Kurzes Gebet für Teenager (und ihre Eltern) - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Kurzes Gebet für Teenager (und ihre Eltern)

Lesedauer: 1 Minuten
Lieber Gott

Ich habe mich lange nicht bei dir gemeldet.

Du hast dich aber auch nicht viel blicken lassen, um ehrlich zu sein.

Vielleicht, weil es dich, entschuldige, gar nicht gibt? Wie dem auch sei, du scheinst irgendwie abwesend.

Ich respektiere das, aber jetzt wende ich mich doch an dich in einer Sache. So von Eltern zu Eltern, okay? Ich bitte dich, ein wenig achtzugeben auf unsere Teenager. Gott, hilf den frustrierten, gelangweilten und destruktiven Jungs und Mädchen heute Abend und morgen und nächstes Jahr. 

«Gott, ich bitte dich, ein wenig achtzugeben auf unsere Teenager.»

Und heile sie irgendwann, irgendwie von ihrem Selbsthass, ihrer Unsicherheit und ihrer Orientierungslosigkeit. Nimm ihnen ihre absonderliche Eigenart, die Türen zuzuknallen, und schenke ihnen einen vernünftigen Tag- Nacht-Rhythmus und ein paar richtige Freunde, die zu ihnen halten und sie für das mögen, was sie sind, und nicht für das, was sie vorgeben zu sein. Schütze sie davor, sich über ihr Äusseres zu definieren, mache sie taub für die Sprüche ihrer Gleichaltrigen und manipuliere, wo du nur kannst, Spiegel und Waagen. 
Erlöse sie von den übertriebenen Ambitionen in der Schule (beziehungsweise: gib ihnen endlich welche), führe sie gern ein bisschen in Versuchung, aber flösse ihnen vor allem ein wenig Achtung ein vor sich selbst und anderen, das wäre gut. Und, ach ja, wenn das irgendwie ginge, lass doch das Internet abstürzen. Und, Gott, wo wir schon mal sprechen, darf ich dich um etwas bitten? Gib auch acht auf die Eltern von Teenagern. Hilf ihnen, das alles auszuhalten und durchzustehen. 

«Erlöse sie von den übertriebenen Ambitionen in der Schule (beziehungsweise: gib ihnen endlich welche).»

Zeig ihnen, wie man Genervtheit in Gelassenheit wandelt, Sorge in Sanftmut und Härte in Klarheit. Schütze sie davor, einen One-Way-Flug nach Alaska zu buchen oder die Pensionskassengelder in LSD zu investieren. Erinnere sie lieber daran, dass sie auch mal dort waren, wo ihre Kinder jetzt stehen, und auch daran, dass jedes Labyrinth einen Ausgang hat. 

Ich weiss ehrlich gesagt nicht, wie das gehen soll, aber du, du weisst das. 

Oder? 

Amen.


Zum Autor:

Mikael Krogerus ist Autor und Journalist. Der Finne ist Vater einer Tochter und eines Sohnes, lebt in Basel und schreibt regelmässig für das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi. Wenn Sie mehr über ihn erfahren möchten, lesen Sie unser grosses Interview mit ihm zum Thema gute Kommunikation – natürlich auch hier vor allem zwischen Eltern und Kindern.