der Unterricht zu Hause. Beide meiner Eltern haben unterrichtet. Auch wenn mir einmal eine «danach-nicht-mehr-so-gute Freundin» sagte, Lehrerkind zu sein sei schon eine Diagnose, irgendetwas Positives hat sich da vererbt. Es hat mir richtig Spass gemacht, zusammen kleine Kärtchen auf Stundenpläne zu kleben, Silbenrätsel zu lösen, Kopfrechen-Aufgaben zu machen, Vogelarten zu lernen und sie draussen zu suchen. 

Nachdem man den Kindern beigebracht hat, selber zu essen, ihre Schuhe zu binden und Fahrrad zu fahren, fragt man sich als Eltern ja häufiger, ob man eher nervig als nützlich ist. Beim Homeschooling habe ich mich endlich wieder so richtig nützlich gefühlt.

Gleichzeitig finde ich es gut, dass es nicht mehr an uns hängt, das Unterrichten zu Hause. Permanent stürzte die verflixte E-Wolke ab oder es verschwanden die vom Kind mühsam erstellten Dokumente im E-Schwarzen-Loch. Tobsuchtsanfälle brachen über uns herein wie Sommergewitter: Wenn wir die Kinder baten, ihre Arbeitsblätter bitte nicht auf der Hälfte vom Tisch zu verteilen, wo – siehe oben – permanent gegessen wurde. 

Die neugewonnene Lockdown-Energie wird in Gartenarbeit umgesetzt.
Die neugewonnene Lockdown-Energie wird in Gartenarbeit umgesetzt.
Oder wenn wir die Frage, was denn eigentlich ein Pronomen ist, auch nicht beantworten konnten. Etwas, das sich keiner anderen Wortart zuordnen lässt? Ich weiss es bis heute nicht. Oder wenn Kind 1 die Hausaufgaben zum Abholen durch den Lehrer in den Briefkasten legte, Kind 2 sie dort fand und als vermeintlich neues Material wieder ins Haus brachte. Dann kriegte erst Kind 1 den Anpfiff vom Lehrer, und dann wurde Kind 2 von Kind 1 zusammengestaucht. Gottseidank ist das vorbei!

Wo bleibt die Lockdown-Energie?

Was mir definitiv fehlt, ist die Energie der Kinder. So einen Lockdown zu überstehen, ohne in graues Grübeln zu versinken, ist schon eine Herausforderung. Einfacher wird sie, wenn sich schon frühmorgens jemand darauf freut, Molche im Teich zu beobachten. Oder unbedingt, jetzt, gleich im Garten Fluffi-Ball spielen will. Oder gerade ein mega-witziges TikTok gefunden hat. Irgendwer hatte immer gute Laune.

Froh bin ich jetzt, dass die Energie der Kinder endlich wieder andere Kanäle findet. Wir waren als Familie einmal (und nie wieder) im Club-Urlaub. Seit dem Lockdown verstehe ich, warum all die freundlichen Animateure dort so um die 18 Jahre alt sind. Und wahrscheinlich ihren Tag mit Red Bull beginnen. 

Wer sonst ist denn diesen kleinen Duracell-Häschen ohne Aus-Knopf gewachsen? Permanent springen sie um einen herum, wollen dies, brauchen das, streiten sich, tun sich weh … Mitten im Lockdown finden sie, sie müssen jetzt ihr Zimmer umdekorieren, echte Hasen anschaffen oder neue Jeans shoppen. Puh.

Unser Hund sieht das alles ganz anders. Bis vor kurzem war noch das ganze Rudel zu Hause. Dauernd jemand auf dem Sofa, um sich anzukuscheln. Dauernd jemand, der rief «ich muss hier echt mal raus – komm Gassigehen, Sunny!». Bisschen verwirrend, aber insgesamt eine prima Sache. 

Jetzt sitzt Mami wieder ganz allein an ihrem Schreibtisch und man kann sich in Ruhe auf ihre Füsse legen. Mal seufzt sie da glücklich entspannt, mal ist sie so komisch traurig bis die Jung-Mitglieder vom Rudel wieder nach Hause kommen. Bisschen verwirrend, aber insgesamt eine prima Sache. Menschen sind komische Tiere.


Ulrike Légé, ursprünglich aus Niedersachsen, lebt jetzt im Baselland, arbeitet Teilzeit für kleinere Unternehmen in Kommunikation und Strategie. Der grösste Teil ihrer Zeit und Liebe geht an die Familie; drei wuselige Kinder von 9, 12 und 15 Jahren, ein französischer Mann, und Hund Sunny.
Ulrike Légé, ursprünglich aus Niedersachsen, lebt jetzt im Baselland, arbeitet Teilzeit für kleinere Unternehmen in Kommunikation und Strategie. Der grösste Teil ihrer Zeit und Liebe geht an die Familie; drei wuselige Kinder von 9, 12 und 15 Jahren, ein französischer Mann, und Hund Sunny.


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