Hilfe, mein Mann will mit Steckdosen sprechen - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Hilfe, mein Mann will mit Steckdosen sprechen

Lesedauer: 4 Minuten

Der Mann unserer Autorin schwärmt von intelligenten Steckdosen und Kühlschränken. Sie selbst würde ganz andere Dinge im Haus programmieren, damit das Familienleben einfacher wird.

Mein Mann träumt jetzt von einem intelligenten Haus. Er war neulich mit einem technologie-begeisterten Freund ein Bier trinken. Seitdem findet er, es sei ganz unglaublich, was man heutzutage alles machen könne. Sie nennen es «intelligente, vernetzte Haushaltsgeräte» – ich würde eher «toys for boys» sagen. For big boys, in dem Fall.

Von Geräten, die mein Leben einfacher machen würden, träume ich auch. Wenn ich überhaupt einmal träumen kann, weil ich nicht gerade aufräume, «Bitte erledigen»-Listen für alle schreibe, oder meine Familie an Dinge erinnere, die sie sonst vergessen. Da könnte man so viel anders machen, in der Tat.

Mein Mann möchte jetzt mit seinen Steckdosen kommunizieren, erzählt er mir begeistert, eine intelligente Steckdose in der Hand. Ein Werbegeschenk von unserem Strom-Versorger. Ich finde ehrlich gesagt, mein Mann kommuniziert mit mir schon eher wenig. Und ich halte mich nicht für komplett un-intelligent. Insofern kann ich seiner Steckdose wenig Hoffnung auf erfüllende Gespräche machen. 

Die Steckdosen im fröhlich quatschenden Rudel

Meinem Mann auch nicht. Ich verstehe, dass es ihn nervt, wenn ich ihm abends dauernd von nicht aufgeräumten, nicht erledigten oder nicht mitgenommenen Dingen erzähle. Aber ich fürchte, von seiner neuen Lieblings-Steckdose wird nicht viel Interessanteres kommen.

Ich würde ja das ganze Potenzial überhaupt nicht überblicken, grummelt mein Mann beleidigt. Die Steckdosen könnten auch untereinander kommunizieren und das sei für alle megatoll. Für mich hört sich das eher nach «glückliche Meersäuli leben im Rudel» an. Ich finde, unsere drei Kinder kommunizieren ohnehin schon genug untereinander und mit uns – da müssen jetzt nicht noch Steckdosen mitreden.

Ausserdem, sagt mein Mann, bräuchten wir einen intelligenten Kühlschrank. Der würde dann unsere Einkäufe direkt beim Supermarkt bestellen und uns Zeit sparen. Was ich schade finde, denn einkaufen tue ich wirklich gern. Und über unser Handy, schwärmt mein Mann, könnten wir dann ganz automatisch Storen und Türen öffnen.

Der digitale Kühlschrank würde unserem Sohn aus der Hand fressen.

Ehrlich gesagt sehe ich da mehr Probleme als Lösungen auf uns zukommen. Unser Sohn ist mit zwölf Jahren ein echter Digital Native. Ein digitaler Eingeborener darf man vermutlich nicht sagen. Aber er ist wirklich hereingeboren in das Land des Wischens, Apps laden und jegliche elektronische Sperren überwinden. 

Smartphones, Tablets, Computer machen in unserem Haus prinzipiell, was unser Sohn will. Ihm würde garantiert auch unser Kühlschrank aus der Hand fressen und kiloweise Schokoriegel und Red Bull bestellen. Unser Sohn hätte richtig Spaß, wenn er den Kühli mit seinen Kumpels, einer netten Bande von zukünftigen Hackern, neu programmieren kann. Mein Leben wäre garantiert nicht einfacher.

Ich richte mit dem Smartphone schon genug Schaden an

Genauso wenig will ich mit meinem Smartphone noch mehr Schaden anrichten können. Schon jetzt schaffe ich es dauernd, falsche Knöpfe zur falschen Zeit zu drücken. Dann geht ein Weckruf im Wohnzimmer um Mitternacht los, den ich – glaube ich – ziemlich sicher nicht programmiert habe. Vermutlich war das mein Sohn. 

Was leider wirklich ich getan habe, war die WhatsApp an unseren Nachbarn zu schicken: «Klopapier – DRINGEND – Gopferdamminomal!!! P.S. Hab Dich trotzdem lieb». Versehentlich. Sie sollte an meinen Mann gehen. Seitdem gehe ich lieber aus dem Haus, wenn unser Nachbar schon weg ist. 

Deshalb denke ich, wenn mein Handy Türen öffnen kann, wäre bei uns jeder Tag ein Tag der offenen Tür. Allerdings könnten uns die Nachbarn dann Klopapier vorbeibringen, das wäre schon praktisch.

