Lässt sich Sex aus der Beziehung outsourcen? - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
Merken
Drucken

Lässt sich Sex aus der Beziehung outsourcen?

Lesedauer: 2 Minuten

Manchmal ist Sprache verräterisch. So sass ich neulich an einem lauschigen Abend mit zwei Freundinnen an einem Tisch. «Wie ist das eigentlich bei euch?» fragte die Freundin mit der Brille die andere mit der Löwenmähne. «Du und dein Mann, ihr habt euch doch getrennt, lebt aber noch zusammen mit den Kindern? Seid ihr denn jetzt noch ein Paar?» Löwenmähne wollte etwas erwidern, schwieg dann aber, schwieg und lächelte, hilflos.

Hilflos war natürlich auch die Frage. Wer zusammen Kinder hat ist zumindest ein Elternpaar – wie diese Partnerschaft beschaffen ist, ist ein anderes Thema. Es ist schwierig genug, in Worte zu fassen, wie eine konventionelle Beziehung mit Kindern funktioniert. Und für Paare, die mit ihren Kindern zusammenleben, aber ihr Liebesleben davon unabhängig gestalten, gibt es schlicht keinen Begriff. Was nicht heisst, das nicht versucht wird, das Modell Familie anders zu leben.

Wer das allerdings versucht, stösst selten auf viel Verständnis. Und muss sich zudem dauernd erklären. Die Freundin mit der Mähne tat dies so: «Ich weiss nicht, was wir genau sind. Wir leben noch als Familie zusammen, aber nicht mehr als Liebespaar.» «Und das geht.» fragte Brille in einem Ton, der nach Feststellung klang und zwar nach einer, an die zu glauben sie sich nicht in der Lage sah – zumal sie selber eine schwierige Trennung vom Vater ihrer Kinder hinter sich hatte. Löwenmähne zuckte die Schultern und lächelte wieder. Ich konnte ihr nachfühlen. Es ist oft schwierig etwas zu begründen, das ausserhalb der Konventionen liegt. Besonders wenn sich die Situation aus so radikal persönlichen Konstellationen ergibt, sind Erklärungen oft zwecklos.

Der Kinder wegen zusammen bleiben?

Wir liessen das Thema fallen, aber ich fragte zu einem späteren Zeitpunkt nochmals nach, wie Löwenmähne und ihr Mann dazu gekommen waren, sich zu trennen und gleichzeitig zusammen zu bleiben und ob es tatsächlich funktioniert. Es sei ihnen gegangen, erläuterte sie mir, wie vielen anderen. Ihre kurze, aber steile Karriere als Liebespaar war in eine zweifache Elternschaft gemündet und daselbst versandet. Unter dem Druck der Kinderaufzucht hätten sie sich kontinuierlich voneinander entfremdet und schliesslich nur noch in einer Art Wohngemeinschaft zusammen gelebt.

Es kamen sporadisch aussereheliche Partner auf beiden Seiten dazu, und nach eingehenden Gesprächen seien sie zum Schluss gekommen, dass sie nicht mehr als Liebespaar, sondern nur noch als Freunde zusammen sein möchten. Natürlich hätte man sich trennen können, aber die Umstände erschienen zu fragil, um den Stress mit Wohnungssuche, Betreuungsfrage, Gütertrennung und so weiter verkraften zu können. Also beschlossen sie, die Ehegemeinschaft weiter zu führen, aber das Liebesleben outzusourcen.

Aber kann das funktionieren? Der Common Sense in der Frage ist klar: Der Kinder wegen zusammen bleiben? Unmöglich. Und doch kennen die meisten Leute, mit denen ich darüber gesprochen habe Paare, die das Verhältnis zwischen familiären und Liebesbeziehungen einigermassen kreativ gestalten. 

Sie habe, sagte die Mähnenfreundin, mit dem Vater ihrer Kinder viel durchgemacht und sie beide stünden sich dadurch nach wie vor sehr nahe. Sie könne sogar überstehen, dass sie sich die Liebe gekündigt hätten. Allerdings räumt sie ein, dass die Lösung weder ideal noch sonderlich spannungsfrei sei. Und natürlich nicht für die Ewigkeit. Aber sie funktioniere.

Michèle Binswanger
Die studierte Philosophin ist Journalistin und Buchautorin. Sie schreibt zu Gesellschaftsthemen, ist Mutter zweier Kinder und lebt in Basel.

Alle Artikel von Michèle Binswanger