Also mein Kind schaut keine Pornos! - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Also mein Kind schaut keine Pornos!

Lesedauer: 2 Minuten

Viele Eltern wollen lieber nicht so genau wissen, welche Begleiterscheinungen die Geschlechtsreife ihrer Kinder mit sich bringt – schon gar nicht, wenn eine davon Pornografie heisst.

Noch nie war Pornografie so leicht und so schnell zugänglich wie heute. Dabei muss man im Netz nicht einmal nach pornografischen Seiten suchen, um auf sie zu gelangen. Mitunter stösst man beim Surfen zufällig darauf. Und früher? Eltern sind meist noch ohne Internet gross geworden. Das ging so: Fand man als Jugendlicher beim Papiersammeln ein Sexheftchen in einem Zeitungsbündel, hat man es verstohlen durchgeblättert. Eltern dürften sich deshalb nicht wundern, dass ihre Teenager im Netz Pornos ansehen. Genügt doch hier meist ein kurzer Klick: «Schon 18? – Ja!», und schon ist man drin.
 
Die Studie EU-Kids Online aus dem Jahr 2013 zeigt: 21 Prozent der Schweizer Jugendlichen zwischen 9 und 16 Jahren haben bereits sexuelle Inhalte im Internet gesehen – gewollt oder ungewollt. Und via Handy haben 42 Prozent der Knaben und 32 Prozent der Mädchen zwischen 12 und 19 bereits einmal erotische oder aufreizende Fotos oder Videos erhalten (JAMES-Studie 2014).

Schädlich oder nicht?

Was aber lösen die Eindrücke in Jugendlichen aus? Hier scheiden sich die Expertengeister. Die einen behaupten, Jugendliche würden klar zwischen realer und virtueller sexueller Welt unterscheiden, die anderen behaupten, Jugendliche würden von der Pornografie lernen – und Normen und Standards verinnerlichen. Die Wahrheit liegt wohl, wie so oft, dazwischen: Zu glauben, Jugendliche würden das Gesehene ungefiltert und unreflektiert in ihr Repertoire übernehmen, käme einer unverhältnismässigen Panik gleich. Aber anzunehmen, die häufig frauenverachtenden Handlungen liessen die sexuellen Vorstellungswelten der Jugendlichen unberührt, wäre naiv. Denn Pornografie beschränkt sich längst nicht nur auf das blosse Anschauen einschlägiger Seiten im Netz – sie prägt die Kultur unserer Kinder. Das Jugendmagazin Bravo bildet etwa totalrasierte Körper ab, String-Tangas gibt es schon für 8-Jährige und Rapper Sidos «Arschficksong» war lange Zeit eine Teenager-Hymne. 
 
Teenager treibt das Thema Sexualität um, sie haben Fragen wie: Ist Analverkehr selbstverständlich? Wie rasiert man sich im Intimbereich? Weder Eltern noch Schule beantworten jedoch ihre Fragen. So nutzen zahlreiche Teenager Pornografie als Aufklärungsquelle – diese Antwort hat Marie-Louise Nussbaum von beinahe der Hälfte der Jugendlichen erhalten, die sie für ihre Lizentiatsarbeit «Aufklärungsmittel Pornografie?» befragt hat. Dadurch können falsche Vorstellungen von realer Sexualität und Druck entstehen – bei Jungs ein sexueller Leistungsdruck, bei Mädchen der Druck, einen perfekten Körper zu haben und stets sexuell verfügbar zu sein.

Darüber reden

Übergehen Sie als Eltern deshalb nicht einfach die Tatsache, dass pornografische Angebote existieren. Offene Gespräche über Pornografie, Sexualität und Geschlechtsrollenbilder sind wichtig und helfen Ihren Kindern, Gesehenes und Gehörtes kritisch zu hinterfragen und einzuordnen. Und denken Sie dran: Wenn Sie mit Ihrem Kind sprechen, dann bitte nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern am besten von Mann zu Mann – oder von Frau zu Frau. Sprechen Sie über Gefühle und darüber, dass die sexuelle Beziehung zwischen Menschen nicht von blosser Technik und harten Praktiken, sondern in erster Linie von Gefühlen wie Zuneigung, Respekt und eben auch Begehren geprägt ist. 
 
Und wenn Ihre Kinder das Thema lieber nicht mehr mit Ihnen besprechen möchten, dann weisen Sie sie auf sinnvolle Seiten im Internet hin. Auf feel-ok.chtschau.chlilli.ch147.ch und frageinfach.ch. Hier finden Jugendliche Informationen und Antworten auf ihre Fragen und Anliegen.  

Bild: pexels.com


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Michael In Albon ist Jugend-medienschutz-Beauftragter und Medienkompetenz-Experte von Swisscom. 
Michael In Albon ist Jugend-medienschutz-Beauftragter und Medienkompetenz-Experte von Swisscom.