Smart mit dem ersten eigenen Smartphone - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Smart mit dem ersten eigenen Smartphone

Lesedauer: 4 Minuten

Das Smartphone steht bei vielen Kindern und Jugendlichen ganz oben auf der Wunschliste. Kein Wunder, denn das kleine Gerät erfüllt mehrere Wünsche auf einmal: Es ist Telefon, Spielkonsole, Fotoapparat, Videokamera, Wecker, Agenda und mobiler Chat-Room mit den Freunden. Und mit Apps kann es laufend um weitere Funktionen ergänzt werden. Das macht jedes Smartphone individuell – und zum Statussymbol Nummer 1 in einer individualisierten Gesellschaft. Aber mit dem Smartphone kauft man eben auch den Sack ohne die Katze darin zu kennen: Eltern geben ihrem Kind ein Gerät in die Hand, das morgen schon Dinge kann, die sie heute noch nicht absehen können. 
 
Ausserdem öffnet das Smartphone ein Tor ins Internet – und anders als am heimischen Computer, entzieht es sich auf dem Smartphone dem Blick der Eltern, wie lange und vor allem wo ihre Kinder herumsurfen. «Bei keinem anderen Gerät geben Eltern ihre Kontrolle zwangsläufig so stark ab, wie beim Smartphone», schreibt Medienpädagogin Eveline Hipeli im Ratgeber «Medien-Kids». Viele Eltern richten zum Beispiel im heimischen Netzwerk sorgfältig Jugendfilter ein, bedenken aber nicht, dass Jugendliche im mobilen Netz oder im Netzwerk des Lieblingscafés ungefiltert auf alle Inhalte zugreifen können.

Wann ist der richtige Zeitpunkt?

«Halten Sie so lange durch wie möglich. Denn Smartphones ändern die Art, wie unsere Kinder kommunizieren – und das nicht unbedingt zum besseren, weil sie dann ohne Gerät oft gar nicht mehr kommunizieren», meint Internet-Sicherheitsexperte Tony Anscombe in seinem Medienratgeber für Eltern. Er selbst habe seinen Sohn mit viel gutem Zureden bis zu seinem 13. Geburtstag hinhalten können. Das wird sicher nicht allen Eltern gelingen. Denn das beliebte Argument  «alle meine Freunde haben aber…» ist bei Jugendlichen ein stichfestes: 99 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren haben laut JAMES-Studie 2016 ein Handy. Auch die Hälfte der 6- bis 13-Jährigen besitzt laut MIKE-Studie 2015 ebenfalls bereits ein eigenes Handy. Und Handy heisst heute Smartphone. Praktisch niemand mehr steigt über das altertümliche Tasten-Handy ein.  «Ganz so früh, also Anfang Primarschule, würde ich das Smartphone noch nicht in den Besitz der Kinder geben», meint Medienpädagogin Eveline Hipeli. Für viele Eltern gilt der Übergang zur Sekundarschule immer noch als ein besserer Zeitpunkt – also etwa mit 13 Jahren. Leicht zu bewerkstelligen ist das allerdings nicht mehr. «Das Smartphone ist unter den Primarschülern bei vielen Familien schon ab der 3. oder 4. Primarschulklasse ein Thema», sagt Hipeli. Trotz dem Druck von Freunden und der Kommunikation via Whatsapp Gruppen rät sie: «Eltern müssen selbst entscheiden, wann sie ihrem Kind einen solchen Kleincomputer in die Hosentasche schenken. Sie kennen ihr Kind am Besten.»

Wichtig sei, die Kinder vorher an die Nutzung eines solchen Gerätes heranzuführen – zum Beispiel indem sie vorher ein Gerät mit weit weniger Funktionen zur Verfügung gestellt bekommen , oder indem sie langsam in das Smartphone ihrer Eltern eingewiesen werden. Es lassen sich auch spezielle Kinderbereiche in Smartphones einrichten, zum Beispiel mit der App Kids Place bei Android-Telefonen. (Siehe auch Frage weiter unten: Wie sinnvoll sind Filter?)

Wer keine starren Altersvorgaben mag, sollte genau hinsehen, wozu eigene Kind bereits fähig ist. «Kann es schon Verantwortung übernehmen für Termine, für Hausaufgaben, das Taschengeld? Hält sich mein Kind an Nutzungsregeln, die wir für andere Medien vereinbart haben? Weiss es, dass es sich an eine Vertrauensperson wenden kann, wenn es Inhalten begegnet, die es auch mal verstören oder ängstigen? All das alles können Gradmesser sein für die Frage, ob bereits der richtige Zeitpunkt für ein so komplexes Gerät wie ein Smartphone gekommen ist», sagt Hipeli. 

Wie behalten Eltern die Kosten im Blick?

