Wenn die Blase schmerzt - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Wenn die Blase schmerzt

Lesedauer: 3 Minuten

Wasserlassen ist eigentlich die einfachste Sache der Welt. Mit einer Blasenentzündung wird der Gang zur Toilette aber zur Tortur. Warum sind vor allem Mädchen betroffen? Und was hilft, wenns brennt? 

Seit dem frühen Morgen rennt Lisa immer wieder aufs WC. Kaum sitzt sie, kommen nur ein paar Tropfen, die jedoch höllisch schmerzen. Jeder Gang zur Toilette ist eine Qual. Es brennt so, dass Lisa in der Schule kaum stillsitzen kann. In der letzten Schulstunde fühlt sie sich krank und hat Schmerzen im Unterleib. Zu Hause sieht sie plötzlich Blut in der Toilette. Die
Mutter bringt sie zum Arzt. Nach der Urinuntersuchung ist klar: Lisa hat eine Blasenentzündung. Sie ist 16 Jahre alt und seit Kurzem mit ihrem Freund intim.
«Blasenentzündungen sind häufig in der Praxis», sagt Kinderarzt Stephan Rupp aus Einsiedeln. Etwa jedes zehnte Mädchen, aber nur einer von hundert Jungs hat bis ins Erwachsenenalter eine Blasenentzündung durchgemacht. Im Babyalter sind Buben häufiger betroffen,
danach vor allem Mädchen. Laut Kinderarzt Rupp gibt es drei Altersphasen, in denen Kinder an Blasenentzündungen erkranken:
 

  • Säuglinge und Kleinkinder unter zwei Jahren, bei denen oft ein anatomisches Problem wie eine Fehlbildung zugrunde liegt.
  • Mädchen im Kindergarten- und jungen Schulalter, bei denen es um die Hygienethemen geht.
  • Pubertierende Mädchen, die sexuell schon aktiv sind.

 
«Harnwegsinfekte sind vor allem ein Problem von Mädchen – und später auch von Frauen», bestätigt Kindergynäkologin Irene Dingeldein. Das liege daran, dass deren Harnröhre sehr kurz sei – bei kleinen Mädchen nur ein bis zwei Zentimeter. Deshalb gelangen Bakterien schneller in die Blase. Auch liegen After, Vagina und Harnröhre bei den Mädchen sehr
eng beieinander. 

Richtige Hygiene

Eine Blasenentzündung entstehe meist dann, wenn Bakterien aus dem Darm verschleppt werden, sagt Maya Horst, Urologin am Zürcher Kinderspital. Es handelt sich vorwiegend
um Escherichia-coli-Bakterien. Deshalb sollte der Intimbereich immer von vorne nach hinten gereinigt werden. «Wenn kleine Mädchen lernen, ihre Hygiene selber zu übernehmen, kann das Ursache für wiederholte Harnwegsinfektionen sein», sagt Stephan Rupp. Aber in solchen Fällen müsse man auch an eine Entzündung der Schamlippen denken, denn nicht alles, was brenne, sei eine Blasenentzündung. In der Kindermedizin wird zur Behandlung von Entzündungen der äusseren Geschlechtsorgane ein altes Hausmittel verwendet: Sitzbäder mit Backpulver. «Mädchen vor der Pubertät haben noch keine Östrogene, deshalb wirken die gängigen Mittel mit Laktobazillen bei ihnen nicht», erklärt Rupp. Und Dingeldein ergänzt, dass auch andere Reizungen der Schleimhäute möglich sind. Anstatt Backpulversitzbäder empfiehlt sie Bäder mit Mandelöl. Manchmal kann auch ein Zuviel an Hygiene Probleme machen, weil das die natürliche Körperflora zerstört. Weitere Ursachen für Harnwegsinfekte
können das Trinkverhalten, Verstopfung oder Miktionsprobleme sein. Es gibt Mädchen, die beispielsweise die Blase nie ganz leeren, oder andere, deren Harnwege nicht richtig
ableiten. So bleibt ein sogenannter Restharn zurück, der ein Reservoir für Bakterien sein kann.