Ich träume durchaus von Technologien, die uns Eltern das Leben erleichtern. Nur sind das ganz andere Gadgets, «toys for mums» eben. Mein wirklich intelligentes Haus würde sich zum Beispiel selbst aufräumen. Im Moment bin ich ein Räum-Roboter und das ist nicht erfüllend. 

Mein wirklich intelligentes Haus würde sich selbst aufräumen.

Das Kissen flüstert meinen Kindern ihre Listen ein

Physik in der Schule fand ich ziemlich dröge. Nur das Gesetz der Entropie hörte sich lustig an: Alle Dinge breiten sich stets so aus, das maximales Chaos entsteht. Als Teenie sah ich da keinerlei Praxis-Bezug.

Mittlerweile weiss ich, dieses Gesetz ist das einzige, womit sich Vorgänge in unserem Haus vorhersagen lassen. Ja, ich kann sogar damit experimentieren: Wenn ich eine Packung Stifte mittags ins Wohnzimmer lege, finde ich sie abends im ganzen Haus verteilt. Egal übrigens, ob jemand damit gemalt hat oder nicht. Die Stifte verteilen sich einfach so.

Ich schlussfolgere, wie unser Physiklehrer immer sagte, meine Familie ist ein lebendig gewordenes entropisches Experiment. Wenn ich bei uns irgendetwas wiederfinden will, muss ich zum Entropie-Exterminator werden. Das ist ein Vollzeit-Job, den ich als intelligente Frau nicht haben will. 

Wie cool wäre es, wenn unser intelligentes Haus jede neue Sache im Haus einscannen und ihr einen Platz zuweisen würde? Abends dann ein Knopfdruck, unser intelligenter Robosauger setzt sich in Bewegung, saugt an, spuckt aus, alles ist am richtigen Ort. Wenn er sich einmal verirrt, kann er meinetwegen auch die Steckdosen fragen.

Das würde mein Leben deutlich einfacher machen. Ich kann in der Zeit gern Türen und Storen selber bedienen, darum muss sich mein Handy nicht kümmern. Warum wird an so etwas nicht getüftelt? Meine Vermutung ist, dass die Entwickler von intelligenten Häusern mehr mit ihren Steckdosen als mit ihren Frauen sprechen. Und in ihren eigenen vier Wände die Entropie walten lassen.

Intelligente Haustüren wären auch praktisch. Unsere Haustür könnte den Kindern in Erinnerung rufen, was ich sonst hundert Mal am Tag tun muss. Beim Weggehen: «Nimm Deinen Fahrrad-Helm mit! Denk an Sonnencreme! Hast Du Deinen Schlüssel?» Beim Wiederkommen: «Wasch Dir die Hände. Räum Dein Zeugs weg! RÄUM. ES. JETZT. WEG. Hast Du noch Hausis zu machen?»

Ins Bett würde ich meinen Kindern und dem Mann gerne intelligente Kissen legen. Ich programmiere ihnen meine Listen ein, was so am Tag gemacht werden muss. Wer schlafen geht, hört von seinen Kissen dann «Bzzzzzzzz – bring Deine Dreckwäsche weg!“. Und später vielleicht „Alles erledigt – schlaf gut!»

Also, ich sehe da ganz unglaubliches Potenzial. Ein intelligentes Haus, entspannte Eltern, organisierte Kinder – win-win-win. Mein Mann muffelt, das sei alles totaler Knüll. Er googelt jetzt lieber die Preise von intelligenten Steckdosen. Wahrscheinlich hat er bloss Angst vor seinem neuen Kissen.

Bild: Fotolia


Ulrike Légé (45), ursprünglich aus Niedersachsen, lebt jetzt im Baselland, arbeitet Teilzeit für kleinere Unternehmen in Kommunikation und Strategie. Der grösste Teil ihrer Zeit und Liebe geht an die Familie; drei wuselige Kinder von 6, 9 und 12 Jahren und ein französischer Mann. Als Multikulti-Familie sind sie immer wieder begeistert davon, wie schön das Leben in der Schweiz ist. 
Ulrike Légé (45), ursprünglich aus Niedersachsen, lebt jetzt im Baselland, arbeitet Teilzeit für kleinere Unternehmen in Kommunikation und Strategie. Der grösste Teil ihrer Zeit und Liebe geht an die Familie; drei wuselige Kinder von 6, 9 und 12 Jahren und ein französischer Mann. Als Multikulti-Familie sind sie immer wieder begeistert davon, wie schön das Leben in der Schweiz ist.