Viele Mobilfunkanbieter haben spezielle Verträge mit einer Kostenbremse für das Handy des Kindes oder Jugendlichen. Auch Prepaid-Karten können eine Lösung sein. «Irgendwann ist dann einfach Schluss mit dem Guthaben – so habe ich das auch gelernt und das war gar nicht schlecht, weil man sich genau überlegt, wie man es nutzt», meint Hipeli. Die Medienpädagogin schlägt ausserdem vor, dass sich die Kinder mit ihrem Sackgeld an den Kosten beteiligen. Dies gilt natürlich insbesondere dann, wenn sich die Kinder einen teuren Vertrag mit einer Flatrate für Mobile Daten wünschen.

«Kinder die auch einmal auf etwas warten müssen bis sie älter sind, nehmen in der Regel keinen Schaden.»

Medienpädagogin Evelin Hipeli

Sollen meine Kinder alleine Apps laden können?

Um einen Überblick über die App-Nutzung des Kindes zu behalten – und natürlich auch die Kostenkontrolle in Sachen Apps –, kann das Smartphone des Kindes über die Konten der Eltern bei iTunes oder im Google Play Store verbunden werden. Wenn die Eltern ihr Passwort für sich behalten, kommt es automatisch zum Gespräch, bevor eine neue App geladen wird. «Das kann für den Anfang oder auch bei jungen Kindern eine gute Lösung sein. Für die Eltern bedeutet es auch, dass sie erfahren, was ihr Kind interessiert – das ist ja alles andere als negativ», so Hipeli. 

Viele Apps sind erst einmal kostenlos. Um sie aber besser nutzen zu können, werden Käufe innerhalb der App notwendig, so genannte In-App-Käufe. Auch deshalb sollten Eltern über die Apps ihrer Kinder bescheid wissen, und sie mit solchen Stolperfallen vertraut machen, die schnell ins Taschengeld gehen können. Mit 15, 16 Jahren lassen sich Jugendliche vermutlich nicht mehr auf das gemeinsame App-Konto mit den Eltern ein. Eine andere Vereinbarung kann lauten, dass das Kind ein paar Mal im Monat seine Apps zeigt und erklärt. «Aber natürlich können Kinder vorher Bedenkliches löschen oder verstecken. Hier muss also schon viel Vorarbeit in Sachen Medienkompetenz geleistet worden und ein gesundes Vertrauensverhältnis vorhanden sein», sagt Hipeli. Prinzipiell kann die Nutzung bestimmter Apps natürlich auch untersagt werden. «Kinder die auch einmal auf etwas warten müssen bis sie älter sind, nehmen in der Regel keinen Schaden.»

Wie sinnvoll sind Filter?

Wie zu Hause auf dem PC gibt es auch auf dem Smartphone-Filter, die vor jugendfeindlichen Inhalten schützen sollen. Manche Smartphones erlauben auch spezielle Nutzerprofile für Kinder. Diese sind dann in ihrer Funktion stark eingeschränkt – man kann zum Beispiel telefonieren und fotografieren, kommt aber nicht ins Internet. «Natürlich können Filter gerade sehr junge Kinder davor schützen, gar nicht erst auf jugendgefährdende Inhalte zu stossen. Es besteht aber die Gefahr, dass sich Eltern in falscher Sicherheit wiegen. Gespräche sind immer wichtiger als Filter», so Eveline Hipeli.

Hier finden Eltern eine Übersicht über Filter-Apps, die das Smartphone sicherer für Kinder machen.

Der Nutzungsvertrag für Kinder und Eltern

Bevor das Kind ein Smartphone bekommt, ist es wichtig, dass sich Eltern über die gewünschte und unerwünschte Nutzung Gedanken machen und Regeln mit den Kindern diskutieren. «Das zu verschriftlichen, macht es für beide Seiten verbindlicher», sagt Eveline Hipeli. 

Ein Vertrag sollte aber wirklich ausgehandelt und nicht einfach vorgesetzt werden – und es sollte Klarheit darüber herrschen, welche Konsequenzen eintreten, wenn der Vertrag gebrochen wird.» Tony Ascombe schlägt vor, dass sich die ganze Familie an den Vertrag halten muss – das zum Beispiel auch die Eltern ihr Handy beim Essen an den dafür bestimmten Platz legen. Sie können sich einfach unseren Mustervertrag als PDF herunterladen, der als Inspiration dienen kann. Die Regeln für die eigene Familie können natürlich abweichen. Unter www.mediennutzungsvertrag.de finden Familien ausserdem ein schönes Tool, um eigene Regeln zu erstellen. Wichtig: Es sollten regelmässige Intervalle festgelegt werden, wann man die Regeln überprüft und gegebenenfalls anpasst. Denn für einen 17-Jährigen gelten natürlich andere Regeln als für einen 12-Jährigen.

Bianca Fritz
Bianca Fritz ist freie Autorin und berät Selbständige und kleine Unternehmen in ihrem Social Media Marketing. Ein Gebiet, das besonders viel Selbstdisziplin und Achtsamkeit braucht.

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