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Fake News erkennen lernen

Lesedauer: 5 Minuten

Immer mehr Jugendliche lesen News nur noch über die sozialen Medien – das ist ein Problem. 

Die Gäste der Washingtoner Pizzeria Comet Ping Pong sind geschockt, als am 4. Dezember 2016 plötzlich ein bewaffneter Mann in das Lokal stürmt. Der 28-Jährige bedroht die Angestellten und Kunden mit einem Sturmgewehr und fordert Informationen über einen angeblichen Pädophilen-Ring, der sein Unwesen in ebenjener Pizzeria treiben soll. Der Hintergrund für sein Handeln sind seit Wochen im Internet kursierende Gerüchte, die sogar die US-amerikanische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton belasten. Nur: Es ist eine Fake News, eine Falschmeldung, die vom politischen Gegner wissentlich im Internet gestreut wurde.

Nicht neu – aber viel schneller 

Auch in der Schweiz kursieren Fake News. So sorgte Mitte 2016 eine mysteriöse Gokart-Gang in Zürich für Aufsehen. Wochenlang rätselten Öffentlichkeit und Medien über die vermeintlichen nächtlichen Raser. Sie entpuppten sich schliesslich als eine Erfindung zweier Studenten, die in ihrer Abschlussarbeit nachweisen wollten, wie über die Medien in kürzester Zeit ein Mythos entstehen kann. 

Gokart-Gang entpuppte sich als zwei Studenten, die zeigen wollten, wie schnell sich eine Fake News verbreitet.

Jedoch: «Fake News sind kein neues Problem», sagt Konrad Weber, Digitalstratege bei SRF. Falschmeldungen und sogenannte Zeitungsenten gab es schon früher.

Doch im Internet verbreiten sich diese viel schneller. «In den sozialen Medien können sich alle möglichen Personen zu Themen äussern. Es gibt keine publizistischen Richtlinien zu Sachgerechtigkeit und Objektivität, wie sie zum Beispiel Medienhäuser wie das Schweizer Radio und Fernsehen kennen», erläutert Konrad Weber. So verbreiten sich Fake News heute vor allem über soziale Medien wie Facebook, Youtube, Twitter und Co. Mit wenigen Klicks können Nutzer die Inhalte mit anderen teilen. Schnell ist eine Fake News so tausend- oder gar millionenfach im Umlauf. 

Jeder ein (Fake-)News-Produzent

Es gibt verschiedene Motive zum Streuen von Fake News. Bei den einen geht es ums Geld: Ihre Urheber heber locken durch sensationelle Meldungen Internet-User auf eine Internetseite, wo sie mittels Werbung Geld verdienen. Bei anderen sind es politische Motive: Falschnachrichten sollen dem Gegner schaden. Urheber können Regierungen sein, aber auch Einzelpersonen, die Minderheiten diffamieren wollen. In einer Zeit, in der fast jeder und jede ein Smartphone mit Kamera und Internetanschluss besitzt, geht dies ohne grossen Aufwand. Im Internet finden Urheber von Fake News genügend Material, das sie manipulieren und für ihre Zwecke einsetzen können. 

Gemäss dem Jahrbuch «Qualität der Medien 2017» des Forschungsinstituts Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich gibt es immer mehr Menschen, die sich nicht mehr mittels Medien über das Weltgeschehen informieren oder nur Nachrichten minderer Qualität aus Gratiszeitungen oder sozialen Medien beziehen. 

Internetnutzer in der Filterblase

Mittlerweile liegt der Anteil der sogenannten News-Deprivierten bei 31 Prozent. 2009 machte diese Gruppe noch 21 Prozent aus. Besonders bei Menschen zwischen 18 und 24 Jahren ist der Anteil derer hoch, die sich fast ausschliesslich über soziale Medien informieren: Rund ein Viertel bezieht News nicht über klassische Medien wie TV oder Zeitung, sondern über Facebook und Co. So kommen besonders viele junge Menschen mit Fake News in Kontakt. Soziale Medien sind Emotionsmedien. Das heisst: Vieles, was erstaunt oder wütend macht, wird geliked und geteilt. 

 Soziale Medien sind Emotionsmedien. Das heisst: Geliked und geteilt wird, was erstaunt oder wütend macht.

Das Problem hierbei ist: Facebook nutzt einen Algorithmus, der dem Nutzer auf seiner Startseite Inhalte anzeigt, die Facebook-Freunde geliked haben beziehungsweise den eigenen Themenpräferenzen entsprechen. Der Nutzer befindet sich rasch in einer sogenannten Filterblase. «Der Austausch mit Andersgesinnten und die Konfrontation mit anderen Meinungen kommen zu kurz», sagt Daniel Vogler, Forschungsleiter beim fög.

Wer sich also bei Facebook häufig in Communities bewegt, in denen etwa extremistisches Gedankengut oder Verschwörungstheorien verbreitet werden, der bekommt immer mehr solcher fragwürdiger Inhalte angezeigt. Dies kann zu einem völlig verzerrten Weltbild führen und anfällig machen für einfache Antworten auf komplexe Probleme und Populismus.