Antibiotika nur bei klarem Befund

Blasenentzündungen sind sehr lästig, aber eigentlich nichts Gefährliches. Trotzdem müssen sie behandelt werden. Alle drei Experten plädieren für eine korrekte Diagnosestellung, bevor mit Antibiotika behandelt wird, schon wegen des Risikos der Resistenzbildung. Irene Dingeldein
verlangt dies insbesondere für pubertierende Mädchen. «Jedes sexuell aktive Mädchen mit einem Harnwegsinfekt muss dazu auf Chlamydien untersucht werden», betont sie. «Dies wegen der Ansteckungsgefahr für die Partner und der Folgen: einer möglichen Unfruchtbarkeit.» Falls der Test positiv sei, müsse der Partner mitbehandelt werden und nach drei Monaten nachkontrolliert werden. «Die Diagnose eines Harnwegsinfekts wird mit einem Urintest gestellt», sagt Stephan Rupp. «In Abwägung mit den Symptomen wird die Therapie gewählt.» Ziel dabei ist es, Komplikationen durch das Aufsteigen der Infektion zu verhindern.
Eine Nierenbeckenentzündung kann Narben hinterlassen, was zu einem Funktionsverlust der Nieren führen kann, warnen die Fachärzte. Eine Blasenentzündung werde bei Kindern normalerweise mit Antibiotika für drei bis fünf Tage behandelt. Die Therapie dauert bis zu zwei Wochen, falls das Nierenbecken mitbetroffen ist. Maya Horst betont: «Bei Kindern mit fieberhaftem Harnwegsinfekt sollte zusätzlich ein  Ultraschall der Nieren und Harnwege gemacht werden.»

Viel Trinken und etwas Geduld

Die Abklärung und Behandlung einer Blasenentzündung erfolgt normalerweise durch den Kinder- oder Hausarzt. Eine Überweisung zum Kinderurologen oder Kindernephrologen
empfiehlt sich bei sehr kleinen Babys, bei wiederholten fiebrigen Harnwegsinfektionen
oder bei Verdacht auf Fehlbildungen. Pubertierende Mädchen mit wiederkehrenden
Harnwegsinfekten oder unklaren Symptomen gehören zur gynäkologischen Fachärztin.
Wiederholte Blasenentzündungen sind häufig. «Man soll daher unbedingt nach der Ursache suchen und diese behandeln, statt wiederholt Antibiotika zu verabreichen», sagt Maya Horst. Die Probleme seien oft hartnäckig und bedürften der Geduld seitens der Eltern, der
Betroffenen, aber auch der Behandelnden.

Enge Kleidung ist nicht schuld

Einer Blasenentzündung vorbeugen kann man, indem man viel trinkt, die Blase regelmässig leert und auf eine gute Hygiene achtet. Insbesondere junge Mädchen sollten vor und nach dem Sex immer die Blase leeren, um die Harnröhre zu spülen. Es gibt zwar alternative Produkte zur
Vorbeugung wie Cranberrys oder Bärentrauben, bei Kindern gibt es aber keine wissenschaftlichen Daten über die Wirksamkeit. Bei diesem Krankheitsbild müssten
immer wieder ein paar Irrtümer beseitigt werden, sagt Stephan Rupp: «Warme Unterhosen und Unterhemden verhindern eine Blasenentzündung genauso wenig, wie enge Jeans, bauchfreie T-Shirts und luftige Kleider schuld sind an einem Harnwegsinfekt.»

Typische Symptome eines Harnwegsinfekts

Säuglinge und Kleinkinder unter zwei Jahren:

  • Fieber
  • Erbrechen, Durchfall
  • Unwohlsein
  • Trinkschwäche, Gewichtsverlust

Mädchen über zwei Jahre und Pubertierende:

  • Schmerzen oder Brennen beim Wasserlösen
  • häufiges Wasserlösen
  • Unterbauch- oder Flankenschmerzen
  • Übelkeit, Erbrechen
  • Fieber

Ursachen von Harnwegsinfektionen Harnwegsfehlbildungen

Verunreinigung des Urins bei normalen Harnwegen aufgrund:

  • einer Blasenfunktionsstörung
  • nicht vollständig entleerter Blase
  • zu geringer Trinkmenge, zu selten aufs WC
  • einer Verstopfung
  • mangelnder Hygiene oder übertriebener
  • Hygiene
  • sexuellen Kontakts (vor allem bei Mädchen)

Literatur

Diagnose und Behandlung von Harnwegsinfektionen beim Kind.
Empfehlungen der Schweizerischen Arbeitsgruppe für pädiatrische Nephrologie, der
Pädiatrischen Infektiologiegruppe Schweiz und der Schweizerischen Gesellschaft für
Kinderurologie, Paediatrica, Vol. 24, Nr. 4, 2013.

www.swiss-paediatrics.org > Paediatrica >Volumen 24


Zur Autorin

Petra Seeburger ist Intensivpflege-fachfrau, Journalistin und Kommunikationsspezialistin. Sie arbeitet seit 30 Jahren im Gesundheitswesen.
Petra Seeburger ist Intensivpflege-fachfrau, Journalistin und Kommunikationsspezialistin. Sie arbeitet seit 30 Jahren im Gesundheitswesen.