Herr Merz, gibt es 2020 noch Schulzimmer? - Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi
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Herr Merz, gibt es 2020 noch Schulzimmer?

Lesedauer: 2 Minuten

Der Medienpädagoge Thomas Merz über die Schule der Zukunft, den Unterricht mit digitalen Medien und wie sich die Mediennutzung verändern wird.

Herr Merz, wohin bewegt sich die Schule?
Die Rahmenbedingungen für die Schule haben sich innerhalb weniger Jahre stark verändert. Und der Wandel geht weiter. Der Zugang zu Informationen, zu sämtlichen Medienangeboten wird laufend noch einfacher und selbstverständlicher. Dadurch verlagert sich der Schwerpunkt – vom Vermitteln eines definierten Lernstoffs durch die Lehrperson zu einem Begleiten der Schülerinnen und Schüler beim intensiven Lernen und Recherchieren.

Schüler begleiten – was bedeutet das konkret?

Lehrerinnen und Lehrer legen die Aufmerksamkeit verstärkt auf den Lernprozess. Schülerinnen und Schüler lernen dabei, ihr Vorwissen zu einem Thema einzuschätzen, ihren Lernbedarf zu erkennen, die Lernschritte zu planen und diese gemeinsam zu gehen. Regelmässig beurteilen sie ihre Lernfortschritte und am Ende, wie hoch ihr Wissensstand zu einer Frage wirklich ist.

Welche Fertigkeiten lernen Schüler so für die Zukunft?
Wie sie sich in dieser Fülle von Informationen zurechtfinden. Dazu gehört, dass sie etwas nicht nur auswendig lernen, sondern sich dessen bewusst werden, was das Gelernte bedeutet. Wir müssen vermehrt ein Bewusstsein dafür entwickeln, welche Inhalte wir fundiert und fehlerfrei beherrschen müssen und welche wir nur überfliegen können. Wo reicht es nicht, einen knappen Beitrag in einer Gratiszeitung zu lesen oder schnell zu googeln? Bei welchem Thema muss ich vielleicht mehrere Artikel lesen und vergleichen, Bücher konsultieren, recherchieren? Und wie nutze ich soziale Ressourcen, etwa Mitschüler, als Lernpartner?

Heute findet Unterricht überwiegend in Jahrgangsklassen statt. Wird das also verschwinden?
Das ist eine schwierige Frage. Ich selber glaube nicht an eine Revolution, sondern an eine Evolution. Vieles kann sehr gut im Klassenverband realisiert werden. Aber ich vermute, der Klassenverband wird häufiger aufgelöst werden, denn selbständiges Erarbeiten von Themen, allein oder in Lerngruppen, wird an Bedeutung gewinnen. So wird man häufiger die Frage stellen: «Wie nutzen wir die Zeit, in der Schülerinnen und Schüler zusammen sind, wirklich für gemeinsame Lernerfahrungen und soziale Erfahrungen?».

Welche Rolle haben Eltern in der Schule der Zukunft?
Gerade im Zusammenhang mit Medien hört man heute in Lehrerzimmern teilweise noch immer: «Medienerziehung ist Sache der Eltern.» Hier braucht es aber eine formelle Zuweisung. Das kann bedeuten, dass man etwa bei Eintritt des Kindes in den Kindergarten mit den Eltern intensiv über diese Fragen diskutiert und klärt: Welches ist der Job der Eltern, welcher jener der Schule?

Wie sieht 2020 der Schulalltag mit digitalen Medien aus?
Computertechnologie wird jederzeit und überall zur Verfügung stehen. Dadurch wird man sie im Unterricht niederschwelliger einsetzen. Das ist in Klassen, die intensiv mit digitalen Geräten arbeiten, bereits heute so: Da zeichnet man schnell einen Text als Audiofile auf und verschickt ihn an die anderen, erstellt ein kurzes Erklärvideo als Lösung einer Gruppenarbeit, zeigt seine Präsentation direkt auf dem Bildschirm oder kommuniziert etwa mit einer Klasse in einem andern Land.
Wie verändert diese Selbstverständlichkeit die Mediennutzung?
Digitale Medien werden häufiger harmonisch in den Unterricht integriert und optimal genutzt, um Lehren und Lernen in allen Fächern zu unterstützen. Die Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen werden gemeinsam neue Medien, neue Plattformen, neue Medienprodukte erkunden und deren Nützlichkeit oder Risiken beurteilen.


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