Lösungsansätze 

Um dem Problem der Fake News beizukommen, müssten die etablierten Medienhäuser in den sozialen Medien noch aktiver werden und noch mehr qualitativ hochwertige und auf jüngere Zielgruppen zugeschnittene Inhalte veröffentlichen. Bei den News-Deprivierten, und hier insbesondere bei den jüngeren, besteht weniger Vertrauen gegenüber den etablierten Medien. Da gerade in den sozialen Medien das Potenzial für die direkte Kommunikation hoch ist, sollten etablierte Medien dort den Dialog suchen und Vertrauen aufbauen.

Ein anderer Lösungsansatz ist die viel zitierte Medienkompetenz. «Nur mit einem kritischen Geist, der nötigen Portion Skepsis und einem regelmässigen Vergleichen von unterschiedlichen Informationsquellen entgeht man der Gefahr, auf Fake News hereinzufallen», erläutert Konrad Weber.

Vor allem die Eltern und die Schule sind gefragt: Sie müssen den Kindern und Jugendlichen die Fähigkeit mit auf den Weg geben, die neuen Medien sachkundig und kritisch zu nutzen. 

Mittlerweile thematisieren Schulen im Rahmen des Lehrplans 21 fast flächendeckend die Gefahren durch soziale Medien.

In den Schulen hat sich diesbezüglich einiges getan. Dort steht nicht mehr nur der praktische Mediengebrauch im Mittelpunkt, sondern auch die Medienreflexion, die über potenzielle negative Aspekte aufklärt. Mittlerweile thematisieren Schulen im Rahmen des Lehrplans 21 fast flächendeckend die Gefahren durch soziale Medien. Überwiegend geschieht dies durch externe Fachleute, beispielsweise Vereine, die Schweizer Kinder- und Familienstiftung Pro Juventute sowie die Polizei.

Abseits des richtigen Gebrauchs der sozialen Medien gibt es einen anderen zentralen Punkt. «Mir scheint es besonders wichtig, ein Wissensnetzwerk aufzubauen, also nicht bestimmte Informationstechniken, sondern Beziehungen in den Vordergrund zu rücken», sagt Philippe Wampfler, Lehrer und Experte für neue Medien. Er empfiehlt, direkt Fragen zu stellen. Eine Stärke der sozialen Medien ist, dass man sich direkt an die Verfasser eines Beitrags wenden und nachhaken kann, wenn man skeptisch ist oder etwas nicht versteht.

Wer kommuniziert und nachfragt, der findet bald heraus, welche sozialen Kanäle seriös sind. «Heute ist es entscheidend, zu wissen, wem man vertrauen kann.» Das gilt insbesondere für Inhalte bei Facebook, Twitter und Co.

Bild: pexels


Online-Dossier Medienkonsum

Dieser Artikel gehört zu unserem
Dieser Artikel gehört zu unserem Online-Dossier zum Thema Medienkonsum. Erfahren Sie mehr darüber, worauf Eltern achten müssen und informieren Sie sich zu den aktuellsten Erkenntnissen.


Wie erkenne ich Fake News?

  • Kritisch sein, hinterfragen.  Drastische Bilder und aufdringliche Schlagzeilen erzeugen Emotionen, ziehen in ihren Bann. Sie können aber ein erster Hinweis für unseriöse Nachrichten sein. Generell gilt: kritisch sein und hinterfragen! 
  • Inhaltlicher Gegencheck. Teile der Schlagzeile kopieren und bei Google suchen. Wer berichtet noch über das Thema? Und wenn ja, in welcher Form? Ein nahezu gleicher Wortlaut deutet oftmals auf unreflektiert geteilte Fake News hin. 
  • Quellen bewerten. Wer hat den Artikel geschrieben? Steht dort der Name des Verfassers? Wenn ja, dann den Namen googeln. Was publiziert der Verfasser sonst? Für welche Medien? Wenn der Verfasser anonym ist oder die Website, auf der die Meldung steht, dann ist dies ein erstes Anzeichen für Fake News. 
  • Bilder prüfen. www.tineye.com oder images.google.com kann man das Foto eines Artikels hochladen und im Internet suchen. Auf diese Weise lässt sich überprüfen, ob das Bild eventuell aus einem völlig anderen Zusammenhang stammt. 
  • Meldefunktionen nutzen. Einige soziale Medien bieten für Fake News und ungeeignete Inhalte Meldefunktionen an. Davon Gebrauch machen, wenn Verdacht auf einen unseriösen Inhalt besteht. 
  • Mit Vorsicht teilen. Jeder kann dazu beitragen, dass sich Fake News im Internet und der realen Welt nicht verbreiten. Deshalb kritisch sein und genau hinterfragen, ob man einen Inhalt in sozialen Medien teilt. Sich bei geteilten Inhalten von Facebook-«Freunden» zudem immer fragen: Wem kann man trauen?

Zum Autor:

Stephan Petersen ist studierter Historiker und freier Journalist.Zu seinen Themen gehören unter anderem Videospiele und Familie. Er ist Vater zweier Kinder im Alter von sieben und elf Jahren.
Stephan Petersen ist studierter Historiker und freier Journalist.
Zu seinen Themen gehören unter anderem Videospiele und Familie. Er ist Vater zweier Kinder im Alter von sieben und elf Jahren.


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